Lebensgeschichte

 

Hochdruckgebiet JÜRGEN

(getauft am 18.03.2020)

 

Am 16.03.2020 lag das Tiefdruckgebiet JASMIN zur Zeit seiner stärksten Entwicklung südlich von Grönland. Hinter der Kaltfront dieses Tiefs wurde Kaltluft arktischen Ursprungs über die Labradorsee hinweg nach Süden transportiert. Dieser Kaltluftvorstoß verursachte am Boden einen kräftigen Anstieg des Luftdrucks. Dies bedeutet, dass die zunehmende Masse der Luftsäule vom Boden bis zum Rand der Atmosphäre stärker auf den Boden und das Barometer drückt. Um herauszufinden, wo sich verhältnismäßig viel bzw. wenig Masse in den Luftsäulen befindet, werden sogenannte Bodenanalysen erstellt. In einer Bodenanalyse werden neben Fronten vor allem Linien gleichen Luftdrucks, kurz Isobaren, eingezeichnet. Anhand der Isobaren können dann anhand von sogenannten Bodendruckkarten Druckgebiete erkannt und verfolgt werden. Der eingangs erwähnte Vorstoß kalter Luft äußerte sich in der Bodenanalyse vom 17. März im Bodendruck durch ein neues Hochdruckzentrum über Neufundland mit Werten von über 1035 hPa, was im Vergleich zum Mittelwert von ungefähr 1013 hPa ein hoher Luftdruck ist. Mit einer Bodenanalyse kann keine Prognose der zukünftigen Entwicklung der Druckgebilde gemacht werden. Diese Aufgabe lösen numerische Wettermodelle, welche einen realistischen zukünftigen Zustand der Atmosphäre für die ganze Welt berechnen.

Diese Wettermodelle prognostizierten zum 18. März, dass das Hochdruckgebiet mit Zentrum bei Neufundland bis zum Wochenende Europa erreichen sollte. Folglich wurde diese Antizyklone von den Meteorologen der Berliner Wetterkarte auf den Namen JÜRGEN getauft.

In den beiden darauffolgenden Tagen wanderte das Hoch JÜRGEN, angetrieben vom Westwind, welcher durch den Temperaturunterschied zwischen Tropen und Äquator hervorgerufen wird, nach Osten und erreichte am Freitag, dem 20. März mit viel Sonne die Britischen Inseln. Aus Edinburgh zum Beispiel wurden 10 und in Dublin 8 Sonnenstunden gemeldet.

Am 21. März wurde dann der Antizyklone JÜRGEN mit erneut über 1035 hPa mit Zentrum über Skandinavien analysiert und sorgte hier mittels Wolkenauflösung für eine Wetterberuhigung nach Tief JASMIN. Mit der Positionierung über Skandinavien sorgte Hoch JÜRGEN nunmehr dafür, dass sich über weiten Teilen Europas ein Ostwind einstellt. Dies liegt daran, dass sich die Luft um Hochdruckgebiete auf der Nordhalbkugel im Uhrzeigersinn dreht. Dieser Ostwind transportierte vergleichsweise kalte Luftmassen aus Russland und Nordskandinavien heran.

Zusätzlich sorgte Hoch JÜRGEN für sternenklare Nächte, womit ungehinderte Wärmeabstrahlung von der Erde stattfand und die Temperaturen im Einflussbereich stark sanken. Die registrierten Tiefsttemperaturen in der Nacht zum 22. März waren in Potsdam -2,9°C, in Stockholm -8,2°C, in der südpolnischen Stadt Lublin -5,7°C und auf dem Fichtelberg im Erzgebirge -9,5°C. Dafür schien tagsüber die Sonne bei wenigen Wolken am Himmel, sodass eine Sonnenscheindauer von 12 Stunden in Frankfurt am Main, Nürnberg, und Bremen gemessen werden konnte, in Danzig 11 Stunden.

Bis zur 00-Uhr-UTC-Analyse am 23. März zog das Hochdruckgebiet JÜRGEN weiter in Richtung Osten und erreichte mit über 1040 hPa im Zentrum die baltischen Staaten. Bis zum frühen Morgen wurden wieder über Skandinavien, Mittel- und Osteuropa Temperaturminima unterhalb des Gefrierpunkts registriert. Zum Beispiel meldeten die Stationen in Warschau -4.3°C, München -4.6°C und Berlin-Kaniswall -7.4°C. Tagsüber schien wieder bei spürbarem Ostwind und wolkenlosen Himmel die Sonne in den Einflussgebieten von Antizyklone JÜRGEN 11 bis 12 Stunden.

An den Tagen vom 24. März bis zum 25. März verlagerte sich das Hoch JÜRGEN nur geringfügig nach Süden, blieb also quasistationär und lag mit einem Druck von knapp 1040 hPa meist über Weißrussland mit einem großräumigen Einfluss über weite Teile Ost- und Mitteleuropas. 

Von Skandinavien näherte sich ab dem 25. März langsam ein neues Frontensystem, welches zunächst den Einfluss nach Norden von Antizyklone JÜRGEN abminderte.

Mit der Entstehung eines neuen Tiefs mit dem Namen MAREIKE über dem europäischen Nordmeer am 27.03. musste das sonnenverwöhnte Europa Abschied von Hoch JÜRGEN nehmen, denn dieses Tief sorgte mit seinem Frontensystem über Skandinavien dafür, dass die Antizyklone JÜRGEN unter Abschwächung nach Osten abgedrängt wurde.

Nachdem das Hoch JÜRGEN am 28. März und 29. März noch auf Bodenanalyse über dem Süden von Russland analysiert werden konnte mit jeweils einem Druck im Zentrum von gut 1030 hPa, beziehungsweise gut 1025 hPa, kam es am 30. März nicht mehr auf der Bodenanalyse der Berliner Wetterkarte vor. Allerdings zog die Antizyklone noch etwas weiter und reichte mit seinem Hochdruckeinfluss am 01. April noch etwa bis südöstlich von Perm, einer Millionenstadt im Westen Russlands.