Lebensgeschichte

 

Hochdruckgebiet GISELA

(getauft am 03.02.2021)

 

Ein neues Hochdruckgebiet bildete sich im Laufe des 03. Februars über der Grönlandsee. Auf der Rückseite eines abziehenden Tiefdruckgebiets über dem Nordmeer war es zu einem Druckanstieg gekommen. Verschiedene Wettermodelle prognostizierten für die kommenden Tage die Etablierung einer ausgedehnten Antizyklone über dem Nordostatlantik und Nordeuropa. Das sollte nicht ohne Folgen für das Wetter in Mitteleuropa bleiben, da bei dieser Konstellation sehr kalte Luftmassen aus Norden und Osten herangeführt werden. Und so wurde das bis dato namenloses Hoch an jenem Tag in der Prognose für den darauffolgenden Tag von den Meteorologen der Berliner Wetterkarte auf den Namen GISELA getauft.

 

Am Morgen des 04. Februars konnte die Hochdruckzelle erstmals in der Berliner Wetterkarte mit Lage über dem Europäischen Nordmeer, etwa zwischen Grönland und Skandinavien analysiert werden. Es besaß gleich zwei Zentren. Das Hauptzentrum befand sich nördlich der Nordmeerinsel Jan Mayen, hier herrschte ein Luftdruck von knapp über 1030 hPa. Das schwächere Randzentrum hingegen ragte keilförmig bis nach Südskandinavien, wo der Luftdruck bei etwas über 1025 hPa lag. Der Einfluss der Antizyklone umfasste an jenem Tage hauptsächlich das Europäische Nordmeer, schloss aber Island, Spitzbergen, die Shetlandinseln sowie Teile Skandinaviens mit ein. Angereichert mit höhenkalter Luft, die Temperaturen lagen über dem Atlantik in einer Höhe von 1500 hPa bei grob -10°C, bildeten sich über dem Meer die für Kaltluft typischen flachen Quellwolken und Stratocumuluswolken. Dagegen zeigte sich der Himmel über Skandinavien verbreitet wolkenarm. In Island wurden Temperaturen knapp über 0 Grad gemessen (Reykjavík +2°C), in Norwegen und Schweden bei Vorhandensein einer Dutzenden Zentimeter mächtigen Schneedecke meist -5 bis -10°C (z.B. Oslo -10°C) und damit genauso viel wie auf Spitzbergen (Longyearbyen -5°C). Im Kontrast zum Hochdruckeinfluss über dem äußersten Norden Europas standen eine ganze Reihe von Tiefdruckgebieten über dem restlichen Atlantisch-Europäischen Raum, wie etwa Tief REINHARD über den Britischen Inseln, Tief SIEGBERT über Mitteleuropa, Tief QUIRIN über dem Baltikum/Nordwestrussland sowie weitere Tiefs bei Grönland und Neufundland. Dementsprechend wechselhaft zeigte sich das Wetter hier. Beispielsweise meldete London an jenem 04. Februar nach nächtlichem Nebel wiederholt Regen und Regenschauer bei Höchstwerten von milden +12°C.

Am darauffolgenden 05. Februar konnte sich der Hochdruckeinfluss von Skandinavien weiter ostwärts nach Finnland und ins Baltikum ausdehnen, während das Hoch GISELA mit seinen Zentren weiter über dem Nordmeer und Südskandinavien verblieb. Dementsprechend ähnlich zeigte sich das Wetter gegenüber dem Vortag etwa über Skandinavien, wo gebietsweise länger die Sonne schien, teils aber auch Schneeschauer vorüberzogen. Diese bildeten sich als die aus Norden einströmende, arktische Kaltluft, mit Temperaturen von unter -10 bis -15°C in 1500 m Höhe, über das verhältnismäßig warme Wasser der Norwegischen See (Oberflächentemperaturen +5 bis +8°C) bzw. der noch eisfreien Barentssee (+3 bis +5°C) streifte und so Feuchtigkeit aufnehmen konnte. Beispielsweise meldete die Station Uppsala in Mittelschweden seit dem Vortag wiederholt leichte Schneeschauer und Schneefälle. Dabei wurden Mengen von 2 l/m² innerhalb von 12 Stunden registriert. Abgesehen davon blieb es über der Skandinavischen Halbinsel eisig kalt, mit Höchstwerten von -6°C in Riga und Stockholm, -11°C in Trondheim und Tallinn und -13°C in Helsinki. In der Nacht sackten die Temperaturen je nach Bewölkungssituation in den strengen Frostbereich, etwa in Helsinki auf -16°C, in Trondheim auf -18°C oder in St. Petersburg auf -20°C. Unterdessen kräftigte sich die Antizyklone weiter, wobei der Luftdruck im Zentrum von 1035 hPa am frühen Morgen des 05.02. auf knapp über 1045 hPa bis zum Tagesende stieg. Allerdings konnte sich Hoch GISELA kaum weiter südwärts nach Nordwest- oder Mitteleuropa durchsetzen. Ursache war das quasi stationäre, hochreichende Tief REINHARD über den Britischen Inseln (als Gegenspieler). Dieses Druckmuster war bis in höhere Luftschichten ausgeprägt, in der Meteorologie spricht man hierbei von einem "High-over-low". Solche Strukturen stellen eine Anomalie im Strömungsfeld dar und gehen oftmals mit anhaltenden Wetterphänomenen einher, wie sommerliche Hitzewellen oder aber kräftige Kaltlufteinbrüche im Winter.

 

Auch am 06. Februar hielt an der Ostflanke des Hochs der Zustrom arktischer Luftmassen aus polaren Breiten über dem hohen Norden Europas an, wobei sich die Strömung weiter intensivierte und nach Osteuropa ausgriff. Das Maximum dieses Kaltlufttransports, mit Temperaturen von unter -25°C in 1500 m Höhe, wurde in einem Streifen von der Barentssee über Nordwestrussland bis nach Westrussland erreicht. Hier kam es ebenfalls gehäuft zu Schneeschauern, bei Temperaturen von etwa -13°C in Minsk, -15°C in Moskau oder -19°C in Wologda. Die Kaltluftzufuhr wäre sicher weniger kräftig ausgefallen, hätte Hoch GISELA nicht Unterstützung von Tief SIEGBERT bekommen, welches zu jenem Zeitpunkt mit Kern nahe des nördlichen Ural lag. Denn Luftmassen drehen sich immer im Uhrzeigersinn um das Hochdruckzentrum und gegen den Uhrzeigersinn um den Tiefdruckkern. Auch über Deutschland sickerte aus Skandinavien nun ganz allmählich höhenkalte Luft ein. Dies zeigte sich zuerst in höheren Luftschichten und zunächst über Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern. Radiosondenaufstiege am Observatorium in Greifswald zeigten zwischen 01 Uhr und 07 Uhr MEZ eine Temperaturabnahme von -9,5°C auf -13,7°C auf der 850 hPa-Druckfläche (was einer Höhe von circa 1500 m entspricht). Dagegen waren über dem Süden und der Mitte Deutschlands sehr milde Luftmassen anzutreffen, die am Rande von Britannientief REINHARD an den Vortagen aus Südeuropa eingeflossen waren. Am Observatorium auf dem Hohenpeißenberg in Bayern, auf 977 m Höhe gelegen, wurden Temperaturen von bis zu +9,3°C gemessen. Und so baute sich langsam eine Grenzwetterlage über Mitteleuropa, respektive Deutschland auf. Während zum Beispiel in Greifswald, unter Einfluss von Hoch GISELA II bei 6 Sonnenstunden Temperaturen von maximal -0°C gemessen wurden, zeigte sich das Wetter über Teilen Norddeutschlands, in Nähe zur Luftmassengrenze verbreitet wolkig-grau, wenngleich trocken. Die Wetterstation am Flughafen Bremen registrierte starke bis dichte Bewölkung aus tiefhängenden Stratocumuluswolken (auf 300-900 m Höhe), bei Temperaturen zwischen -1°C am Morgen und +0°C am Nachmittag.  Noch weiter südlich schloss sich ein breiter Niederschlagsstreifen zwischen Benelux, den Deutschen Mittelgebirgen, Böhmischen Becken und Karpaten an. Auf der kalten Seite fiel Schnee, auf der warmen Regen und gefrierender Regen und im Übergangsbereich auch Schneeregen. Dass Niederschläge fielen, war Hoch GISELA allerdings nur indirekt geschuldet, denn die feuchtwarme Luft, die sich über die kalte Subpolarluft schob und die Niederschläge auslöste wurde ja durch Tief REINHARD erst herangelenkt.

 

Trotzdem die Hochdruckzelle solange sie existierte mit Zentrum quasistationär über dem Nordmeer blieb (Luftdruck am Morgen des 07.02. um 1040 hPa), was auch auf GISELA II mit Teilzentrum über Südskandinavien zutraf (Luftdruck knapp über 1035 hPa), reichten Ausläufer des Hochs immer mal wieder keilförmig südostwärts über Skandinavien und das Baltikum bis nach Osteuropa. So auch am 07. Februar, als sich vorübergehend ein drittes Zentrum über dem südlichen Baltikum bildete (Luftdruck bei etwas über 1025 hPa). Auf das allgemeine Wetter über Nordeuropa hatte dies nur geringen Einfluss. Vielfach freundliches, aber frostiges Winterwetter sollte es am 07. und 08. Februar weiter über Skandinavien geben und hier vor allem über Mittel- und Südschweden sowie entlang der Westküste Norwegens. Dort wo die höhenkälteste Luft einströmte war es insgesamt wolkiger, aber nicht minder frostiger und einzelne Schneeschauer zogen vorüber, wie etwa in Finnland und dem Baltikum. Diese Zweiteilung zeigte sich auch anhand der Wettermeldungen etwa des 07. Februar. Im südschwedischen Arvika etwa schien bei nahezu wolkenlosem Himmel längere Zeit die Sonne und bei einer flachen Schneedecke von 5 cm stiegen die Temperaturen nach einem nächtlichen Minimum von -18°C auf knapp -5°C am Tage. Dagegen zeigte sich der Himmel über Helsinki meist stark bewölkt, mit leichtem Schneefall am Vormittag und Maxima von ebenfalls -5°C. An der Messstation Kaisaniemi, dem Botanischer Garten der Stadt, lag der Schnee beispielsweise 30 cm hoch. Nachts wurde es auch hier sehr frostig mit -16°C.

Unterdessen intensivierte sich die Grenzwetterlage über Deutschland und den Benelux-Staaten, da zum einen Hoch GISELA mit Lage und Intensität stabil blieb und zum anderen von der Iberischen Halbinsel und Frankreich ein neues Tief (TRISTAN) aufzog, was einen weiteren Schwall feucht-warmer und labil geschichtete Luft mit sich führte. Die Ereignisse rund um den 06./07./08.02 dürften dem einen oder anderen noch in Erinnerung geblieben sein. Ergiebige Schneefälle, gleichzeitig stürmischer Wind führten zu Glätte, Schneeverwehungen und Verkehrschaos über der Mitte Deutschlands aber auch in den Niederlanden und Teilen Belgiens. Der Wind übrigens entstand infolge der starken Druckunterschiede zwischen Tief TRISTAN, welches am Mittag des 07.02. mit Zentrum über Luxemburg anzutreffen war (Luftdruck kleiner 995 hPa) und Hoch GISELA II, welches weiter über Südskandinavien lag (Luftdruck über 1035 hPa). Dabei betrug der Luftdruckunterschied zwischen beiden Systemen rund 40 hPa auf eine Entfernung von 1300 km, was einem Luftdruckgradienten von rund 3 hPa je 100 km entspricht. So blies am Rande von Hoch GISELA ein stürmischer Ostwind, der zu dieser Zeit verbreitet für starke bis stürmische Böen im Norddeutschen Tiefland bis nach Polen und Dänemark sorgte. An Nord- und Ostseeküste wurden auch Sturmböen sowie einzelne orkanartige Böen registriert, wie zum Beispiel am Kieler Leuchtturm am Nachmittag des 07.02. (15 Uhr) mit 117 km/h.

Als Kontrast dazu zeigte sich das Wetter auf Island nahe dem Hochdruckzentrum zwischen dem 06. und 08. Februar beinahe schon harmlos. Zwar zogen mit einer bodennahen östlichen Strömung einzelne Schneeschauer über die Vulkan- und Geysir-Insel, trotzdem überwog ein freundlicher Wettercharakter mit längerem Sonnenschein und allgemein nur schwachen Windverhältnissen. Die Temperaturen lagen tagsüber meist zwischen +0 bis +3°C, nachts sanken sie auf -0°C bis -5°C (in Küstennähe hielten sich leichte Plusgrade). Auch der Wind wehte über Island allgemein nur schwach bis mäßig aus Ost, in Küstennähe und an exponierten Stellen auch frisch im Mittel, was für isländische Verhältnisse als sehr ruhig bezeichnet werden dürfte. Beispielsweise meldete die Station am Flughafen Reykjavík nach einer frostfreien Nacht (Minima +0,5°C) am 07. Februar Temperaturen von bis zu +3,3°C. Dazu wehte ein nur schwacher Wind, der tagsüber bis zu 18,5 km/h, also Stärke 3 erreichte.

 

Am 08. Februar konnten dann auch die Britischen Inseln vom schwachen Hochdruckeinfluss durch Hoch GISELA profitieren, wohin sich die Antizyklone keilförmig ausdehnte, nachdem Tief TRISTAN ostwärts abgezogen war. Nach einem sehr wechselhaften, regnerischen und windigen Abschnitt kam es hier zu einer Wetterberuhigung, gleichzeitig aber auch zu einem wahren Temperatursturz. Hatten die Temperaturen etwa in London zwei Tage zuvor noch bei +8/+9°C gelegen, stellte sich nun verbreitet Dauerfrost über dem Vereinigten Königreich ein (London max. -3°C). Zudem zogen zeit- und gebietsweise Schneeschauer vorüber. Im Osten Englands lag verbreitet Schnee, in Andrewsfield nordwestlich von London wurden am Morgen des 09.02. Schneehöhen bis 28 cm gemessen. Nichtsdestotrotz gab es auch viele Regionen, wo längere Zeit die Sonne schien, vor allem im Norden der Britischen Inseln (Edinburgh 5 Stunden, Belfast 6 Stunden).

Unterdessen kam es zu einer Änderung in der Druckverteilung über dem nördlichen europäischen Atlantikgebiet. Über Grönland hatte sich über die zurückliegenden Tage ein neues Hoch gekräftigt, welches in den Frühstunden des 09.02. als abgeschlossene Antizyklone einen Luftdruck von über 1045 hPa erreichte. Hoch GISELA verschmolz mit diesem Druckgebilde zu einer breitgefächerten Hochdruckzone, die sich im Folgenden über das Nordmeer und Skandinavien bis Osteuropa erstreckte. Das Grönlandhoch fungierte als neues Hauptzentrum, Hoch GISELA, darin eingebettet, befand sich mit seinen Zentren östlich von Island sowie über den Skandinavischen Alpen (Luftdruck jeweils knapp über 1030 hPa). Damit ging das Hochdruckwetter an jenem 09. Februar über Nordeuropa in eine Verlängerung. Mehr noch, dadurch dass Schneesturm TRISTAN mittlerweile ins östliche Mitteleuropa, respektive Rumänien, abgezogen war, konnte sich das freundliche, aber kühle Winterwetter weiter über die Britischen Inseln bis nach Benelux, Deutschland, Polen bis hin zu den Alpen ausbreiten. Über Groß Britannien setzte sich das leicht wechselhafte, untypisch frostige Winterwetter mit lokal längerem Sonnenschein fort. In Liverpool zeigte das Thermometer trotz knappen 5 Sonnenstunden nicht mehr als -1°C. Aber auch über den Niederlanden, Belgien sowie Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen bis nach Thüringen und Sachsen zeigte sich nach Abzug letzter Schneefälle vermehrt die Sonne, wobei es quasi überall eisig-frostig blieb (Amsterdam -2°C, Hannover -6°C). Vielerorts lag eine mehrere Zentimeter dicke Schneedecke, was einen zusätzlichen Kühl-Effekt auf die Temperaturen hatte. Mit 30-40 cm in einem Streifen zwischen Münsterland, Weserbergland, Harz und Thüringer Wald wurden nicht nur die höchsten Schneedecken seit geraumer Zeit gemessen, sondern auch rekordverdächtig niedrige Höchsttemperaturen unter -10°C (Maxima in Weimar -12°C). Selbst im Ruhrgebiet lagen verbreitet 5-10 cm und höher als -5°C stieg das Thermometer selten (Essen -5°C).

Da es in der sich anschließenden Nacht zum 10. Februar infolge des Hochdruckeinfluss verbreitet sternenklar war, sanken die Temperaturen bis in den strengen Frostbereich. Im Rheinland sackte das Thermometer etwa in Düsseldorf auf -13°C, über der Mitte Deutschlands mit ihren Mittelgebirgen lagen die Tiefstwerte noch niedriger, Jena meldete -19°C, Eisenach -21°C und Göttingen gar -23°C. Es sollte die kälteste Nacht des Winters werden. In den folgenden Stunden und Tagen zergliederte sich die Hochdruckzone über dem Nordostatlantik weiter. So wurde Hoch GISELA am Morgen des 10. Februar letztmalig in der Berliner Wetterkarte analysiert. Es befand sich zu diesem Zeitpunkt mit seinen Zentren über den Färöer-Inseln (Luftdruck bei 1027 hPa) und den südlichen Skanden (Fagernes, Südnorwegen 1026 hPa). Während die Antizyklone im Tagesverlauf mehr und mehr aus dem Druckfeld verschwand, gewann ein über Mittel-Skandinavien sich neu aufbauendes Hoch (HELIDA) die Oberhand. Es sollte in den Folgetagen südwärts nach Mitteleuropa ziehen und für eine längere Episode freundlich-frostigen, aber ruhigen Winterwetters sorgen.