Lebensgeschichte
Hochdruckgebiet SANDRA
(getauft am 22.04.2021)
Der Frühlingsmonat April zeigte sich
2021 von seiner kalten Seite. Um es genau zu sagen war er in Deutschland der kälteste
April seit 1980. Schuld daran waren langanhaltende Nordlagen, die kalte
Luftmassen aus der Polarregion direkt nach Mitteleuropa einströmen ließen. Auch
zu Beginn der dritten Aprildekade stand Mitteleuropa unter dem Einfluss kalter
Luftmassen aus nordwestlicher Richtung. In der mittleren Troposphäre, also in
einer Höhe von etwa 5,5 km, hatte sich ein von Spitzbergen, dem Europäischen
Nordmeer, der Ostsee bis über Polen reichender Langwellentrog mit einem
eigenständigen Höhentief über dem Süden Schwedens etabliert während über den
Britischen Inseln ein ausgeprägtes Höhenhoch lag von dem aus ein blockierender
Rücken bis nach Grönland reichte. Auf der Bodenwetterkarte zeigten sich die
Druckgebilde mit dem Tiefdruckgebiet ZOHAN über der Ostsee und dem Hoch RENATE
über Großbritannien. Bei dieser Konstellation gelangte die Meereskaltluft durch
die antizyklonale Rotation des Hochdruckgebiets
(Strömung im Uhrzeigersinn) und die zyklonale Rotation des Tiefdruckgebiets
(Strömung gegen den Uhrzeigersinn) über das Nordmeer und Skandinavien bis nach
Mitteleuropa. Bis zum 00 UTC-Termin des 22.04.2021, also um 02 Uhr MESZ, konnte
sich in der Zone höheren Luftdrucks über dem Südosten Grönlands ein weiteres eigenständiges
Hochdruckgebiet ausbilden, das in den folgenden Tagen die Kaltluftzufuhr nach
Mitteleuropa erhalten sollte und somit von den Meteorologen der Berliner
Wetterkarte auf den Namen SANDRA getauft wurde.
Im Tagesverlauf dehnte sich die
Antizyklone, wie man Hochdruckgebiete auch nennt, weiter in südliche Richtung
aus und baute in der zweiten Tageshälfte über eine Hochdruckbrücke eine
Verbindung zu Hoch RENATE auf. Da sich die Lage des Höhenkeils, der über
Westeuropa und Island bis nach Grönland reichte, auch am 23.04. kaum
veränderte, konnte sich das Hoch SANDRA auf rund 1030 hPa verstärken und nahm
im Laufe des Tages schließlich das Hoch RENATE in sich auf.
Am 24.04. um 00 UTC lag das
Hochdruckgebiet SANDRA mit seinem Zentrum und gleichbleibenden Luftdruck über
dem Nordmeer und der nördlichen Nordsee. Der Einflussbereich reichte zu diesem
Zeitpunkt bereits über Großbritannien und Mitteleuropa bis nach Ungarn. Hochdruckgebiete
sind im Allgemeinen mit ruhigem und freundlichem Wetter verbunden. Verantwortlich hierfür ist die Dynamik des
Hochs, die ein großräumiges Absinken der Luftmassen bewirkt. Durch das Absinken
erwärmt sich die Luft und verliert wiederum an Feuchtigkeit, wodurch das Hoch
eine wolkenauflösende Wirkung erhält. Außerdem herrschen innerhalb eines Hochs
nur geringe Luftdruckgegensätze, weshalb auch keine signifikanten
Windgeschwindigkeiten erreicht werden. In weiten Teilen West- und Mitteleuropas
setzte sich somit das sonnenscheinreiche Wetter der vergangenen Tage in
Verbindung mit Hoch RENATE unter dem Einfluss der Antizyklone SANDRA weiter
fort. Von den Britischen Inseln und dem Süden Frankreichs bis in den Südwesten
Deutschlands, sowie entlang der Nord- und Ostseeküste verzeichnete man so bei
fast wolkenlosem Himmel verbreitet 13 Sonnenstunden. Nur in einem Streifen etwa
vom Süden Niedersachsens über Brandenburg und Sachsen bis nach Polen hielten
sich in der feuchteren Luft dichtere Wolkenfelder. Während an der Westflanke
des Hochs SANDRA durch die antizyklonale Rotation der
Luftmassen um das Hochdruckgebiet milde Luft aus Süden herangeführt wurde,
gelangten an der Ostflanke auf der Rückseite des Tiefs AEGIDIUS, dass sich
entlang der Kaltfront des Tiefs ZOHAN gebildet und dieses inzwischen in seine
Zirkulation aufgenommen hatte, maritime Luftmassen arktischen Ursprungs nach
Mitteleuropa. Zusätzlich zum Einfluss der verschiedenen Luftmassen hat die
geringe Bewölkung innerhalb eines Hochs zur Folge, dass die Sonne tagsüber fast
ungehindert Einstrahlen und die Erde dagegen in der Nacht ebenfalls fast
ungehindert ausstrahlen kann. Das sorgt für relativ große Temperaturgegensätze
zwischen Tag und Nacht. In der Nacht gab es deshalb in einem Streifen vom Osten
der Niederlande über die Mitte und den Süden Deutschlands bis nach Tschechien
und Österreich mit Tiefstwerten zwischen -1°C bis -3°C, in höheren Lagen auch
-4°C verbreitet Frost. Frostfrei verlief die Nacht nur in den Küstenregionen
von Nord- und Ostsee, wo die Wassertemperatur von etwa 6°C wärmend wirkte.
Tagsüber zeigten sich die Temperaturunterschiede der verschiedenen Luftmassen
deutlich. Während unter dem Einfluss der kalten Meeresluft in der Nordhälfte
Deutschlands und den Niederlanden nur Werte zwischen 11°C und 13°C erreicht
wurden, stieg in der Südhälfte Deutschlands, im Einflussbereich wärmerer
Luftmassen, die Temperatur auf Werte über 15°C, wobei im Südwesten auch die
20°C-Marke geknackt und somit ein Warmer Tag verzeichnet werden konnte. So
beispielsweise in Riegel und in Konstanz mit 22,5°C bzw. 20,5°C. Im südlichen
und westlichen Randbereich des Hochs SANDRA wurde mit Höchstwerten über 25°C
auch ein Sommertag erreicht, wie zum Beispiel in Mont-de-Marsan
mit 27,1°C, in Bordeaux mit 26,8°C und in Cognac mit 26,9°C. Selbst in Belmullet und Valentia an der
Westküste Irlands wurde mit Tageshöchstwerten von 20,6°C bzw. 20,1°C ein Warmer
Tag erreicht.
Am 25.04. zum 00 UTC-Termin lag die
Antizyklone SANDRA mit einem Zentrumsdruck von knapp über 1030 hPa fast
unverändert über dem Nordmeer, Großbritannien und der Nordsee. Hinter der
Kaltfront des Tiefs AEGIDIUS konnte sich das Einflussgebiet allerdings weiter
in Richtung Osten bis über den Kaukasus ausbreiten. In der Nacht sank die Temperatur von Schleswig-Holstein
über die Deutschen Mittelgebirge bis in den Südwesten Deutschlands abermals vielerorts
unter den Gefrierpunkt. Tagsüber sorgte der Hochdruckeinfluss der Antizyklone
SANDRA in ihrem Einflussbereich mit verbreitet über 13 Sonnenstunden wiederholt
für strahlend blauen Himmel. Nur in einem Streifen von den Niederlanden im
Westen bis zum Erzgebirge, der Lausitz und dem Oderbruch im Osten, wo sich
unterhalb von 3 km Höhe relativ viel Feuchte halten konnte, hielten sich
dichtere Wolkenfelder und es wurden meist nur etwa 4 Sonnenstunden erreicht. Im
Osten Deutschlands kam es im Tagesverlauf auch hin und wieder zu leichtem Regen
oder Regenschauern, die im Schnitt aber nur unter 1 bis höchstens 2, im
sächsischen Kleinröhrsdorf-Wallroda auch 2,9 mm
brachten. Auch über dem Südwesten Frankreichs machte sich dichte Bewölkung
breit, die zu einem kräftigen Tief über Portugal gehörte und der Iberischen
Halbinsel bereits am Vortag schauerartigen, teils kräftigen Regen brachte. Die
Temperaturunterschiede in Mitteleuropa blieben dabei weiterhin kontrastreich,
wobei die kühlere Luft aus den Polarregionen bereits weiter nach Süden
vordringen konnte. Im Süden Deutschlands erwärmte die kräftige Aprilsonne die
Luft auf meist über 15°C, im Südwesten Deutschlands auch an die 20°C. In der
Schweiz und der Südhälfte Frankreichs wurden vielerorts Höchstwerte zwischen 20°C
und 24°C verzeichnet, im Norden Italiens wurde stellenweise mit über 25°C ein
Sommertag erreicht, wie beispielsweise in Trento mit maximal 26,1°C. Auch
bemerkenswert war weiterhin die milde Temperatur im Westen Irlands mit bis zu
19,5°C in Belmullet. Im Norden Frankreichs, Belgien,
den Niederlanden und der Nordhälfte Deutschlands war die Temperatur mit Werten
zwischen 8°C bis 13°C weit von einem warmen Tag entfernt. In den tiefen Lagen
in Norddeutschland blieb es mit 6,9°C am Königsstuhl auf Rügen am kältesten.
Auf der Bodenwetterkarte des 26.04. um 00
UTC ist der stärker werdende Tiefdruckeinfluss in Westeuropa bereits gut zu
erkennen. Aus Richtung Nordwesten nähert sich bereits das neu entstandene
Tiefdruckgebiet BEAT den Britischen Inseln und auch im Süden wird das Hoch
SANDRA immer mehr von dem Tiefdruckeinfluss über dem Mittelmeerraum und der
Iberischen Halbinsel bedrängt. Die Antizyklone lag zu diesem Zeitpunkt
weiterhin über der Nordsee und Großbritannien. Allerdings hatte sich der
Luftdruck im Zentrum bereits auf rund 1025 hPa gesenkt. Auch das Einflussgebiet
des Hochs SANDRA hatte sich gegenüber dem Vortag bereits verkleinert und
reichte nur noch über den Norden Frankreichs, über Deutschland und Skandinavien
bis nach Polen und Tschechien im Osten. Dort konnte man sich jedoch wiederholt
bei strahlend blauem Himmel über einen sonnenreichen Tag mit häufig über 13
Sonnenstunden erfreuen. Nur im Nordosten Deutschlands wechselte sich die Sonne
mit einigen dichteren Wolkenfelder ab. In Mecklenburg-Vorpommern kam es dabei
auch zu vereinzelten leichten Regenschauern, wie zum Beispiel in Schmarsow, wo 1,4 mm verzeichnet wurden. Die Temperaturen
veränderten sich dabei im Vergleich zum Vortag kaum.
Bis zum 27.04. um 00 UTC hatte sich der
Höhenkeil in der mittleren Troposphäre über West- und Mitteleuropa durch den
Zusammenschluss des hochreichenden Tiefdruckgebiets über der Iberischen
Halbinsel mit dem Tiefdruckkomplex über Osteuropa schließlich aufgelöst.
Infolgedessen schwächte sich auch das Hoch SANDRA am Boden auf knapp unter 1015
hPa ab und verlagerte sich bis über das Kattegat. Im Einflussbereich des hohen Luftdrucks,
der sich von der Westküste Frankreichs über Deutschland und Skandinavien bis
ans Schwarze Meer erstreckte, bot sich jedoch wiederholt ein freundlicher
Frühlingstag mit meist ungehindertem Sonnenschein. Die Temperatur bleib in
Deutschland auch an diesem Tag zweigeteilt. Während sich die Luft in der
Nordhälfte auf 12°C bis 14°C erwärmte, stieg die Temperatur in der Südhälfte
auf Werte zwischen 15°C und 19°C, wobei es im äußersten Südwesten mit
Höchstwerten knapp über 20°C am wärmsten wurde. Am kältesten blieb es mit 10°C
bis 11°C entlang der Ostseeküste.
Am 28.04. um 00 UTC konnte die stark
abgeschwächte Antizyklone SANDRA noch einmal über der Ostsee analysiert werden,
bevor sie sich im Tagesverlauf schließlich auflöste und der Tiefdruckeinfluss
Oberhand über das Wettergeschehen in Europa gewann.