Lebensgeschichte

 

Hochdruckgebiet JURIJ

(getauft am 05.09.2020)

 

Am 05. September 2020 wurde ein Hochdruckgebiet über Westeuropa in der Prognosekarte der Berliner Wetterkarte für den Folgetag auf den Namen JURIJ getauft. Es sollte sich am östlichen Rand des etwas weiter nördlich als üblich liegenden Azorenhochs bilden, das sein Zentrum mit einem Luftdruck von über 1035 hPa, nördlich der zu Portugal gehörenden Inselgruppe der Azoren und westlich der Biskaya, hatte. Der Zentrumsdruck des entstehenden Hochs JURIJ sollte am 06. September über Frankreich mehr als 1020 hPa betragen.

Unterstützt wurde die Bildung des Hochdruckgebietes JURIJ, das sich am 06. September an der erwarteten Position mit dem erwarteten Zentrumsdruck befand, durch die Tatsache, dass eine Okklusionsfront, eine Mischfront mit Warm- und Kaltfronteigenschaften, von einem unbenannten Tiefdruckgebiet über Irland ausging und zunächst nach Südwesten verlief, um etwa auf halbem Wege zwischen dem Azorenhoch und dem Hoch JURIJ nach Norden abzubiegen. Die Okklusionsfront trennte beide Hochdruckgebiete voneinander ab. Mit der westlichen Strömung konnte sich der hohe Luftdruck in Westeuropa durchsetzen, auch weil eine Luftmassengrenze, die von Ostmittel- nach Südeuropa verlief, hier an Einfluss verlor. Unter anderem wird die zunehmende Bedeutung des Hochdruckgebietes JURIJ daran deutlich, dass der zuvor im Norden und Nordwesten Frankreichs gebietsweise böige Wind, der nicht nur an der Küste, sondern auch im Binnenland bis Stärke 6 erreichte, am 06. September meist nur noch mit Spitzen der Stärke 4 bis 5 wehte, während Böen der Stärke 6 die Ausnahme waren. Während im Raum Paris die Sonne am 05. September lediglich für zwei bis drei Stunden schien, konnte am 06. September dank des Hochs JURIJ eine Sonnenscheindauer von bis zu fünf Stunden registriert werden. Als Begleiterscheinung des hohen Luftdrucks, gepaart mit der fortgeschrittenen Jahreszeit und den damit längeren Nächten im Vergleich zum Sommeranfang, konnte bei leicht bewölktem Himmel in der Nacht zum 07. September die Temperatur in Courdimanche-sur-Essonne, im südlichen Umland der französischen Hauptstadt Paris, bis auf 4°C heruntergehen, während durch den Wärmeinseleffekt der Stadt an der Wetterstation Paris-Montsouris der Tiefstwert bei 12°C lag.

Mittlerweile hatte das Hochdruckgebiet JURIJ sich mit seinem Zentrum weiter ins westliche bis zentrale Mitteleuropa verlagert. Über weiten Teilen Frankreichs mit Ausnahme des Südostens, über dem Süden der Britischen Inseln, Benelux-Ländern und weiten Teilen Deutschlands bis nach Polen betrug der Luftdruck mehr als 1020 hPa, und die 1025-hPa-Isobare (Isobaren sind Linien gleichen Luftdrucks) war an der Südspitze Irlands, im äußersten Südwesten Englands sowie dem westlichsten Zipfel Frankreichs angekommen. Weiter westlich folgte das Azorenhoch mit über 1030 hPa. Nicht nur in weiten Teilen der Iberischen Halbinsel, wo mehr das Azorenhoch wetterbestimmend war, sondern auch in vielen Gebieten Frankreichs und im Südwesten Deutschlands schien die Sonne mit zehn Stunden oder mehr am 07. September oft deutlich länger als am Vortag. Es überwog niederschlagsfreies Wetter und die Temperatur stieg selbst in Doncort-lès-Conflans westlich von Metz im Nordosten Frankreichs auf 25,6°C, so dass dort ein Sommertag nach meteorologischer Definition erreicht wurde. In Deutschland wurde die höchste Temperatur an der privaten Wetterstation im rheinland-pfälzischen Brauneberg-Juffer mit 26,4°C gemessen, die sich in einem Weinberggelände befand und somit einen Extremstandort darstellt. Im Messnetz des Deutschen Wetterdienstes belegte das im gleichen Bundesland gelegene Kaiserslautern mit 24,4°C den ersten Platz. Unter dem Einfluss des Hochdruckgebietes JURIJ und wegen der Nähe zum rund 18°C warmen Wasser der Nordsee bzw. des Ärmelkanals sank die Temperatur in der Nacht zum 08. September in Shoeburyness-Landwick im ostenglischen Essex nur auf 16,9°C. Ähnlich mild war es mit einer Tiefsttemperatur von jeweils 16,8°C an den französischen Küstenorten Le Touquet und Cayeux-sur-Mer. Dagegen trat in Deutschland in geschützten Lagen örtlich Bodenfrost auf: In Medebach im Sauerland sank die Temperatur in 5 cm Höhe über dem Boden auf -0,6°C. Ludwigswinkel in der Südwestpfalz und Königshütte im sachsen-anhaltinischen Teil des Harzes kamen jeweils auf -0,1°C.

Am 08. September erstreckte sich das Hochdruckgebiet JURIJ von Frankreich mit über 1025 hPa über das südliche Deutschland und den nördlichen Alpenraum bis nach Ostmitteleuropa. Entlang dieser Achse herrschte sonnenscheinreiches Wetter (oft rund 12 Stunden Sonne) bei weitgehender Trockenheit. Das norditalienische Arconate, westnordwestlich von Mailand, kam mit exakt 30,0°C Höchsttemperatur auf einen Heißen Tag nach meteorologischer Definition. Das zuvor erwähnte Doncourt-lès-Conflans in Nordostfrankreich verzeichnete 28,3°C. Selbst bis ins zentrale England hinein gab es an einigen Wetterstationen einen Sommertag, so unter anderem mit 25,9°C in Holbeach in der Nähe der Bucht The Wash und mit 25,8°C im nordwestlich gelegenen Scampton, beide in der Grafschaft Lincolnshire. In Deutschland teilten sich Brauneberg-Juffer und die ebenfalls in Rheinland-Pfalz gelegene Wetterstation des Deutschen Wetterdienstes in Bad Kreuznach den Spitzenplatz bei der Höchsttemperatur mit jeweils 28,2°C. Insgesamt gab es in zehn von 16 deutschen Bundesländern an mindestens einer Wetterstation einen Sommertag. Altdöbern in Südbrandenburg war mit 25,3°C die am weitesten nördlich gelegene private Wetterstation mit einem Sommertag, während diese Wertung im Messnetz des Deutschen Wetterdienstes auf Göttingen im Süden Niedersachsens mit dem gleichen Wert zutraf. Auf der Mittagskarte der Berliner Wetterkarte ist das Zentrum des Hochs JURIJ mit über 1027 hPa nordöstlich der bayerischen Landeshauptstadt München zu sehen. In der Nacht zum 09. September trat in Haidmühle im Bayerischen Wald leichter Bodenfrost mit einer Tiefsttemperatur von -0,3°C in einer Höhe von 5 cm über dem Boden auf. Unter anderem im Alpenvorland konnte eine Temperaturinversion beobachtet werden. So lag die Tiefsttemperatur an der Wetterstation Hohenpeißenberg in 986 m Höhe bei 12,8°C, während im 477 m hoch gelegenen Unterschleißheim 5,4°C erreicht wurden.

Nun lag das Hochdruckgebiet JURIJ mit über 1025 hPa im zentralen und südlichen Alpenraum. In diesen Regionen gab es nach Auflösung von stellenweise auftretendem Nebel, typisch für den Spätsommer und den Frühherbst bei Hochdruckwetter, überwiegend heiteres und trockenes Wetter. Im Vergleich zum Vortag wurde häufiger ein Sommertag erreicht. In Samolaco in der norditalienischen Lombardei lag die Höchsttemperatur bei 29,4°C und in Auer in Südtirol stieg die Temperatur auf 29,0°C. In Steg im Kanton Wallis in der Schweiz wurden 28,7°C erreicht. Fast genauso warm wurde es mit 28,6°C in Rheinau-Memprechtshofen in Baden-Württemberg.

Am Morgen des Folgetages befand sich die Antizyklone JURIJ mit einem Kerndruck von über 1020 hPa im Grenzgebiet des nordöstlichen Ungarn zur Slowakei, der Ukraine sowie Rumänien und brachte in diesen Regionen sonnenscheinreiches und oft trockenes Wetter bei spätsommerlicher Wärme. Im südungarischen Szeged gab es mit 30,0°C einen Heißen Tag. In Uschhorod in der westlichen Ukraine erreichte die Temperatur 28,4°C. Aus Dudince in der Slowakei wurden 28,6°C gemeldet.

Am 11. September war das Hochdruckgebiet JURIJ zum letzten Mal als eigenständiges Druckgebilde auf der Berliner Wetterkarte zu erkennen. Es hatte sich in den Süden Russlands verlagert, wo der Zentrumsdruck im Vorland des Kaukasus zwischen etwa 1010 und 1015 hPa lag. Im südrussischen Armawir in der Region Krasnodar gab es mit 33,6°C die größte Hitze. Es folgte eine verwellte Luftmassengrenze des Nordrusslandtiefs QUINTA.