Lebensgeschichte

 

Hochdruckgebiet EGBERT

(getauft am 10.08.2016)

 

Die Krümmung der Erdoberfläche hat zur Folge, dass die Einstrahlung der Sonne unterschiedlich stark ausfällt. Am Äquator treffen die Sonnenstrahlen quasi senkrecht auf den Boden. Mit zunehmender geographischer Breite, steht die Sonne allerdings immer flacher, sodass pro Quadratmeter weniger Nettostrahlung absorbiert und damit in Wärme umgesetzt wird. Dieser Umstand hat massive Auswirkungen auf die Dynamik in der Atmosphäre, denn dadurch werden die Tropen viel stärker aufgeheizt als die Pole. Die Atmosphäre als Fluid ist bestrebt, dieses Ungleichgewicht aufzulösen und es stellen sich globale Zirkulationen ein, die tropische Luft nach Norden und polare Luft nach Süden transportieren. Durch die Erdrotation werden die Strömungen jedoch teilweise abgelenkt. In unseren Breiten, also etwa zwischen 40° und 60° Nord, entsteht daraus schließlich eine Westwindzirkulation, welche in einigen Kilometern Höhe besonders stark ist, da die zonalen Temperaturunterschiede bei uns recht groß sind. Durch Hindernisse, wie beispielsweise die Rocky Mountains, werden die Westströmungen abgelenkt und verlaufen dahinter nicht mehr geradlinig, sondern in Wellen. Solche Wellen zeigen sich am Boden als großräumige Hoch- und Tiefdruckgebiete. Für Europa ist beispielsweise das sogenannte Azorenhoch von Bedeutung, welches einen Großteil des Jahres über dem Nordostatlantik im Raum der Azoren liegt.

Am Morgen des 10. August 2016 lag dieses Hochdruckgebiet in der Bodenanalyse der Berliner Wetterkarte mit seinem Zentrum etwa 1000 km südwestlich von Irland. Mit einer Ausdehnung von über 2000 km Durchmesser wirkte es sich direkt auf die Großwetterlage für Europa aus und wurde daher von den Meteorologen in der Analyse auf den Namen EGBERT getauft. Die Hochdruckzone EGBERT war zu diesem Zeitpunkt mit einem Kerndruck von 1035 hPa bereits recht intensiv, was auch eine großräumige Windzirkulation um das Zentrum zur Folge hatte. Da der Wind antizyklonal, also mit dem Uhrzeigersinn um Hochdruckgebiete strömt, wurden auf der Ostflanke des Hochs EGBERT arktische Luftmassen nach West- und Mitteleuropa geführt. Dieser Luftmassenwechsel führte zu fallenden Temperaturen. In Deutschland, wo zwei Tage zuvor noch teilweise über 30°C als Maximumstemperatur erreicht wurden, kam es nur noch in Baden-Württemberg zu Temperaturen um 20°C. In Berlin-Dahlem wurden beispielsweise nur 16,9°C gemessen. Zum Vergleich liegt das mittlere Tagesmaximum im Monat August hier im Klimareferenzzeitraum von 1961 bis 1990 bei 22,8°C, also fast 6 Grad höher. Das tiefste August-Maximum überhaupt stammt jedoch aus dem Jahr 1940 mit deutlich kühleren 11,5°C. In Duisburg wurden am 10. August 2016 ebenfalls nur 15,8°C als Tageshöchstwert registriert. In Kopenhagen waren es 16,5°C und in Warschau 14,7°C. Da Hochdruckgebiete grundsätzlich mit großräumigem Absinken der Luft verbunden sind, war das Wetter innerhalb der Hochdruckzone EGBERT über dem Nordostatlantik mit Ausnahme von einigen Wolkenfeldern sonnig. Einzig am Ende einer Warmfront, welche von einem Tief bei Island nach Süden bis Irland in den Bereich des Hochdruckgebiets EGBERT eindrang, setzten sich dichtere Wolken mit Regen durch. Zwischen 8 und 20 Uhr MESZ sorgte diese Warmfront in Dublin für 2 mm, in Belfast für 3 mm und im schottischen Loch Glascarnoch sogar für 14 mm Regen. Abseits der dichten Front-Bewölkung wie in Lissabon, Madrid oder Toulouse kam es zu fast 13 Stunden Sonne.

Angetrieben durch die Westströmung breitete sich die Hochdruckzone EGBERT bis zum 11. August weiter nach Osten über Frankreich aus. Das Zentrum lag mit knapp unter 1035 hPa weiter ungefähr 1000 km südwestlich von Irland. Die Ausdehnung war nun in West-Ost-Richtung mit etwa 2000 km größer als von Nord nach Süd mit etwa 1200 km. Im Nordosten der Antizyklone EGBERT war die Front, welche nun als doppelte Warmfront analysiert wurde, weiter nach Osten über Großbritannien vorangekommen. Im Laufe des Tages zog dieses Frontensystem mit seinen Wolken und Niederschlag weiter nach Osten und brachte 12-stündig bis 20 Uhr MESZ in Glasgow und Brüssel 4 mm und am Flughafen von Hamburg 3 mm. Am stärksten vielen die Niederschläge jedoch direkt an der Küste aus. In den selben 12 Stunden fielen beispielsweise in Rotterdam 12 mm und in Amsterdam 10 mm Regen. In Bremerhaven waren es 5,9 mm. Über Frankreich, wo sich das Hoch EGBERT mehr und mehr durchsetzte blieben die Niederschläge an diesem Tag auf den äußersten Nordosten beschränkt und drangen nicht weiter nach Süden vor. Dieser Hochdruckeinfluss zeigte sich auch in den gemessenen Sonnenstunden in Europa. Unter der dichten Bewölkung der Warmfront konnten beispielsweise in Düsseldorf nur 8 Minuten Sonne registriert werden. Im nur 170 km entfernten Offenbach waren es schon über 5 Stunden Sonne und weiter nach Südosten in Bern wurden knapp 12 Stunden Sonne registriert. Am sonnigsten war es direkt innerhalb der ostwärts ziehenden Hochdruckzone EGBERT in Frankreich, wie in Lyon mit über 13 Stunden Sonne.

Bis zum 02 Uhr MESZ-Termin des 12. August hatte sich das Hoch EGBERT deutlich weiter nach Osten bis über den Alpenraum gestreckt, sodass die West-Ost-Ausdehnung nun fast 4000 km betrug. Das eigentliche Zentrum wurde über der Biskaya analysiert. Dieses hatte sich auf etwa 1028 hPa abgeschwächt. Deutschland, Österreich und die Schweiz wurden im Verlauf des Tages von der Warmfront überquert sodass dreistündig zunächst in Bochum 2,1 mm Regen bis 11 Uhr MESZ, in Hannover 0,8 mm bis 17 Uhr MESZ und schließlich 0,6 mm in Berlin-Dahlem bis 23 Uhr MESZ fielen. Im Alpenraum waren die Niederschläge trotz Hochdruckeinfluss durch orographische Hebung teilweise verstärkt. Auf der Bergstation des Säntis wurden zwischen 8 und 11 Uhr MESZ zum Beispiel 3,8 mm gemessen. Ansonsten war es besonders in Südengland, Frankreich und Spanien durch das Hochdruckgebiet EGBERT erneut sehr sonnig. London-Heathrow meldete über 12 Stunden, Paris 11 Stunden und Madrid 13 Stunden Sonnenschein. Auch die Temperaturen wurden in der im Hoch EGBERT einfließenden Subtropikluft und durch die starke Sonneneinstrahlung wieder sommerlicher. In London wurde beispielsweise eine maximale Temperatur von 27,7°C gemessen. In Toulouse waren es schon 30°C und in Südwestspanien und Portugal wie in Sevilla an die 37°C.

Im Verlauf des Tages begann sich das Hoch EGBERT vom eigentlichen Azorenhoch abzuspalten. Um 02 Uhr MESZ des 13. August lag dann ein eigenständiges Zentrum mit etwa 1025 hPa über dem Alpenraum bis zur Slowakei und Rumänien. Über Polen und Tschechien war weiterhin die Warmfront aktiv. Hinter dieser sorgten wärmere Luftmassen für sommerliche Werte in Deutschland, sodass in Berlin bis zu 28°C registriert werden konnten. In Bad Nauheim bei Frankfurt am Main wurde mit 29,6°C sogar fast wieder 30°C gemessen, obwohl am Vortag hier nur 22°C als Höchsttemperatur erreicht wurde. Da die Front sich mittlerweile abgeschwächt hatte, wurden fast nur noch Niederschlagsmengen unter 1 mm in 12 Stunden verzeichnet. Im tschechischen Luka beispielsweise waren es 0,1 mm zwischen 8 und 20 Uhr MESZ und in Wien örtlich 0,2 mm im selben Zeitraum. Östlich und westlich der sich auflösenden Front schien fast durchweg die Sonne. Budapest, Berlin und Nürnberg meldeten 10 Stunden Sonne. In München waren es sogar die maximal erreichbaren 14 Stunden.

Am 14. August begann sich das Hoch EGBERT abzuschwächen. In der Bodenanalyse um 02 Uhr MESZ waren noch zwei kleinräumige Zentren über den Alpen und über dem rumänischen Raum erkennbar, wobei der östliche der beiden mit etwa 1025 hPa Zentrumsdruck als Hoch EGBERT analysiert wurde. Die Warmfront der Vortage hatte sich größtenteils aufgelöst, allerdings zog aus Nordwesten eine nachfolgende Kaltfront heran, welche in der schwülen Subtropikluft für genügend Hebung sorgte, um lokale Gewitter auszulösen. Diese entwickelten sich am Abend und zogen über die Schweiz, Österreich und Osteuropa. Eine Zelle sorgte im österreichischen Zeltweg für 13 mm in 3 Stunden bis 23 Uhr MESZ. Eine weitere brachte im schweizerischen Juf 12 mm im selben Zeitraum. Die Gewitter waren jedoch nicht sehr intensiv und so ging bei der europäischen Datenbank für Extremwetter nur eine Meldung über Hagel mit 2 cm Durchmesser in Südostpolen ein. Mit Ausnahme der Cumulusbewölkung, welche sich also teilweise zu Cumulonimbuswolken und damit Gewittern entwickelte, setzte sich in fast ganz Zentraleuropa wieder die Sonne durch. In Budapest wurden knapp 13 Stunden, in Warschau 9 Stunden, in Triest 12 Stunden, in Nürnberg 13 Stunden und in Bern ebenfalls 13 Stunden registriert.

Im weiteren Verlauf schwächte sich das Hoch EGBERT immer weiter ab und wurde dabei von einem neuen Hoch über Großbritannien aufgenommen. Um 2 Uhr MESZ des 15. August 2016 konnte das Hoch EGBERT noch einmal mit etwa 1020 hPa über Rumänien analysiert werden. Die zurückbleibende Hochdruckbrücke sorgte mit Ausnahme von einzelner konvektiver Bewölkung entlang der Kaltfront über dem Alpenraum, der Slowakei und der Südwestukraine für Wolkenauflösung und Sonne. In Belgrad schien 12 Stunden, in Zürich 10 Stunden und nahe dem Kern von Hoch EGBERT in Sofia 13 Stunden lang die Sonne. Bis zum Folgetag löste sich das Hoch EGBERT auf und konnte schließlich nicht weiter auf der Berliner Wetterkarte verzeichnet werden.

 


Geschrieben am 05.10.2016 von Jannick Fischer

Berliner Wetterkarte: 13.08.2016

Pate: Egbert Brodengeier