Lebensgeschichte

 

Hochdruckgebiet BODO

(getauft am 15.06.2018)

 

Der Temperaturkontrast zwischen Pol und Äquator wird von der Atmosphäre ständig ausgeglichen, was durch globale Zirkulationssysteme wie der Hadley- und Ferrel-Zelle erreicht wird. Als Teil dieser bildet sich in den mittleren Breiten der Nordhemisphäre im Normalfall eine mäandrierende Westströmung aus, mit der immer wieder neue Tief- und Hochdruckgebiete vom Atlantik nach Europa geführt werden und sich dann auflösen oder nach Osten abziehen. Unter bestimmten Druckverteilungen kann es jedoch dazu kommen, dass die Westströmung gestört und abgelenkt wird. Diesen Zustand nennt man „Blockierungswetterlage“. Sie tritt zum Beispiel auf, wenn sich hoher Luftdruck nördlich von tiefem Luftdruck befindet und sich die Zirkulationen ausgleichen, eine sogenannte „High over Low“- Lage. Im Juni 2018 baute sich diese Druckkonstellation immer wieder auf. Bis zum 15. Juni verstärkte sich dabei ein Hochdruckkeil mit Achse von Polen bis Finnland und damit nördlich eines abgetropften Höhentiefs über dem Mittelmeer. Ein Keil bezeichnet einen Vorstoß warmer Luft nach Norden. Am Boden war die Entwicklung des Keils verbunden mit der Entstehung einer Hochdruckbrücke vom Azorenhoch über die Biskaya und Mitteleuropa bis zum Ostseeraum und Nordwestrussland. In der Nacht zum 15. Juni trennte sich schließlich ein einzelnes Hochdruckzentrum ab, welches mit einem maximalen Druck von etwa 1020 hPa über Nordwestrussland analysiert wurde. Daher wurde dieses neue Hoch als Analysetaufe mit dem Namen BODO belegt.

Die Ausdehnung des Hochdruckgebietes BODO betrug zu diesem Zeitpunkt ungefähr 1500 km in West-Ost-Richtung und 1300 km in Nord-Süd-Richtung. Damit umfasste der Hochdruckeinfluss das Baltikum, Finnland und Westrussland. Hochdruckeinfluss ist im allgemeinen mit großräumigem Absinken verbunden. Da sich beim Absinken die Luft erwärmt und damit die relative Feuchte sinkt, lösen sich Wolken eher auf. Außerdem gibt es bei Hochdruckgebieten keine Fronten, welche mit ihrer Hebung für zusätzliche Wolkenfelder und Niederschlag sorgen könnten. Falls keine sonstigen Effekte für Wolken sorgen, setzt sich also die Sonne durch. Hoch BODO sorgte an diesem Tag beispielsweise in Tallinn für 15 Stunden, in Tula für 12,6 Stunden und in Murmansk immerhin für 9,9 Stunden Sonne. Zu dieser Jahreszeit sind in Murmansk wegen der hohen nördlichen Breite theoretisch 24 Stunden Sonne möglich, welche allerdings vom Messinstrument bei tiefem Sonnenstand nicht erfasst werden. Die polare Luftmasse innerhalb der Hochdruckzone BODO konnte soweit erwärmt werden, dass großräumig Tageshöchsttemperaturen über 20°C erreicht wurden. Vereinzelt konnten mit über 25,0°C sogar Sommertage gezählt werden, wie in Riga mit 26,0°C und St. Petersburg mit 25,9°C. In den Randbereichen des Hochs BODO setzten sich zunehmend Tiefdruckgebiete mit ihren Frontensystemen durch. So registrierte beispielsweise die Station am finnischen Flughafen Ranua zwölfstündig 0,4 Liter Regen pro Quadratmeter bis 20 Uhr MESZ, was 18 Uhr UTC entspricht. In Uppsala waren es 0,0 Liter, also eine nicht messbare Menge, und im weißrussischen Slawgorod sogar 22 Liter an schauerartigem Niederschlag pro Quadratmeter im selben Zeitraum. Auch die Sonnenscheindauer fiel wegen den dazugehörigen Wolken zu den Randbereichen hin deutlich geringer aus.

Bis 02 Uhr MESZ des 16. Juni verstärkte sich Antizyklone BODO auf ungefähr 1023 hPa. Dabei verlagerte sich die Hochdruckzone kaum, wurde jedoch besonders im Westen durch vorrückenden Tiefdruckeinfluss auf eine Ausdehnung von etwa 1000 km zusammengestaucht. Vom Ostseeraum her setzten sich daher an diesem Tag mehr und mehr die Wolken durch. Während beispielsweise Rostow am Don 13,3 Stunden Sonne verzeichnete, waren es in St. Petersburg nur 6 Stunden und in Smolensk sogar 0 Stunden Sonne. Niederschlag fiel aus den Wolkenbändern jedoch keiner und so sorgte nur ein kleines Randtief über Weißrussland mit seinem Frontensystem erneut für schwache Schauer am Rande der Hochdrucksystems BODO. Die Station in Smolensk registrierte zwölfstündig 4 Liter und die in Polock 7 Liter pro Einheitsfläche bis 20 Uhr MESZ. Die polare Luftmasse heizte sich derweil noch etwas weiter auf. In St. Peterburg wurden trotz der geringeren Sonnenscheindauer 26,8°C als Höchsttemperatur gemessen, also etwa 1 Grad mehr als am Vortag. In Moskau waren es 24,0°C und in Petrosawodsk 23,9°C. Nur im Bereich des konvektiven Niederschlags über Weißrussland waren die Temperaturen auch aufgrund der größeren Bedeckung mit 15-20°C deutlich geringer. In der 500 hPa Höhenwetterkarte, also in etwa 5,5 km über dem Meeresspiegel, verlagerte sich der Höhenkeil im Laufe des Tages mit seiner Achse nach Osten, sodass das Bodenhoch BODO nun direkt unterhalb des dazugehörigen Keils lag. Diese Konstellation spricht im Allgemeinen für Abschwächung von Druckgebieten.

In der Nacht zum 17. Juni hatte Hoch BODO jedoch noch einen Druck von über 1020 hPa im Zentrum. Auch die Ausdehnung des Hochdruckzentrums betrug noch ungefähr 1000 km. Dennoch sorgte der Hochdruckeinfluss nicht mehr überall für Wolkenauflösung, denn die Frontensysteme rückten aus Süden und Westen weiter zum Zentrum des Hochs BODO vor. In Ersov im Südwesten Russland konnten beispielsweise nur 2 Stunden Sonne verzeichnet werden und in St. Petersburg wurden an die 6 Stunden erreicht. Weiter Richtung Zentrum der Antizyklone BODO in Kazan kamen dagegen 12 und in Nischni Nowgorod 17,3 Stunden zusammen. Niederschlag gab es kaum noch. Aufgrund der geringen Luftdruckunterschiede war der Wind außerdem nur sehr schwach. Über ganz Westrussland und bis zur Ostsee wurden meist unter 15 km/h, also Windstärke 2 auf der Beaufort-Skala, gemessen. Daher konnte sich die Luftmasse besonders am Boden weiter erwärmen. In Moskau wurde am Nachmittag sogar die 25°C Marke überschritten.

Im weiteren Verlauf schwächte sich das Bodenhoch BODO nun doch ab. In der Bodenanalyse von 02 Uhr MESZ des 18. Juni war bereits nicht mal mehr ein abgeschlossenes Zentrum zu erkennen. Der Druck im Bereich um Moskau betrug in etwa 1015 hPa. Da die Luftdruckgegensätze nur gering waren und nur weit entfernte Tiefs ihre schwachen Frontenausläufer in den Raum der Hochdruckzone BODO steuerten, war der Wettercharakter weiterhin recht freundlich. Im Bereich des Zentrums wie beispielsweise in Novgorod wurden noch über 17 Stunden Sonnenschein registriert. Auch die Temperaturen erreichten mit 28°C, wie in Moskau, nun ihren Höhepunkt, denn an den darauffolgenden Tagen fand von Westen her ein Luftmassenwechsel statt. In diesem Zuge wurde auch Hoch BODO aus dem Europäischen Raum verdrängt beziehungsweise von einem neuen Hoch über der Barentssee aufgenommen.