Lebensgeschichte
Hochdruckgebiet
ULLA
(getauft
am 19.10.2011)
Angetrieben von der wettersteuernden
nordwestlichen Luftströmung in rund 5,5 km Höhe, driftete Mitte September 2011
eine Hochdruckzone über den Gletschern Grönlands nach Südosten bis über den
mittleren Nordatlantik. Die Richtung der Höhenströmung änderte sich mehrere
Tage lang kaum, wodurch sich dieses Hoch über dem Nordatlantik weiter in
Richtung Europa verlagerte. Da am 19.10. vorhersagbar wurde, dass diese
Antizyklone das Wettergeschehen im mitteleuropäischen Raum beeinflussen würde,
wurde sie auf den Namen ULLA getauft.
Um 00 Uhr UTC des Tauftages, also um 02 Uhr
MESZ, befand sich das Hoch ULLA mit einem kräftigen Kerndruck von rund 1028 hPa
über dem östlichen Nordatlantik, südlich von Island und westlich der Britischen
Inseln. Auch wenn sich die Antizyklone noch über dem Ozean befand, war der
Einfluss auf Irland bereits spürbar, da der Tiefdruckkomplex KLAUS mit seinen
stürmischen Winden weiter nach Osten verdrängt wurde. In der Stadt Cork fand
ein rascher Druckanstieg um knapp 18 hPa innerhalb von 24 Stunden statt. Wo am
Vortag noch Böen von bis zu 36 km/h gemessen wurden, gab es am 19.10. maximale Böen von nur noch 25 km/h.
Bis zum 20.10. zog das Hoch ULLA weiter bis
südwestlich von Irland auf der Breite der Bretagne. Dabei verstärke es sich
deutlich auf einen Druck von etwa 1033 hPa und bildete zusammen mit dem
Azorenhoch eine Hochdruckbrücke aus. Diese reichte bis rund 1000 km westlich
der Azoren. Auch in der Höhe entwickelte sich ein leichter Hochdruckkeil,
wodurch sich die Wetterwirksamkeit intensivierte.
Dies wirkte sich auch im westfranzösischen
La Rochelle aus, wo knapp 7 Stunden lang die Sonne schien. Da auf der
Vorderseite des Hochs, in diesem Fall östlich davon, durch die Drehung mit dem
Uhrzeigersinn die Luft aus nördlichen Richtungen strömte, kühlte es sich
merklich ab, von maximal 17,1°C am 19.10. auf 14,4°C am Folgetag.
Am Morgen des 21.10. befand sich die
Antizyklone ULLA mit ihrem Kern über dem zentralen Alpenraum und damit erstmals
über dem europäischen Festland. Das Hoch besaß einen Kerndruck von ca. 1030 hPa
und einen Einflussbereich, der weite Teile Europas erfasste. Von der Biskaya,
den Pyrenäen, dem Alpenraum und Slowenien bis hin nach London, Hamburg und den
südöstlichen Regionen Polens herrschte ein Druck von über 1025 hPa. Das Einströmen der subpolaren
Luft, vorderseitig der Antizyklone ULLA, führte vor allem in Mittel- und
Süddeutschland für frische Temperaturen. So stiegen diese von nächtlichen
Werten um den Gefrierpunkt teilweise nur auf 4 bis 5°C. Begünstigt wurden diese
niedrigen Höchsttemperaturen durch zähe Nebel- und Hochnebelfelder, welche
charakteristisch für kräftige Herbst- und Winterhochs sind. Sie entstehen
dadurch, dass sich feuchte Luftmassen am Boden durch den wolkenlosen Himmel
abkühlen und folglich auskondensieren.
Das Hoch ULLA verlagerte sich weiter in
Richtung Osten, sodass sein Zentrum mit einem Druck von etwa 1032 hPa am 22.10.
bereits über Polen, zwischen Warschau und der Grenze zu Weißrussland, lag. Der
Einflussbereich vergrößerte sich nochmals deutlich und reichte von den Pyrenäen
und Kroatien im Süden bis nach London im Nordwesten, zur südlichen Ostseeküste
im Norden und Kiew im Südosten.
Mitteleuropa befand sich aufgrund der
Verlagerung des Hochs nun rückseitig, wodurch die Winde aus südlichen
Richtungen wehten. Dem zur Folge wurde die Luft trockener und wärmer. So wurden
in Frankfurt am Main am Vortag nur 7,9°C Höchsttemperatur und 3 Stunden
Sonnenschein gemessen, am 22.10. war es jedoch um 3 Grad wärmer bei einer
Sonnenscheindauer von 9 Stunden.
Die Ostwärtsverlagerung der Hochdruckzone
ULLA setzte sich weiter fort, sodass sich ihr Zentrum mit einem Druck von rund
1033 hPa am 23.10. zentral zwischen Kiew und Minsk befand. Der Einflussbereich
weitete sich abermals aus und erfasste nun auch das südliche Baltikum, die
Gebiete bis zur Wolga, Teile des Schwarzen Meeres, Griechenland und Italien.
Der hauptsächlich durch das Hoch ULLA
ausgelöste „Goldene Oktober“ intensivierte sich vielerorts. In Deutschland
wurden flächendeckend 8 bis 9 Stunden
Sonnenschein registriert, was dem maximal Möglichen zu dieser Zeit entspricht.
Durch die wenigen Wolken konnte es jedoch nachts stark auskühlen. So begann der
23.10. in Stuttgart mit -1,6°C Tiefsttemperatur und dem ersten Eisnebel dieser
Saison. In der darauffolgenden Nacht konnte es sich sogar noch weiter abkühlen,
sodass -3,2°C gemessen wurden, ebenfalls bei Eisnebel.
Zu dieser Zeit, also am Morgen des 24.10.,
befand sich das Hoch ULLA über dem Raum von Minsk, rund 1500 km entfernt von
Stuttgart. Somit wird deutlich, dass die Dimensionen der Antizyklone weiterhin
außergewöhnlich umfassend sind. Lediglich Tiefausläufer über Nordskandinavien,
Teilen Nordwestrusslands und den westlichsten Küsten Europas gehörten nicht zum
Einflussgebiet.
Durch die weiterhin für diese Jahreszeit starke
Einstrahlung der Sonne wurden erneut hohe Temperaturmaxima registriert. In
Stuttgart bedeutete das nach der kalten Nacht trotzdem einen Höchstwert von
13,6°C. Ein Tagesgang von 16,8 Grad im Oktober ist äußerst ungewöhnlich, da
solche Unterschiede zwischen Minimum und Maximum eher im Sommer anzutreffen
sind.
Bis zum 26.10. blieb das Hoch ULLA
stationär über dem Raum von Minsk und der Druck betrug weiterhin um 1033 hPa. Da
rückseitig die Südwinde zunehmend feuchtere Luft in den zentraleuropäischen
Raum transportierten, bildete sich nachts oft Hochnebel aus, der für wärmere
Nächte sorgte. In Warschau wurden beispielsweise bei klarem Himmel am 25.10.
minimal 1,6°C gemessen. Am Morgen des 26.10. waren es dagegen bei 6 Achtel
Bewölkung 4,2°C. In der Meteorologie wird der Bedeckungsgrad in Achteln
angegeben und somit entsprechen 6 Achtel 75% Himmelsbedeckung durch Wolken.
Um 00 Uhr UTC des 27.10. lag der Kern von
Hoch ULLA wenige hundert Kilometer weiter südlich über dem Raum von Kiew mit
einem nochmals gestiegenen Druck auf knapp 1035 hPa. Mehrere tausend
Quadratkilometer, vom Schwarzen Meer bis nach Murmansk, von Warschau bis nach
Wolgograd, befanden sich im Einflussbereich. West- und Mitteleuropa wurde zu
diesem Zeitpunkt von nachfolgenden Tiefs beeinflusst. Jedoch lösten sich die
Fronten bei ihrem Zug nach Osten auf und prallten förmlich am Hoch ULLA ab.
Grund dafür war ein Druck von mehr als 1030 hPa im oben beschriebenen
Einflussgebiet.
So kam es, dass sich der Luftwirbel ULLA
bis zum 28.10. bereits wieder bis nach Deutschland und dem zentralen
Mittelmeerraum ausdehnen konnte. Gleichzeitig stieg der Druck im Kern erneut,
nun bis auf ca. 1036 hPa. Da das Hoch ULLA
nicht nur am Boden, sondern auch in der Höhe stark ausgeprägt war,
führte es zunehmend kalte Luft aus höheren Luftschichten und aus polaren bis
arktischen Regionen heran. Die Temperatur in Moskau sank zwar bis zum Morgen
des 28.10. nur auf 2°C ab, jedoch stiegen die Werte lediglich bis auf 3°C an,
um am darauf folgenden Morgen bei 1°C zu liegen. Dieser geringe Tagesgang ist
begründet durch den Hochnebel, der kaum Temperaturschwankungen zuließ und
niedrige Tagesmittelwerte um 2°C bewirkte.
Bis zum 30.10. verlagerte sich der Kern der
Antizyklone ULLA mit einem leicht abgeschwächten Druck von ca. 1033 hPa etwas
weiter südlich bis mittig zwischen Kiew und der Nordküste des Schwarzen Meeres.
Der weiterhin große Einflussbereich erstreckte sich bis nach Wilna, Berlin,
Athen, Ankara und Wolgograd.
Im Norden dieses Bereiches hielt sich
wieder teils zäher Hochnebel, wie in Moskau mit keiner einzigen Stunde
Sonnenschein. Im Süden hingegen löste sich der Hochnebel rasch auf. In der
Nacht zum 31.10. sanken dadurch die Werte in Zaporozhye in der Südukraine auf
-4,8°C, was zu Eisnebel führte. Durch den Sonnenschein stieg die Temperatur jedoch
tagsüber auf 10,3°C an.
Am 31.10. bildete sich eine Hochdruckbrücke
vom stationär liegenden Hoch ULLA in Richtung Westen aus, die bis zum Hoch
VIOLA über Ostspanien reichte. Im südosteuropäischen Bereich gab es erneut einen
sonnigen Tag, in Mitteleuropa dominierte meist Hochnebel den Wettercharakter.
Dieser konnte sich aber im Tagesverlauf häufig auflösen, was vor allem in
Süddeutschland teils bis zu 9 Stunden Sonne brachte. Die höchsten Temperaturen
lagen dabei mit 17°C im Westen Deutschlands recht hoch.
Das Hoch VIOLA rückte bis zum 01.11. weiter
nach Osten vor, gleichzeitig verringerte sich der Druck im Kern von Hoch ULLA
über der Krim auf rund 1023 hPa. Trotzdem sorgte die Antizyklone weiterhin für
viel Sonnenschein von der Ukraine über den Balkan bis zur Türkei.
Da sich der Einfluss vom Hoch VIOLA
ausweitete, löste sich die Antizyklone ULLA bis zum Morgen des 02.11. auf und
konnte nicht mehr auf der Berliner Wetterkarte analysiert werden.
Das Hoch ULLA mit seinen 14 Lebenstagen
sorgte einen halben Monat lang dafür, dass weite Teile Europas einen „Goldenen
Oktober“ erhielten. Es war Bestandteil einer außergewöhnlich stabilen
Wetterlage, die sich bis auf kleine Ausnahmen, von Ende September bis weit in
den November hinein hielt.
Geschrieben von Paul Heger
Berliner Wetterkarte: 21.10.2011
Pate: Ulla Wagner