Lebensgeschichte

 

Hochdruckgebiet LUITGARD

(getauft am 07.03.2021)

 

Ein neues Hochdruckgebiet, welches zum Ende der ersten Märzdekade das Wetter in Teilen Mitteleuropas bestimmen sollte, entwickelte sich in der Nacht zum 07.03.2021 über dem Europäischen Nordmeer. Genauer gesagt kam es auf der Rückseite einer Kaltfront, die zu einem Tief über dem Norden Skandinaviens zählte (Tief HARTMUT) zu großräumigen Absinkbewegungen der einströmenden arktischen Kaltluft. Kalte Luft weist eine höhere Dichte auf als wärmere Luft und sinkt deswegen "zu Boden". Der hieraus resultierende Luftdruckanstieg führte im Bodenniveau zur Bildung einer schwachen Hochdruckzone zwischen Island und den Shetlandinseln. Messungen auf den Färöer-Inseln ergaben etwa am 07.03. um 00 UTC (entspricht 01 Uhr MEZ) in Tórshavn einen Luftdruck von 1024,2 hPa. Im Tagesverlauf dehnte sich die Zone hohen Drucks rasch über die Norwegische See Richtung Südskandinavien aus, wobei der Luftdruck stabil zwischen 1020 hPa und 1025 hPa blieb. Wettereinfluss hatte dabei LUITGARD, so der Taufname des neuen Hochs, keinen, zumindest nicht über den Färöer-, Shetland- und Orkney-Inseln. Hier dominierten vielfach tiefe und dichte Wolkenfelder. In Tórshavn wurden beispielsweise ganze 12 Minuten Sonnenschein registriert, dabei erreichten die Temperaturen +6°C. Ähnliche Temperaturen gab es in Lerwick (5°C) oder auch in Kirkwall (8°C), wo es zeitweise sogar leicht regnete. Ganz anders präsentierte sich das Wetter über dem Süden Skandinaviens, einschließlich Dänemark. Steigender Luftdruck sorgte, nachdem die Kaltfront mit etwas Regen auch hier südwärts abgezogen war, für freundliches Wetter mit zeitweiligem Sonnenschein. In Kopenhagen wurden immerhin noch 5 Sonnenstunden verzeichnet bei Mittagstemperaturen von +6°C. Auch in Oslo oder dem schwedischen Göteborg war es ähnlich freundlich mit 5°C, bzw. 6°C. Über dem äußersten Süden Norwegens und dem südlichen Teil Schwedens war der Winter schon seit ein paar Wochen passé, was sich nicht nur an den verhältnismäßig milden Temperaturen, sondern auch am Nichtvorhandensein einer Schneedecke zeigte.

Wie auch immer, am frühen Morgen des 08.03. befand sich Hoch LUITGARD mit Zentrum über den südlichen Skanden. Hier wurde ein Luftdruck von etwas über 1025 hPa gemessen. Das mittlerweile abgeschlossene Drucksystem verblieb in den folgenden Stunden jedoch nicht ortsfest, sondern verlagerte sich langsam südwärts über Dänemark und die westliche Ostsee hinweg bis zum Tagesende nach Polen. Folglich blieb es über Dänemark heiter und trocken, verbreitet schien die Sonne mit oder über 10 Stunden. Mit 4-6°C war es in der eingeflossenen Meeresluft aber kühler als an den Tagen zuvor. Durch die Verlagerung des Hochs konnten zunehmend auch der Norden und Nordosten Deutschlands, sowie der Westen Polens von steigendem Luftdruck profitieren. So sollte an jenem Tag die Sonne zwischen Weser, Elbe und Oder 10-11 Stunden lang scheinen. Auf 3-4°C stiegen die Temperaturen zwischen Mecklenburg, Pommern und Westpolen, 6-7°C waren es weiter landeinwärts über Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg. Eigentlich würde man beim Zustrom von Meereskaltluft, so wie sie mit Hoch LUITGARD erfolgte, von deutlich mehr Wolken ausgehen. Dass die Luftmasse, die vom Meer transportiert wurde, dennoch so schnell abtrocknete, lag unter anderem am Föhneffekt der Skandinavischen Alpen, die immerhin bis zu 2500 m in die Höhe ragen. Dabei fließt feucht-kühle Meeresluft z.B. vom Nordmeer gegen die Westseite der Südskanden und verliert beim Überströmen des Gebirges ihre Feuchtigkeit. Beim Absinken im Lee des Gebirges erwärmt sich die Luft und trocknet ab. Es folgte eine vielfach nur leicht bewölkte, teils klare Nacht über dem Osten und Südosten Deutschlands, wie auch über Tschechien, Polen und der Slowakei, wohin sich der Hochdruckeinfluss ausdehnte. Dabei wurde es fast überall frostig, mit Tiefstwerten von etwa -1°C in Hamburg, -3°C in Potsdam, -5°C in Bratislava und -6°C in Prag. Noch kälter wurde es auf den Bergen von Hoher Tatra und Sudeten, mit beispielsweise -12°C auf der Schneekoppe (1613 m) und gar -16°C an der Messstation Chopok (2007 m). Ähnliche Temperaturen gab es auch im Baltikum, bis wohin der Einflussbereich des Hochs mittlerweile reichte (z.B. -12°C in Riga). Hier dürfte die vielerorts noch vorhandene Schneedecke für einen zusätzlich kühlenden Einfluss gesorgt haben.

Unterdessen befand sich Hoch LUITGARD am Morgen des 09.03. 06 UTC mit Zentrum über Zentral- bzw. Südpolen. In Łódź oder auch Krakau wurde ein Luftdruck von 1024 hPa gemessen. Mittlerweile hatte die Antizyklone ihre größte Ausdehnung erreicht und erstreckte sich vom Osten Deutschlands bis zum Westen der Ukraine, sowie vom Baltikum bis knapp zur Balkan-Halbinsel. Im Zentrum des Hochs herrschte weiterhin ein freundlicher und trockener, wenngleich auch kühler Wettercharakter. In Warschau etwa wurden an der Wetterstation Okęcie tagsüber neben dünnen Schleierwolken einzelne Cumuluswolken auf 800-1500 m beobachtet, dabei schien die Sonne 8 Stunden lang und erwärmte die Luft nach einem nächtlichen Minima von -6°C auf bis zu +3°C. Noch freundlicher und ziemlich sonnig war es am östlichen Rande der Antizyklone mit 10 oder mehr Sonnenstunden in einem Streifen zwischen Dänemark, dem Nordosten Deutschlands, sowie dem Westen Polens bis zur Slowakei und nach Ungarn. Die Höchstwerte lagen dabei in Kiel bei 7°C, im niederschlesischen Zielona Góra bei 5°C, im slowakischen Nitra bei 7°C und in Budapest bei 6°C. In der Zwischenzeit verlagerte sich Hoch LUITGARD allmählich weiter ostwärts, wodurch nicht nur über Skandinavien bis ins Baltikum Wolken- und Niederschlagsfelder vordringen konnten. Auch über weiten Teilen Deutschlands dominierten die Wolken, geschuldet einem kleinräumigen Tief namens INGO, welches von der Nordsee über die Benelux-Länder und Deutschland südwärts zog. Zu guter Letzt verlagerte sich auch noch ein Norditalientief weiter zur Balkanhalbinsel. Kurzum, unser Hoch wurde in der sich anschließenden Nacht durch gleich mehrere Tiefs (sprichwörtlich) in die Zange genommen. Wolkenarm und erneut frostig kalt blieb es weiterhin im Bereich des Hochdruckzentrums. In Prag kühlte die Luft bis auf -3°C ab, in Eger, wie auch in Cluj-Napoca in Siebenbürgen bis auf -5°C. Noch kälter wurde es über Polen, Weißrussland und der Ukraine, gerade dort, wo auch eine Schneedecke noch anzutreffen war. In Kiew (-9°C) und Warschau (-7°C) gab es mäßigen, in Minsk sogar starken bis strengen Frost (-13°C).

Am darauffolgenden Morgen befand sich die Hochdruckzelle mit Zentrum bereits über der Ukraine, wo ein Luftdruck knapp über 1025 hPa gemessen wurde. Während in den folgenden Stunden des 10.03. der Bodendruck östlich des Zentrums, also über dem Westen Russlands weiter stieg, setzte über dem östlichen Mitteleuropa Luftdruckfall ein. Hieraus folgte nun auch über Osteuropa freundliches Wetter, mit viel Sonnenschein zwischen Weichsel, Dnepr und Don. Die Temperaturen verharrten dabei, anders als über Mitteleuropa oder Südskandinavien, meist im leichten Frostbereich. Kiew und Minsk meldeten maximal +1°C, in Charkiw waren es -2°C und in Chișinău +2°C. Weitaus mehr dürfte jedoch überrascht haben, dass der Einfluss von Hoch LUITGARD unverändert bis ins östliche Mitteleuropa und sogar den Osten Deutschlands anhielt. Abermals viel Sonnenschein und teils frühlingshafte Temperaturen von beinahe 10°C gab es nicht nur in Berlin (bis 9°C), sondern auch in Bratislava (8°C) und Budapest (8°C). Wahrscheinlich hätte sich Hoch LUITGARD in den folgenden Tagen weiter ostwärts in Richtung Russland verlagert und möglicherweise auch noch weiter gekräftigt. Hierzu kam es jedoch nicht mehr. Denn bereits am Vortag war es zu einem markanten Druckanstieg über Finnland und Karelien gekommen. Das damit assoziierte, neue Hochdruckgebiet konnte sich an jenem 10.03. rasch auf über 1030 hPa kräftigen und bis nach Russland ausdehnen. In dieser Hochdruckzelle ging Hoch LUITGARD bis zum Tagesende auf. Während das Hochdruckwetter über Russland noch ein paar Tage anhalten sollte, drang von Nordwesteuropa bald schon ein neuer kräftiger Tiefdruckwirbel nach Zentraleuropa voran. Und so fand bereits am 11.03. die freundliche, ruhige Wetterepisode auch über dem östlichen Mitteleuropa ein jähes Ende.