Lebensgeschichte
Hochdruckgebiet
TESSINA
(getauft am 11.10.2011)
Als
am 11.10. der ehemalige Hurrikan PHILIPPE über dem Atlantik nordwärts in
Richtung Grönland zog, befand sich über Mitteleuropa eine ausgeprägte
Westwindströmung in der oberen Troposphäre mit trübem und wechselhaftem
Herbstwetter. In den Vorhersagekarten von diesem Tag zeigte sich jedoch
eindeutig, dass diese Höhenströmung sich stark verändern werden würde. Es
sollte sich in den darauffolgenden Tagen ein ausgeprägter Höhenkeil bilden,
einhergehend mit der Bildung eines Hochdruckgebietes in den Bodenwetterkarten.
Dieses Hochdruckgebiet wurde in der Prognose für den nächsten Tag auf den Namen
TESSINA getauft und erschien in der Analyse erstmals am 12.10. auf der
Wetterkarte. Zu diesem Zeitpunkt war das Hoch TESSINA noch sehr schwach
ausgeprägt mit einem Kerndruck von ca. 1019 hPa über der Ostküste Islands.
Umgeben von großräumigen Tiefdruckgebieten über Skandinavien und dem Atlantik
war das Hoch TESSINA anfangs nicht sonderlich wetterbestimmend. Dies änderte
sich jedoch im Laufe der nächsten Tage.
Aufgrund
des starken Antriebs der Höhenströmung verstärkte sich die Antizyklone TESSINA
sehr schnell, ein deutliches Zeichen dafür war der um über 7 hPa gestiegene
Kerndruck in nur 24 Stunden, sodass am 13.10. um 02 Uhr MESZ über den Shetland
Inseln dieser bereits bei ca. 1027 hPa lag und weitere 12 Stunden später sogar
schon bei über 1031 hPa. Zu diesem Zeitpunkt lag das Zentrum von Hoch TESSINA
über der Nordsee, womit sich ihr Einflussbereich inzwischen von Großbritannien
über Skandinavien bis nach Süddeutschland erstreckte. Damit wurden auch die
großräumigen Regengebiete weit in den Südwesten Deutschlands verdrängt, sodass
es am 13.10. nur noch südlich einer Linie Stuttgart – München nennenswerte
Niederschläge gab. Je weiter man an diesem Tag in Richtung Küste kam, desto
sonniger wurde es. Die absinkenden Luftmassen aus der Höhenströmung sorgten von
Norden her für Wolkenauflösung und eine zunehmend trockenere Atmosphäre. Mit
dieser Nordströmung kamen nicht nur trockene sondern auch kalte Luftmassen nach
Mitteleuropa. Diese nördlichen Winde zeigten sich in der unteren wie auch in
der oberen Troposphäre. So wurde Luft mit arktischem Ursprung von
Nordskandinavien über die Ostsee hinweg bis nach Deutschland transportiert. Die
Tageshöchsttemperaturen stiegen so am Freitag den 14.10. in Deutschland
vielerorts kaum über 10-11°C. Zuvor gab es vor allem in Sachsen und Thüringen
teils zähen Nebel, z. B. in Görlitz. Hier bildete sich in der Nacht zum 14.10.
bei Temperaturen um den Gefrierpunkt dichter Nebel und Hochnebel, der sich erst
am Nachmittag durch die anhaltenden Sonneneinstrahlung auflöste. Dadurch gab es
dort nur eine Sonnenscheindauer von knapp 4 Stunden, während sich in Trier die
Sonne mit 10,5 Stunden deutschlandweit am längsten zeigte. Der äußerste Westen
und Südwesten befand sich zudem noch in einer wärmeren Luftmasse, sodass hier
eine Höchsttemperatur von 14,9°C gemessen wurden, in Freiburg waren es sogar
17,3°C.
Hochdruckgebiet
TESSINA befand sich an diesem Donnerstag, den 13.10. auf dem Höhepunkt ihrer
Entwicklung, der Kerndruck betrug dabei mit knapp 1038 hPa über Dänemark den
höchsten Wert ihrer Lebenszeit. Der Einflussbereich der Antizyklone TESSINA
reichte dabei in Form eines Dreiecks von Nordskandinavien über die Pyrenäen bis
nach Rumänien. Der Wettercharakter in den nachfolgenden Tagen ähnelte sich stark,
während es nachts und in den Morgenstunden in exponierten Lagen wie z. B.
feuchten Flussniederungen oder größeren Seengebieten immer wieder feuchten
Dunst oder Nebel gab, schien tagsüber fast überall längere Zeit die Sonne.
Unter klarem Himmel und im Einfluss der arktischen Luftmasse, wurden die Nächte
vielerorts frostig kalt und brachten damit den ersten Nachtfrost des kommenden
Winterhalbjahres. Am kältesten wurde es in der Nacht zum 15.10. in Lübeck mit
-3,2°C in 2 m Höhe, direkt über dem Erdboden in 5 cm sank die Temperatur sogar
auf -6°C.
Während
sich das Zentrum von Hoch TESSINA in den Mittagsstunden des 15.10. über Rügen
befand, zog es bis zum nächsten Tag weiter über den Osten Polens. Da
Hochdruckgebiete im Uhrzeigersinn umströmt werden, befand sich Deutschland nun
nicht mehr in der kühlen Nordströmung. Stattdessen herrschte Südwind vor, der
etwas mildere Luftmassen heranführte. Die Nächte waren jetzt meist wieder
frostfrei und auch am Tage wurde es deutlich wärmer. So gab es deutschlandweit
ein goldenes Herbstwochenende. In fast ganz Deutschland schien am 15. und
16.10. die Sonne ca. 9-10 Stunden lang. Die Höchsttemperatur stieg mit jedem
Tag an, in Berlin von 11,7°C am 15.10. auf 15°C am 17.10.
Pünktlich
zum Wochenbeginn näherte sich jedoch von Westen her Tiefdruckgebiet KLAUS mit
seinen Frontensystemen. Dieses starke Tiefdrucksystem drängte Hoch TESSINA
schnell nach Osten ab, sodass über Deutschland am 17.10. nach 3,5 Tagen purem
Sonnenschein wieder dichte Wolkenfelder aufzogen und einen Tag später Regen
fiel. Das Zentrum von TESSINA zog rasch bis über Russland zur Wolga. Hier lag
der Kerndruck am 18.10. immer noch bei ca. 1031 hPa, womit Hoch TESSINA
weiterhin für trockenes Wetter sorgte. Allerdings zeigte sich trotzdem über
Westrussland in diesen Tagen nur selten die Sonne, da mit der Höhenströmung dichte
mittelhohe Wolkenfelder heran transportiert wurden. Auch in den nachfolgenden
Tagen zeigte sich das Wetter unter Hoch TESSINA von dieser Seite. Gleichzeitig
zog das Sturmtief KLAUS weiter bis zum Nordkap und drängte mit seinen
Frontensystemen Hoch TESSINA immer weiter nach Osten ab, sodass ihr
Einflussbereich vom 19. bis zum 21.10. immer weiter aus dem Bereich der
europäischen Wetterkarten herauswanderte. Am 22.10. war
es schließlich soweit, dass das Hochdruckgebiet vollständig nach Osten bis
östlich vom Ural abgedrängt war und nicht mehr das Wetter in Europa
beeinflusste. Das Hochdruckgebiet TESSINA war somit nach 9 Tagen am 21.10. das
letzte Mal auf der Berliner Wetterkarte zu sehen.
Geschrieben
am 01.11.2011 von Thomas Schubert
Berliner
Wetterkarte: 14.10.2011
Pate:
Tessina Wilhelm