Lebensgeschichte

 

Hochdruckgebiet TOMOKA

(getauft am 27.10.2015)

 

Im Tagesverlauf des 26. Oktober entstand auf der Rückseite eines nach Süden gerichteten Kaltluftvorschubs in der mittleren Troposphäre, der als Trog bezeichnet wird, ein Hochdruckgebiet am Boden, was auf den Namen TOMOKA getauft wurde. Es befand sich am 27.10. um 01 Uhr MEZ über dem Europäischen Nordmeer mit einem Kerndruck von ca. 1022 hPa. Über dem nördlichen Skandinavien auf der Ostseite des Hochs TOMOKA sorgte die Umströmung des Hochdruckgebiets mit dem Uhrzeigersinn für Nordwind. Zusätzlich sinken die Luftmassen in einem Hochdruckgebiet großräumig ab und lösen somit meist vorhandene Wolken auf. Dementsprechend konnte sich die Luft in der Nacht stark abkühlen. So wurde im schwedischen Tarfala -9°C als Minimum gemessen, noch kälter wurde es im norwegischen Cuovddatmohkki mit -10°C. Dabei war der Temperaturgradient zwischen der sich stark abkühlenden Festlandmasse und dem durch den Nordatlantikstrom wärmendem Nordmeer vor der Küste Norwegens groß, dort wurden teilweise noch positive Tiefsttemperaturen gemessen. Tagsüber konnte sich die nachts so stark abgekühlte Luft durch die nur noch sehr kurzen Tage und die damit verbundene schwache Sonneneinstrahlung in der Region oftmals nicht mehr auf positive Temperaturen erwärmen. In Tarfala stieg die Höchsttemperatur sogar nicht über
-6°C, ebenso im nordfinnischen Kittila Laukukero. Übersteigt das Tagesmaximum nicht den Gefrierpunkt, spricht man bei einem solchen Tag von einem Eistag.

Bis zum Folgetag hatte sich die Antizyklone TOMOKA deutlich verstärkt. Um 01 Uhr MEZ wurde das Zentrum mit etwas über 1030 hPa wenig nördlich von Stockholm analysiert. Das Hoch TOMOKA war mit einem weiter südlich gelegenen Hoch namens SOPHIE verbunden, von dem es nur durch eine schwache Kaltfront getrennt war. Die beiden Druckgebilde sorgten von der nordwestlichen Türkei bis nach Skandinavien für ruhiges Wetter. In der Nacht konnten sich bestimmte Regionen Skandinaviens durch nicht vorhandene Wolken erneut stark auskühlen. Das Zentrum der nächtlichen Kälte war in dieser Nacht mit -14°C in Gielas etwas südlicher auszumachen, da im äußersten Norden Skandinaviens durch die Südverlagerung des Hochs TOMOKA die Strömung auf West drehte und mildere maritime Luft ins Landesinnere trug. Tagsüber ergab sich ein ähnliches Bild wie am Vortag, die sehr schwache Einstrahlung der Sonne ließ nur einen geringen Unterschied von Minimum- und Maximumtemperatur zu. Besonders gering ist dieser Tagesgang, wenn sich durch die starke bodennahe Auskühlung und der Kondensation des Wasserdampfs wegen dessen geringerer Speicherkapazität bei kälter werdender Luft in der Nacht Nebel- und Hochnebelfelder bilden, die dann eine starke Erwärmung am Tage zusätzlich verhindern. Charakteristisch sind oftmals scharfe Grenzen dieser tief hängenden Wolken, wo auf der einen Seite starke Bewölkung vorherrscht und nur ein paar Kilometer entfernt die Sonne nahezu ungestört scheinen kann.

Am 29. Oktober um 01 Uhr MEZ war der Kern des Hochdruckgebiets TOMOKA in Weißrussland und wies einen maximalen Luftdruck von knapp 1032 hPa auf. Das Hochdruckgebiet TOMOKA war das wetterbestimmende Druckgebilde von Skandinavien über den Osten Deutschlands, Polen bis hin zum Bosporus. Im Westen Russlands sowie im Osten Weißrusslands wurden verbreitet Tiefsttemperaturen von -7 bis -9°C registriert. Durch die längeren Tage in dieser Region konnte sich die Luft immerhin noch auf 2 bis 5°C im Kernbereich erwärmen. Dabei war die Luft am Nachmittag sehr trocken, gut zu erkennen ist dies am sogenannten Taupunkt, der eine Temperatur beschreibt, bei dem die Luft anfängt zu kondensieren. Der Taupunkt war mit -5 bis -9°C sehr niedrig, d.h. die relative Luftfeuchtigkeit lag bei etwa 40 bis 60%. Der Tag verlief sehr sonnig, nur im Westen und Norden des Einflussbereichs traten Hochnebelfelder auf. Durch diese gab es im Berliner Raum große Temperaturgegensätze, in Berlin wurden unter sonnigen Bedingungen 11°C erreicht, in Luckenwalde südlich von Berlin unter dem Hochnebel hingegen nur 6°C.

Am Folgetag war das Hoch TOMOKA über der östlichen Ukraine mit einem Luftdruck von ca. 1033 hPa vorzufinden. Der Einflussbereich des Hochs TOMOKA reichte vom Westen Russlands bis in den Süden Spaniens. Dort schien meist ungestört die Sonne mit der astronomisch möglichen Sonnenscheindauer von 8 bis 10 Stunden, je nach Breitengrad. Ausnahmen bildeten nur Teile Polens, Deutschlands und Österreichs, wo Hochnebelfelder keinen Sonnenschein zuließen. Die Stationen der Mittelgebirge, die oberhalb des Hochnebels lagen, wie z.B. der Brocken und der Fichtelberg, registrierten 8 bzw. 9 Sonnenstunden. Großräumig stellte sich in Zentraleuropa eine sehr stabile Situation ein, da sich in der Höhendruckfläche von 500 hPa, was etwa 5,5 km Höhe entspricht, zusammen mit einem mächtigen über dem östlichen Atlantik liegenden Trog, ein mächtiger Keil, ein Warmluftvorstoß aus Süden, über Mitteleuropa ausbildete. In der Nacht wurde in Deutschland verbreitet dichter Nebel gemeldet, der teilweise eine Sichtweite von unter 100 m hervorrief. Außerdem trat beispielsweise in Barth mit -2°C leichter Frost auf. Die Höchsttemperaturen gingen, dem klimatologischen Mittel zufolge, von Südwest nach Nordost kontinuierlich zurück. So konnte an der Biskaya noch bis zu 27°C gemessen werden, während es in Moskau nur noch Temperaturen um den Gefrierpunkt gab.

Durch den stark ausgebildeten Keil in der Höhe, der sogar zu einem abgeschlossenen Höhenhoch wurde, lag Mitteleuropa am letzten Oktobertag und am ersten Novembertag unter sehr höhenwarmer Luft. Durch die Achsenverschiebung der Druckgebilde war das Bodenhoch TOMOKA weiter östlich in der Ukraine vorzufinden. Der Zentrumsdruck hatte sich inzwischen auf bis zu 1047 hPa am 01.11. um 01 Uhr MEZ verstärkt und erreichte somit den Höhepunkt der Entwicklung. Ein weiteres Phänomen des Winterhalbjahres bei Hochdruckgebieten ist die sogenannte Inversion, sie beschreibt den umgekehrten vertikalen Temperaturverlauf. Statt einer Abkühlung mit der Höhe steigt die Lufttemperatur an der sogenannten Inversionsschicht nun sprunghaft an. Damit ist in der unteren Schicht im Flachland mit kühlen Temperaturen, eventuell Nachtfrösten und hoher Luftfeuchtigkeit zu rechnen, während oberhalb dieser Schicht, an der sich oft der Hochnebel ausbildet, die Luft warm und sehr trocken ist. So ging die Temperatur in der Nacht des Monatswechsels auf dem Feldberg im Schwarzwald nicht unter 12°C zurück, während es am Münchner Flughafen Frost mit -3°C gab. Tagsüber passte sich die Temperatur in der kühlen Grundschicht bei Sonnenschein meist noch in etwa dem Niveau der darüber liegenden Schicht an. Auf dem Brocken konnten bis zu 18°C, in Berlin aber auch noch bis zu 16°C als Temperaturmaximum gemessen werden. Besonders warm wird es, wenn die obere schon warme Schicht durch vertikale Winde wie z.B. Föhn bis zum Boden durchmischt werden kann. So konnten am ersten Novembertag in der Salzburger Innenstadt noch 23°C gemessen werden. Das Gegenteil ist beim Fehlen dieser Durchmischung zu beobachten. Unter dichtem Hochnebel im Oberrheingraben stieg in der sonst so warmen Region Deutschlands die Temperatur nur auf 7 bis 8°C an.

In den folgenden beiden Tagen ging der Zentrumsdruck kontinuierlich zurück, am 02. November um 01 Uhr wurden im Kern in Westrumänien noch etwa 1041 hPa registriert, am 03. November um 01 Uhr MEZ nur noch maximal ca. 1035 hPa bei Wien. Infolge nur geringer Windgeschwindigkeiten und der vorhandenen Temperaturinversion breiteten sich in Dänemark und zunehmend auch in Deutschland Hochnebelfelder aus, die das warme Herbstwetter beendeten. Eindrucksvoll zeigt sich die Auswirkung von Hochnebel und damit verbundener fast nicht vorhandener Einstrahlung am Temperaturverlauf im Wendland. Während es am 01. November mit 16°C noch außergewöhnlich mild war, blieb es am Folgetag mit nur noch maximal 6°C schon 10 Grad kühler. Da sich der Hochnebel immer noch nicht auflöste, gab es tags darauf sogar nur ein Maximum von 3°C. Doch nur wenige hundert Kilometer weiter südöstlich war von dieser Entwicklung wenig zu spüren. In Berlin schien an beiden Tagen die Sonne 9 Stunden lang. In den tagsüber sonnenbevorzugten Regionen wurde es dafür in der Nacht frostig. Am Morgen des 03. November wurden in Nürnberg sogar -5°C gemessen, auch in Baruth, etwas südlich von Berlin gelegen, gab es
-4°C in 2 Metern über dem Erdboden. Über der Grundschicht erreichte die Zufuhr der Warmluft aus Süden ihren Höhepunkt. Auf dem Brocken ging die Temperatur auch in der Nacht nicht unter 12°C zurück. Tagsüber konnte die Sonne die trockene kontinentale Subtropikluft noch weiter erwärmen, sodass ein neuer Temperaturrekord für November auf dem höchsten norddeutschen Berg erreicht wurde. 19,8°C wurden am 03. November gemessen und somit der alte Rekord von 18,9°C eingestellt. Dazu war die Luft extrem trocken. Der Taupunkt erreichte Werte von -25°C und somit gab es eine relative Luftfeuchte von 2 bis 3%! Damit verbunden war eine sehr seltene Sichtweite von 170 km, wo die Beobachter sogar das VW-Werk in Wolfsburg erkennen konnten.

Das Hochdruckgebiet TOMOKA hatte sich bis zum 04. November um 01 Uhr MEZ wieder nach Osten verlagert und sich dabei abgeschwächt, das Zentrum war mit etwa 1026 hPa bei Bukarest vorzufinden. Bis dahin verhinderte das Hoch TOMOKA durch eine sogenannte Blockierung das Vordringen atlantischer Tiefausläufer nach Osten. Durch die Ostverlagerung und Abschwächung der Antizyklone TOMOKA konnten diese nun auch wieder auf Zentraleuropa übergreifen und die dort liegende Temperaturinversion durchbrechen. So flossen in Westeuropa in höheren Luftschichten zunehmend kühlere Luftmassen ein, die die Temperatur in 1500 m Höhe von 13°C am Vortag bis auf 4°C zum Abend hin sinken ließ. Weiter östlich war in großen Teilen des östlichen Mitteleuropas bzw. in Osteuropa davon wenig zu spüren, die Sonne schien von Südpolen bis in die Türkei den ganzen Tag nahezu ungestört. Auch in Rumänien machte sich das Phänomen der Inversion bemerkbar. Während es auf den Bergen bei minimal 12°C blieb, kühlte es sich in der Nacht im Tiefland auf bis zu -8°C ab. Am Tage erwärmte sich die Luft abseits von Nebelgebieten auf 16 bis 22°C. Ein starker Kontrast war in Polen zu finden. Während im äußersten Süden noch 16°C gemessen wurden und auch in der Landesmitte unter Sonnenschein noch 11°C erreicht werden konnten, gab es wenige Kilometer nördlich unter dem Hochnebel nur ein Maximum von 2°C.

Die Antizyklone TOMOKA hatte sich bis zum Folgetag soweit abgeschwächt, dass es nicht weiter auf der Berliner Wetterkarte analysiert werden konnte.

 


Geschrieben am 18.11.2015 von Dustin Böttcher

Berliner Wetterkarte: 02.11.2015

Pate: Tomoka Ban