Lebensgeschichte

 

Hochdruckgebiet FINCHEN

(getauft am 29.07.2015)

 

Am 29. Juli 2015 wurde in der Prognosekarte der Berliner Wetterkarte für den Folgetag ein Hochdruckgebiet über dem Nordatlantik auf den Namen FINCHEN getauft.

Ein unbenanntes Hochdruckgebiet hatte sich, vom westlichen Nordatlantik kommend, ab dem 28. Juli nach Osten bewegt und war am 30. Juli mit einem Kerndruck von über 1025 hPa, ähnlich kräftig wie das weiter südlich gelegene Azorenhoch, an das sich das nun als FINCHEN bezeichnete Hoch angliederte, analysiert worden. Auch die räumliche Ausdehnung der Antizyklone FINCHEN war ähnlich groß wie die des Azorenhochs, wobei letzteres eher südlich der Azoren lag und sich das Hoch FINCHEN weiter nördlich der mittelatlantischen Inselgruppe befand. Zwischen beiden Hochdruckzentren erstreckten sich die Frontensysteme mehrerer unbenannter Tiefdruckgebiete mit Kernen vor der Westküste der Iberischen Halbinsel sowie westlich der Azoren. In höheren Luftschichten, repräsentiert durch das 500 hPa-Luftdruckniveau, das einer Höhe von rund 5,5 km entspricht, war, ausgehend von einem zum Azorenhoch im Bodenniveau korrespondierenden Hochdruckgebiet mit Zentrum südwestlich der Azoren, ein nach Norden bis Nordwesten gerichteter Höhenrücken zu erkennen. Dieser reichte mit seiner Achse bis etwa 500 km östlich der zu Kanada gehörenden Insel Neufundland.

Bis zum 31. Juli verlagerte sich der Hochdruckrücken in höheren Luftschichten weiter nach Osten, womit sich auch im Bodendruckniveau das Hochdruckgebiet FINCHEN weiter nach Osten verlagerte. Während das Azorenhoch südwestlich der Azoren nahezu ortsfest blieb, spaltete sich das Hochdruckgebiet FINCHEN, unterstützt durch die nach wie vor aktiven Frontensysteme der unbenannten Tiefs über dem Nordatlantik, vom Azorenhoch ab und war nun mit zwei Kernen über dem äußersten Nordwesten und Westen Europas zu sehen. Das Hoch FINCHEN I befand sich mit einem Kerndruck von etwa über 1025 hPa ungefähr 800 km nordnordöstlich der Azoren und gut 1000 km westnordwestlich der Nordwestspitze der Iberischen Halbinsel. Das Hoch FINCHEN II lag mit einem Kerndruck von über 1020 hPa über dem Ärmelkanal, etwa im Bereich der Straße von Dover. Während es Ende Juli in Mitteleuropa und damit in Deutschland im Einflussbereich des Tiefdruckgebietes ANDREAS sowie relativ kalter Luft in höheren Luftschichten wechselhaft und kühl oder allenfalls mäßig warm war, brachte die Annäherung des Hochdruckgebietes FINCHEN am 31. Juli vor allem dem Süden Deutschlands viel Sonnenschein mit oft deutlich über 10 Sonnenstunden sowie gebietsweise einen Sommertag nach meteorologischer Definition. So erreichte die Temperatur im bayerischen Regensburg ein Maximum von 26,5°C. Noch etwas wärmer wurde es mit einer Höchsttemperatur von 26,7°C im baden-württembergischen Ihringen am Kaiserstuhl.

Am 1. August lag das Hochdruckgebiet FINCHEN I mit etwas über 1020 hPa in einem Bereich von der westlichen Biskaya bis zum Seegebiet etwa 800 km westlich der portugiesischen Küste. Das Hochdruckgebiet FINCHEN II hatte sich deutlich nach Osten verlagert und befand sich mit ebenfalls über 1020 hPa über dem östlichen Polen. Die Folge für die Temperaturentwicklung in Deutschland waren Höchstwerte von 25°C oder mehr vor allem von der Neiße bis zum Ober-, Mittel- und Niederrhein sowie im östlichen Bayern. An der Wetterstation in Darmstadt wurde mit 29,3°C deutschlandweit die höchste Temperatur im Messnetz des Deutschen Wetterdienstes DWD ermittelt. Die private, aber ebenfalls nach internationalen Normen arbeitende Wetterstation Brauneberg-Juffer verzeichnete mit 30,2°C sogar einen Heißen Tag nach meteorologischer Definition.

Am 2. August wurde das Hochdruckgebiet FINCHEN mit einem Zentrum analysiert, welches mit über 1020 hPa Kerndruck vom südlichen Baltikum bis zur Ukraine und bis nach Bulgarien reichte. Somit wurde die ursprünglich aus subpolaren Breiten stammende Luft über weiten Teilen Deutschlands vermehrt erwärmt. Die Folge war, daß in einigen Gebieten Ost- und Südwestdeutschlands ein Heißer Tag erreicht wurde. In Brauneberg-Juffer war es mit 32,6°C am heißesten, das brandenburgische Buckow in der Märkischen Schweiz war mit 31,3°C der heißeste Ort in Ostdeutschland. Mit Ausnahme der Küstenregionen und des südlichen Bayerns gab es an vielen anderen Orten in Deutschland zumindest einen meteorologischen Sommertag.

In der Nacht zum 3. August gab es in Durbach im baden-württembergischen Ortenaukreis mit einem Temperaturminimum von 20,1°C eine Tropische Nacht in Folge der weiter erwärmten Luft und der geringen Luftbewegung. Auf der Analysekarte des 3. August waren wieder zwei Hochdruckkerne zu erkennen, und zwar das Hoch FINCHEN I mit über 1025 hPa über dem südwestlichen Russland, der nordöstlichen Ukraine und dem östlichen Weißrussland. Über der Ostsee in der Gegend von Dänemark befand sich die Antizyklone FINCHEN II mit einem Kerndruck von über 1020 hPa. Südwestlich an das Hoch FINCHEN II schloss sich der ausgedehnte Warmluftsektor des westlich der Britischen Inseln liegenden Tiefs BONIMIR an, womit die Warmluftzufuhr nach Deutschland weiter zunahm. An der privaten Wetterstation im hessischen Bad Nauheim wurde das deutschlandweit höchste Temperaturmaximum mit 35,6°C gemessen. Die Wetterstation Duisburg-Baerl war mit 35,3°C der heißeste Ort im Messnetz des DWD.

In den Folgetagen steigerte sich die Hitze in einer südwestlichen Strömung zwischen dem Hochdruckgebiet FINCHEN und dem zwischen den Britischen Inseln und Island liegenden Tief BONIMIR in neue extreme Temperaturbereiche. Am 4. August befand sich das Hochdruckgebiet FINCHEN über Nordosteuropa, wobei die 1020-hPa-Isobare von Mittelschweden über das östliche Polen und die südliche Ukraine sowie bis in die Region der südrussischen Stadt Wolgograd, nach Sankt Petersburg im Nordwesten Rußlands und bis zur finnischen Hauptstadt Helsinki reichte. Innerhalb dieses großen Gebietes lag der Luftdruck noch etwas höher als 1020 hPa. Mit 36,5°C an einer privaten Wetterstation war es in der brandenburgischen Landeshauptstadt Potsdam am heißesten. Regensburg meldete mit 36,0°C die höchste Temperatur einer DWD-Station. Vom Brocken im Harz auf 1142 m Höhe wurde mit 23,8°C ein Höchstwert der Temperatur gemeldet, der knapp unter einem offiziellen Sommertag nach meteorologischer Definition lag. Im äußersten Nordwesten Deutschlands stieg die Temperatur dagegen im Einflussbereich des Tiefs BONIMIR noch nicht einmal auf 20°C, so zum Beispiel in Emden, wo als Maximum eine Temperatur von 19,1°C registriert wurde. Die im Bereich der Luftmassengrenze zwischen kühler und heißer Luft auftretenden Regengüsse und Gewitter erreichten den Osten und Südosten Deutschlands meist nicht, so daß sich die Trockenheit dort weiter verschärfte und unter anderem gebietsweise die höchste Waldbrand-Warnstufe herrschte.

Am 5. August brachte eine zum Tief BONIMIR gehörende Kaltfront im Norden und in der Mitte Deutschlands vorübergehend nicht mehr so heiße Luft wie zuvor, so daß die Temperatur dort meist auf 20 bis 28°C stieg. Dagegen hielt sich sehr warme bis heiße Subtropikluft des nun über dem östlichen Polen und der westlichen Ukraine liegenden Hochdruckgebietes FINCHEN über Süddeutschland, die in Maulburg im Südwesten Baden-Württembergs eine Höchsttemperatur von 33,9°C brachte.

Am Folgetag beeinflusste das Hoch FINCHEN wieder weite Teile von Mittel- und Osteuropa. In Norddeutschland wurde die vorübergehend eingeflossene maritime Polarluft durch Subtropikluft ersetzt, was dazu führte, daß beispielsweise in Dresden-Strehlen eine Höchsttemperatur von 36,9°C erreicht wurde, wo es am 5. August ein Maximum von 27,9°C gegeben hatte. Noch heißer war es an der DWD-Wetterstation im unterfränkischen Kitzingen mit einer Höchsttemperatur von 38,7°C. Selbst auf dem in 1620 m Höhe gelegenen Wallberg am Rand der bayerischen Alpen gab es mit 25,1°C einen offiziellen Sommertag.

Am 7. August befand sich das Hochdruckgebiet FINCHEN mit seinem Zentrum über dem südöstlichen und östlichen Europa, wo dessen 1020-hPa-Isobare von der nordrussischen Region von Archangelsk bis etwa nach Wolgograd und zu den rumänischen Karpaten reichte. Die für den Süden Deutschlands bestimmende Luftmasse war nun kontinentale Tropikluft. In Kitzingen wurde eine Höchsttemperatur von 40,3°C erreicht. Gut einen Monat zuvor, am 5. Juli, hatte es dort mit exakt diesem Wert einen neuen deutschlandweiten Allzeit-Rekord gegeben. Mit 41,1°C im baden-württembergischen Wertheim und 40,6°C in Göllheim in Rheinland-Pfalz wurden zudem an zwei privaten Wetterstationen neue Rekordwerte für die Lufttemperatur in zwei Metern Höhe über dem Erdboden aufgestellt.

Zum 8. August hielt sich der Einfluß der kontinentalen Tropikluft über dem Osten und Süden Deutschlands. Im sächsischen Zittau erreichte die Temperatur mit 38,2°C an einer privaten Wetterstation das deutschlandweit höchste Maximum. Wieder einmal war es Regensburg, das mit einer Höchsttemperatur von 37,8°C den Hitzepol im Messnetz des DWD darstellte. An mehr als 30 Wetterstationen des Deutschen Wetterdienstes wurden am 7. oder 8. August Dekadenrekorde für die ersten 10 Tage des Monats August aufgestellt.

Am 9. und 10. August veränderte das Hochdruckgebiet FINCHEN seine Lage nur wenig und befand sich nach wie vor über dem südöstlichen und östlichen Europa. Am 9. August war die größte Hitze in Deutschland im Süden des Landes zu finden, wo die DWD-Wetterstation Aldersbach-Kriestorf in Niederbayern 36,5°C als Maximum meldete. Am 10. August war Dresden-Strehlen mit 36,9°C der heißeste Ort im DWD-Messnetz, während es an der privaten Wetterstation im thüringischen Greiz mit 37,3°C noch etwas heißer war. Da die Trockenheit in einigen Regionen im Süden und Osten des Landes gebietsweise tagelang in Kombination mit großer Hitze anhielt, waren die Folgen der Dürre an verschiedenen Stellen sichtbar. Die Waldbrandgefahr war in Teilen von Bayern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern längere Zeit außerordentlich hoch. Felder und Wiesen vertrockneten und große Flüsse wie die Elbe und die Oder sowie deren Zuflüsse, z.B. Mulde und Warthe, verzeichneten mitunter rekordträchtige Niedrigstände.

Am 10. August war das Hochdruckgebiet FINCHEN zum letzten Mal als eigenes Druckgebilde auf der Berliner Wetterkarte zu erkennen. Die nachfolgenden Tiefdrucksysteme konnten aber zunächst die große Hitze mit teils über 35°C im Süden und Osten des Landes kaum verdrängen. Erst nach der Monatsmitte näherten sich die Temperaturwerte gebietsweise zumindest dem klimatologischen Normalwert an und es fiel der ersehnte Regen, dies allerdings mancherorts unwetterartig. An einer positiven Temperaturabweichung von 3 bis 4 Grad vom langjährigen Mittelwert für den gesamten Monat August 2015 hatte das Hochdruckgebiet entscheidenden Anteil, ebenso an dem vor allem in Süddeutschland oft deutlich zu trockenen August 2015, der oft nur rund die Hälfte des für diesen Monat normalen Niederschlages erreichte. Immerhin brachte das Hochdruckgebiet FINCHEN dem August 2015 eine deutlich positive Sonnenscheinbilanz, die neben den Problemen in der Land- und Forstwirtschaft von vielen während der Ferien zu Aktivitäten im Freien genutzt wurde.

 


Geschrieben am 07.09.2015 von Heiko Wiese

Berliner Wetterkarte: 02.08.2015

Pate: Lara Redmer