Lebensgeschichte
Hochdruckgebiet
NETTI
(getauft am
24.09.2015)
Anfang
der dritten Septemberdekade spaltete sich vom Azorenhoch ein Hochdruckgebiet
ab, welches das Wetter in Europa beeinflussen sollte und daher am 24.09.2015 in
der Prognose für den Folgetag auf den Namen NETTI getauft wurde.
Antrieb
erhielt das Hochdruckgebiet NETTI auch wegen des weiträumigen Islandtiefs
OLIVER, das nördlich vom Hoch NETTI und schließlich südlich von Island lag;
diese standen daher in direkter Korrelation. Auf der 500 hPa-Karte,
wobei 500 hPa etwa einer Höhe von 5500 m entsprechen, konnte man sehr schön
erkennen, wie sich das Islandtief OLIVER in dieser Höhe zusammen mit einem
weiteren System von Tiefs über Europa dominierend ausbreitete. Insgesamt waren
es vier Kerne, das Islandtief, ein weiterer Kern über Nordnorwegen, der nächste
lag über der Ostsee östlich von Dänemark und der vierte hatte seine Lage
südlich zwischen Korsika und Italien. Die Antizyklone NETTI befand sich nun
unterhalb von diesem System aus Zyklonen. Tiefs drehen sich in unseren
Breitengraden immer gegen den Uhrzeigersinn, die Luftmassen, welche diese
aufnehmen, nehmen sie von unteren Schichten auf. Das hat dann freilich auch
Auswirkungen auf darunterliegende Luftmassen, selbst wenn sie relativ versetzt
zu den Kernen der Tiefs positioniert sind. Beim Hoch NETTI war es nun so, dass
sich die langsam absinkende Kaltluft von den darüber liegenden Strömungen an
ihrer Obergrenze in der Bewegungsrichtung beeinflussen ließ und daher
resultierte dann auch eine Bewegung in Richtung Mitteleuropa.
Bis
zum 25. September um 01 Uhr MEZ verlagerte sich das Zentrum über den Golf von
Biskaya vor Frankreich. Das Hoch NETTI zog im Laufe des Tages in Richtung Osten
und weitete dadurch das Einflussgebiet auf Deutschland, Österreich, die Schweiz
und Polen aus, so dass die Temperaturen dort anstiegen. Die Höchsttemperatur in
Berlin lag um 16 Uhr MEZ bei 17,7°C.
Die
von Westen eingeflossene Meeresluft subpolaren Ursprungs gelang so schließlich
zunehmend unter den Einfluss von Hoch NETTI, das mit seinem Schwerpunkt westlich
der Bretagne unter weiterer erheblicher Verstärkung langsam zur Nordsee zog.
Am
26. September um 01 Uhr MEZ, wurde im mittlerweile über England liegenden
Zentrum des Hochs NETTI ein ansteigender Druck von 1025 hPa gemessen. Die
Druckerhöhung hatte zur Folge, dass sich der Einflussbereich des Hochs NETTI
vergrößerte, so beeinflusste die Antizyklone das Wetter von den Pyrenäen bis
Schottland und von Irland bis nach Westdeutschland. In Berlin blieb es mit
einer Höchsttemperatur von 17,7°C wechselnd bewölkt und trocken. Die
Sonnenscheindauer betrug in Berlin-Dahlem fast 7 Stunden, dagegen schien die
Sonne an der Ostsee bis zu 11 Stunden.
Zum
darauffolgenden Tag hatte sich der zentrale Druck weiter erhöht. Im Zentrum
über der zentralen Nordsee wurde ein Druck von 1030 hPa gemessen. Mit der
Verlagerung des Zentrums hat sich auch das Einflussgebiet weiter nach Osten
ausgedehnt und reichte einem Dreieck ähnelnd von Südskandinavien über die
Britischen Inseln bis zu den Alpen. So setzte sich in Deutschland mehr und mehr
das Hoch NETTI durch. Von Nordwesten gelangten erwärmte Luftmassen subpolaren
Ursprungs nach Deutschland, in der die Höchsttemperaturen nur am Oberrhein und
am Bodensee die 20°C-Marke überschritten. Über Bayern und Sachsen zogen noch
dichtere Wolkenfelder der Okklusion des Tiefs OLIVER über Nordfinnland vorüber,
aus denen im Erzgebirge örtlich etwas Regen fiel. In der Nacht bildete sich bei
zeitweilig klarem Himmel gebietsweise Nebel. Dabei ging die Temperatur soweit
zurück, dass an einigen Stationen in Norddeutschland leichter Bodenfrost
registriert wurde. Auch am ehemaligen Flughafen Berlin-Tempelhof ging die
Temperatur in 5 cm Höhe über dem Erdboden auf -1°C zurück. In 2 Meter Höhe
wurden in Berlin-Kaniswall, in Templin und in
Fassberg 1°C gemessen.
Bis
zum nächsten Tag verlagerte sich das Hoch NETTI kaum und blieb für Europa
wetterbestimmend. Der Luftdruck im Zentrum nahm weiter zu und erreichte einen
Wert von über 1035 hPa. Um 10 Uhr MEZ wurde in Berlin-Dahlem ein Höchstdruck
auf NN von 1036,5 hPa gemessen. Der 1030-hPa- Druckbereich erstreckte sich von
Irland und Großbritannien über die Bretagne, Wien und Richtung Norden bis
einschließlich Warschau sowie weiter bis zur Ostküste vor Spitzbergen. Die
Temperaturverteilung war dabei klimatisch recht untypisch. In Trondheim wurde
um 01 Uhr MEZ beispielsweise eine Temperatur von 10°C gemessen, während zum
selben Zeitpunkt in Berlin eine Temperatur von 6°C gemessen wurde.
Bis
zum 29. September hatte sich die Antizyklone NETTI weiter verstärkt. Im Zentrum
des Hochs NETTI über dem schwedischen Göteborg wurde ein Druck von 1040,8 hPa
gemessen, der Rekordwert in den südlichen Breiten Schwedens wurde bisher dort
am 17.9.1936 mit 1040 hPa aufgestellt. Auch in Berlin wurde mit einem Luftdruck
von 1039,1 hPa ein neuer Rekord für den September seit Beginn der regelmäßigen
Messungen im Jahre 1881 aufgestellt. Der bisher höchste Septemberluftdruck
betrug in Berlin am 7.9.1953 bei 1038,5 hPa. Die Ausdehnung vergrößerte sich
geringfügig und umfasste Gebiete von der Barentssee über Skandinavien und den
Britischen Inseln bis zu den Alpen und den Karpaten.
Durch
die Höhenströmung änderte sich die Nord-Südausdehnung bis zum nächsten Tag zu
einer West-Ostausdehnung, die von den Britischen Inseln über Mitteleuropa bis
zur östlichen Ostsee reichte. Das Zentrum befand sich mit über 1038 hPa über
Dänemark. Auf der Nordwestseite des Hochs NETTI flossen Luftmassen der
mittleren Breiten nach Schottland ein, so dass dort ähnliche Temperaturwerte
wie im Süden Frankreichs registriert wurden, wie beispielsweise in Aviemore mit 22,4°C oder im französischen La Rochelle mit
22,6°C. Nur an zwei Stationen konnte an diesem Tag ein Sommertag verzeichnet
werden, in Biscarosse stieg die Temperatur auf 25,0°C
und in Cazaux auf 25,1°C. Aber auch im Südosten
Norwegens wurden ähnliche Werte erreicht, wie in Sande-Galleberg
mit 20,8°C. In den Regionen dazwischen wurde es kühler wie in Paris mit 18,7°C,
oder in Potsdam mit 17,4°C, wo die Sonne 8,7 Stunden schien. Weiter östlich in
den baltischen Staaten wurde es aufgrund polarer Luftmassen noch etwas kühler,
so wurden in Vilnius 14,6°C, in Tallinn 15,0°C oder in Riga 16,4°C gemessen.
Am
Folgetag wurden zwei Zentren analysiert, die über Schottland und über den
nördlichen Regionen Polens lagen und eine Hochdruckbrücke bildeten. Das
bedeutet, dass die beiden Zentren von einer Isobarenlinie umgeben waren, also
einer Linie gleichen Luftdrucks. Die Temperaturen lagen in Mitteleuropa
zwischen 15 und 18°C, wie beispielsweise in Rotterdam mit 16,8°C oder in
Rostock mit 15,1°C, wo an diesem Tag in Deutschland mit 11,4 Stunden am
längsten die Sonne schien. Weiter östlich in Minsk und Warschau schien die
Sonne nur knapp 6 Stunden, jedoch wurden dort etwas höhere Temperaturen
erreicht. Zum Beispiel meldete Minsk als Höchsttemperatur 15,5°C und Warschau
16°C.
Bis
zum 2. Oktober um 01 Uhr MEZ hatten beide Zentren der Antizyklone NETTI nur
noch einen Druck von 1030 hPa und entfernten sich weiter von einander. In den
Luftmassen der mittleren Breiten, in dessen Einflussbereich sich die Britischen
Inseln befanden, wurden Höchstwerte von 15,1°C in Edinburgh, 17,2°C in
Valentia, 19,5°C in London oder 19,9°C in Boulmer
gemessen. Im Einflussbereich des Hochs NETTI II wurde in Wien 19,2°C bei einer
Sonnenscheindauer von etwa 11,2 Stunden registriert und im ungarischen Baja 21,3°C. An der Station Miercurea
Ciuc wurden bei einer nächtlichen Temperatur von
-0,4°C am Tage 19,9°C erreicht.
Das
Hoch NETTI I, welches sich weiter nach Westen verlagert hatte und sich nun westlich
vor Irland befand, hatte am 03. Oktober um 01 Uhr MEZ einen Druck von 1020 hPa
und das Hoch NETTI II über den Karpaten bei Bukarest wies einen Luftdruck von
1025 hPa im Zentrum auf. Mit einer Temperatur von 19,9°C stand Berlin um 13 Uhr
MEZ immer noch im Einfluss von Hoch NETTI, wenngleich der gemessene Luftdruck
dort 1015,4 hPa betrug. Im weiteren Verlauf löste sich das Hoch NETTI I vor der
Westküste Irlands auf, da die Unterstützung in der Höhe sich abschwächte.
Am
04. Oktober wurden zwei Hochdruckzentren eines über dem Norden Griechenlands,
etwa bei Kozani und das andere über der westlichen
Region des Schwarzen Meeres analysiert. Beide Zentren des Hochs NETTI wiesen
einen Druck von 1025 hPa auf, wobei in Kozani der
höchste Luftdruck mit 1027,2 hPa gemessen wurde. Am Flughafen Mytilini wurden bei einer Sonnenscheindauer von 10 Stunden
maximal 25,6°C erreicht. Im Laufe des Tages verlagerte sich der
Hochdruckeinfluss in der Höhe weiter nach Osten, so dass sich das Hoch NETTI ebenfalls
abschwächte und auflöste.
Daher
konnte das Hoch NETTI in der Nacht zum 05. Oktober nicht weiter auf der
Berliner Wetterkarte analysiert werden. Das Hoch NETTI war mit einem
ungewöhnlich hohen Luftdruck langlebig und beeinflusste große Gebiete Europas.
Geschrieben
am 09.11.2015 von Christian Claus
Berliner
Wetterkarte: 29.09.2015
Pate:
Annette Borchardt