Lebensgeschichte
Hochdruckgebiet ANNELIE
(getauft am 28.06.2015)
Am 27.06.2015 bildete sich südlich des Atlantiktiefs
PASCAL ein Ableger des Azorenhochs, welcher sich in Richtung des europäischen
Festlandes verlagerte. Dieses Hochdruckgebiet verstärkte sich in der Folgezeit
und wurde am Morgen des 28.06.2015 von den Meteorologen der Berliner
Wetterkarte auf den Namen ANNELIE getauft. Das Hochdruckzentrum befand sich zu
diesem Zeitpunkt über dem nördlichen Frankreich, wo ein Luftdruck von knapp
über 1022 hPa gemessen wurde. Vor allem von der Iberischen Halbinsel bis in den
Südwesten Deutschlands schien die Sonne an diesem Tag verbreitet 13 bis
15 Stunden lang.
Bis 01 Uhr MEZ des darauffolgenden Tages verlagerte
sich das Hoch ANNELIE ostwärts und erstreckte sich nun vom östlichen Polen bis über
den Golf von Biskaya und von Norddeutschland bis über den Mittelmeerraum. Das
Zentrum befand sich über Süddeutschland mit einem etwa gleich gebliebenen
Luftdruck von 1022 hPa. Über der Nordwestspitze der Bretagne bildete sich zudem
ein zweites Hochdruckzentrum aus, in dem der Druck sogar über 1023 hPa
betrug. Über Spanien und dem westlichen Mittelmeerraum sorgte kontinentale Tropik- und Subtropikluft, welche mit der auf Süd drehenden
Strömung auf der Westseite des Hochs ANNELIE aus Nordafrika herangeführt wurde,
für Tageshöchsttemperaturen von deutlich über 40°C. Im Süden Frankreichs wurden
ebenfalls schon Höchstwerte bis zu 34°C gemessen.
Im weiteren Verlauf zog das zweite Hochdruckzentrum,
welches auf den Namen ANNELIE II getauft wurde, bis zum Tagesbeginn des 30.06.
über den Ärmelkanal bis über die Benelux-Staaten. Das weiter östlich liegende
Zentrum, welches nachfolgend als ANNELIE I bezeichnet wurde, hatte sich nur
wenig weiter südostwärts verlagert. In einer Höhe von 500 hPa, was in etwa 5 km
über dem Erdboden entspricht, bildete sich zudem zunehmend ein über West- und
Mitteleuropa nach Norden vorrückender Hochdruckkeil aus. Die kontinentale Tropik- und Subtropikluft konnte dadurch zügig weiter
nordwärts strömen und hatte sich nun schon komplett über Frankreich
ausgebreitet. Das Hoch ANNELIE sorgte dabei ebenfalls erneut für viel
Sonnenschein. In Spanien, Italien, Frankreich und dem gesamten
mitteleuropäischen Raum wurden flächendeckend über 14, vereinzelt sogar bis zu
16 Sonnenstunden registriert. Die tropischen Luftmassen, in Verbindung mit der
langen Sonnenscheindauer und dem hohen Sonnenstand, sorgten dafür, dass im
französischen Cazaux die Temperatur am 30.06. auf
40,2°C anstieg und sogar an der Atlantikküste in Cap Ferret
39,4°C gemessen wurden. Dabei wurden im Südwesten Frankreichs neue
Temperaturrekorde für den Monat Juni und vereinzelt Allzeitrekorde
der einzelnen Stationen aufgestellt. Die höchste Temperatur in Deutschland
wurde an diesem Tag mit 31,6°C in Konstanz gemessen.
Auf der Höhenwetterkarte am Morgen des 01.07.2015
konnte man nun schon deutlich eine sogenannte Omegalage erkennen, welche in
dieser Ausprägung im Hochsommer über Mitteleuropa nur alle paar Jahre vorkommt.
Der Name kommt daher, dass in der Höhe der Hochdruckkeil stark dem griechischen
Buchstaben Omega ähnelt. Durch die Omegalage konnten sich die Luftmassen subtropischen
Ursprungs weiter nach Norden und Osten ausbreiten. Am Boden hatte sich das
Hochdruckzentrum, in dessen Bereich ein Luftdruck von ca. 1024 hPa herrschte,
bis nach Südschweden verlagert. Erneut schien die Sonne über West- und
Mitteleuropa ungestört den gesamten Tag mit Ausnahme der Atlantikküsten, wo im
Tagesverlauf das Tief REINHARD für wechselhafteres Wetter sorgte. Bis zum Abend
stiegen die Temperaturen in Deutschland im Vergleich zum Vortag deutlich an,
sodass vereinzelt sogar Wüstentage verzeichnet wurden, wofür Höchsttemperaturen
von mindestens 35°C erreicht werden müssen. So wurden Höchstwerte von 35,5°C an
der Station Trier-Petrisberg und 35,2°C in
Rheinstetten registriert. In Frankreich wurde mit 40,1°C in Vichy erneut ein
Maximum über 40°C gemeldet. Auch im Großraum Paris wurden Höchstwerte von 39
bis 40°C gemessen. Ungewöhnlich heiß war es auch im Süden und der Mitte
Großbritanniens, wo am Flughafen Heathrow in London mit 36,7°C der landesweite Allzeitrekord für den Monat Juli um 0,2 Grad überboten
wurde.
Am 02.07. um 01 Uhr MEZ befand sich das
Hochdruckzentrum des sich verstärkenden Hochs ANNELIE über dem Baltikum. Dort
wurde ein Luftdruck von über 1030 hPa gemessen. Der Schwerpunkt der subtropischen
Luftmassen verlagerte sich weiter ostwärts und lag nun zwischen dem Osten
Frankreichs, den Benelux-Staaten und Westdeutschland, westlich davon hatte das
Tief REINHARD für Abkühlung gesorgt. In diesem Bereich traten verbreitet
Tropennächte auf, also Nächte, in denen die Tiefsttemperatur nicht unter 20°C
fällt. Im westlichen Nordrhein-Westfalen und im östlichen Belgien fiel die
Temperatur an einzelnen Stationen sogar nicht unter 24°C. Während mit 30 bis
34°C im Osten Deutschlands die Tageshöchstwerte der Temperatur am Tage noch
erträglich waren, wurden entlang des Rheins und westlich davon Temperaturen von
35 bis knapp 39°C gemessen. Der höchste Wert wurde in Geilenkirchen an der
Grenze zu Belgien mit 38,7°C erreicht. Im Ruhrgebiet erreichten die Höchstwerte
überall zwischen 36 und 38°C. Dabei wurden an zahlreichen Stationen neue
Dekadenrekorde und an einigen Stationen sogar neue Monatsrekorde für den Juli
aufgestellt, wie in Bocholt im westlichen Münsterland, wo mit 38,6°C der alte
Monatsrekord aus dem Jahr 1959 um 2,3 Grad überboten wurde. In Frankreich
und den Benelux-Ländern wurden ebenfalls Temperaturen von über 38°C erreicht,
wie am Flughafen von Maastricht mit 38,2°C oder am belgischen Militärflugplatz
Kleine Brogel mit 38,1°C.
In Verlauf des 02.07. und in der Nacht zum 03.07.
konnte sich die kontinentale Subtropikluft immer weiter über Deutschland und
den Alpenraum nach Osten ausbreiten. Während sich das Hochdruckgebiet ANNELIE
mit seinem Zentrum am Boden unter leichter Abschwächung ostwärts verlagerte, blieb
in der Höhenwetterkarte die Omegalage über Mitteleuropa deutlich zu erkennen.
Da die Luftmasse über Deutschland aufgrund deren Alterung nicht mehr ganz so
warm war wie an den Vortagen, erreichten auch die höchsten Temperaturen nicht
mehr die extremen Werte des Vortages. Spitzenreiter war hierbei die Station Bad
Mergentheim-Neunkirchen mit 37,7°C, im brandenburgischen Holzdorf wurde mit
35,7°C ebenfalls ein Wüstentag erreicht. Jedoch strömte in der anhaltenden
Südströmung von Spanien her die nächste Welle heißer Tropik-
und Subtropikluft nach Norden. Daher wurden in Frankreich mit 40,3°C an der
Station Vichy abermals über 40°C gemessen.
Diese tropischen Luftmassen erreichten in der Nacht
zum 04.07. Deutschland, wo in Folge dessen die Tiefstwerte der Temperatur
verbreitet im Westen und in der Mitte Deutschlands nicht unter 25°C fielen. Im
pfälzischen Ruppertsecken sank die Temperatur nicht
unter 28,3°C, was einem der höchsten nächtlichen Tiefstwerte in Deutschland
aller Zeiten entspricht. Mit dem Tagesanbruch steigen die Temperaturwerte
rasant in die Höhe und so wurde einer der flächendeckend heißesten Tage in
Deutschland seit Aufzeichnungsbeginn erreicht. Am heißesten war es dabei mit
39,1°C im bayerischen Kitzingen, im thüringischen Artern
wurde eine Temperatur von 38,9°C registriert, was zugleich der höchste jemals
gemessene Wert in Ostdeutschland ist. Doch auch sonst wurden mit oftmals mehr
als 37°C fast überall vom Schwarzwald bis zur Nordsee und von Nordbayern bis
zur Ostsee neue Dekaden- oder Monatsrekorde aufgestellt, an zahlreichen
Stationen sogar Allzeitrekorde. Im Osten Frankreich
und in der Schweiz, wo sich die heiße Luft ebenfalls konzentrierte, stiegen die
Temperaturen auch auf verbreitet 36 bis 38°C.
Das Zentrum des Hochs ANNELIE zog im Folgenden nach
Süden in Richtung Balkan und schwächte sich dabei weiter ab. Der zentrumsnahe
Luftdruck betrug noch ungefähr 1021 hPa. Am Abend und in der Nacht auf den
05.07. sorgte eine von Westen kommende Kaltfront für Abkühlung im Nordwesten
Deutschlands. Dort wurden am 05.07. keine Tageshöchsttemperaturen von 30°C oder
darüber mehr erreicht. Ansonsten wurde es der in Deutschland heißeste Tag seit
Aufzeichnungsbeginn. In Kitzingen wurde mit 40,3°C sogar der deutsche Allzeittemperaturrekord aus dem Jahr 2003 gebrochen. Im
Bereich der Rhein-Main-Region wurden mit häufig 38 bis 40°C zahlreiche Stationsallzeitrekorde gebrochen.
Das Hoch ANNELIE schwächte sich im Tagesverlauf jedoch
immer weiter ab, sodass zunehmend Tiefdruckausläufer vom Atlantik die heißen
Luftmassen verdrängen konnten. Bis zum 06.07. hatte sich das Hochdruckgebiet
ANNELIE soweit abgeschwächt, dass es auf der Berliner Wetterkarte keine
Erwähnung mehr fand.
Das Hoch ANNELIE beeinflusste das Wettergeschehen in
Europa über 9 Tage und sorgte dabei für eine der intensivsten Hitzewellen in
West- und Mitteleuropa der vergangenen Jahrzehnte, weshalb die Antizyklone
ANNELIE zu Recht als ein sehr außergewöhnliches Hochdruckgebiet angesehen
werden kann.
Geschrieben am 22.09.2015 von Maximilian Steinbach
Berliner Wetterkarte: 03.07.2015
Pate: Dr. Annelie Dehnert-Hilscher