Lebensgeschichte

 

Hochdruckgebiet UTZ

(getauft am 19.06.2020)

 

Im klimatologischen Mittel existiert über dem Nordatlantik eine typische Druckverteilung mit hohem Druck über den Azoren und tiefem Druck bei Island. Ersteres wird als Azorenhoch bezeichnet und gehört in der globalen atmosphärischen Zirkulation zum subtropischen Hochdruckgürtel. Der subtropische Hochdruckgürtel ist abgesehen von stärkeren und schwächeren Phasen ganzjährig vorhanden und wandert mit der Innertropischen Konvergenzzone im Lauf des Jahres mit.

Ausgehend vom Azorenhoch entwickeln sich unter günstigen Bedingungen häufig Ausläufer nach Europa, welche im weiteren Verlauf eigenständige Hochdruckzentren ausbilden. Eben dies geschah im Verlauf des 19.06.2020 über Westeuropa. Die Meteorologen von der Berliner Wetterkarte (BWK) benannten das sich entwickelnde Hochdruckgebiet daher als Prognosetaufe für den folgenden Tag mit dem Namen UTZ.

Um die gerade aktiven Druckgebilde über Europa erfassen zu können, werden sogenannte Bodenanalysen erstellt. Die Grundlage der Bodenanalyse bilden die zur gleichen Uhrzeit registrierten Druckwerte an verschiedenen Orten in Europa. Anhand dieser können dann Linien gleichen Druckes, auch Isobaren genannt, über Europa gezeichnet werden (wie in der beigefügten Bodenanalyse zu sehen ist) und die einzelnen Druckgebiete hervorragend sichtbar gemacht werden. Auch die Meteorologen der BWK erstellen jeden Tag eine Bodenanalyse der Wettermeldungen die für 00 Uhr UTC, was 01 Uhr MEZ entspricht, eingehen. Die Abkürzung UTC steht hier für Universal Time Coordinated und gibt Auskunft, zu welcher einheitlichen Uhrzeit die Druckwerte bestimmt wurden.

Auf der 00 Uhr UTC Bodenanalyse vom 20.06. wurde Hoch UTZ das erste Mal über der Mitte Frankreichs analysiert. Da die Antizyklone noch mit dem Azorenhoch verbunden war, bildete es kein abgeschlossenes Hochdruckzentrum aus. Der höchste Bodendruck wurde mit etwa 1022 hPa im Zentralmassiv von Frankreich registriert. Im Gegensatz zu Tiefdruckgebieten sinkt in Hochdruckgebieten die Luft großräumig ab. Dies führt in der Regel dazu, dass sich die Wolken auflösen bzw. sich gar nicht erst bilden können. Da die Antizyklone UTZ noch in der Entwicklung war, reichte es an dieser noch nicht aus in seinem Einflussbereich über Frankreich und den äußersten Westen von Deutschland und der Schweiz die Bildung von Quellwolken zu unterbinden. Vereinzelt konnten sich auch kurze Schauer bilden. Die Niederschlagssummen lagen aber selten über 1 mm, wie im Süden von Paris an der Station am Flughafen Orly mit 3,5 mm innerhalb von einer Stunde. Die registrierten Sonnenscheindauern an diesem Tag hingen stark von der Lage der Wolkenstraßen ab. Beispielsweise wurden in Lyon 13 Stunden, aber in Paris nur 6 bis 8 Stunden gemessen. Die Höchsttemperaturen lagen an diesem Tag bei 16 bis 18°C im Nordwesten von Frankreich bis an die 25°C an der Mittelmeerküste.

Am 21.06. überquerte das Frontensystem von Tief QUIOLA Westeuropa, welches sich mit einem Kerndruck von unter 980 hPa südlich von Island befand. Dieses Frontensystem hemmte Hoch UTZ in seiner Entwicklung deutlich. Am darauffolgenden Tag löste sich die übriggebliebene Front von Tief QUIOLA langsam auf und Hoch UTZ konnte neue Kraft schöpfen. Auch in der mittleren Troposphäre, was ca. 5,5 km über dem Boden entspricht, entwickelte sich ein Hochdruckkeil, also ein Warmluftvorstoß aus dem Süden. Dieser Hochdruckkeil korrespondierte mit dem Hochdruckgebiet UTZ am Boden, sodass die Antizyklone über die gesamte Troposphäre präsent war. Das Zentrum von Hoch UTZ, welches nach wie vor keine abgeschlossene Isobare besaß und somit noch immer kein eigenständiges Hochdruckgebiet darstellte, lag mit einem Luftdruck von etwas über 1025 hPa um 00 Uhr UTC über der Biskaya. Dabei brachte die Antizyklone von Spanien über Frankreich bis nach England sonnenscheinreiches Wetter mit verbreitet 10 bis 16 Sonnenstunden.

Auf der Bodenanalyse vom 23.06. um 00 Uhr UTC wurde die Antizyklone UTZ nunmehr als eigenständiges Hoch mit gleichbleibendem Zentrumsdruck über den Beneluxstaaten analysiert. Der Einfluss reichte über ganz Mitteleuropa. Wolken konnten sich kaum noch welche bilden, sodass verbreitet 15 bis 16 Sonnenstunden über Mitteleuropa registriert wurden. Die Lufttemperatur in 2 m Höhe stieg in Deutschland häufig auf 23 bis 29°C, nur an den Küsten lagen die Höchstwerte etwas darunter. Lokal wurde auch die 30-Grad-Marke überschritten wie z.B. im direkt an der Schweizer Grenze gelegenen Waldshut-Tiengen mit 30,6°C. In Frankreich wurde vor allem in der Südhälfte die 30°C erreicht oder überschritten. So verzeichnete man in Toulouse 31,0°C und in Nîmes fast 34°C. Selbst am Londoner Flughafen Heathrow wurde ein heißer Tag, also die 30°C, mit 29°C nur knapp verfehlt.

Am 24.06. zog Hochdruckgebiet UTZ mit seinem Zentrum nach Südschweden weiter. In der mittleren Troposphäre bildete sich ein eigenständiges Höhenhoch aus. Mit der Drehrichtung des Hochs im Uhrzeigersinn werden weiterhin warme Luftmassen aus dem Süden nach Norden transportiert. Vom Süden Englands bis Spanien wurde die 30°C-Marke verbreitet überschritten. Am Londoner Flughafen Heathrow war es mit einer Höchsttemperatur von 32,6°C der bisher wärmste Tag des Jahres. Die höchste jemals gemessene Juni-Temperatur in England liegt bei 35,6°C.  Auch in Frankreich wurden abseits der Küsten fast landesweit die 30°C überschritten. Paris vermeldete 32,5°C, Nantes 33,4°C und Auch, direkt am Jakobsweg gelegen, sogar 35,5°C. Ebenso setzte sich die Hitzewelle in Spanien und Portugal fort. Montoro Vega Armijo in Andalusien verzeichnete 40,4°C, Madrid erreichte 34°C. In Süd- und Mittelschweden sowie in Südfinnland wurde im Bereich von Hoch UTZ ebenfalls die 30-Grad-Marke überschritten wie in Stockholm mit 30,9°C oder im finnischen Mikkeli mit 30,4°C. Auch in Deutschland setzte sich verbreitet sonniges Hochdruckwetter durch. Besonders der Norden wurde mit bis zu 16 Stunden Sonnenschein verwöhnt.  Weiter südlich ging der Einfluss von Hoch UTZ zurück und von Osten sorgten aufkommende Wolkenfelder vom Tief ROSEMARIE für deutlich weniger Sonne, so dass dort die Höchstwerte in Sachsen und im Osten Bayerns häufig unter 20°C lagen. Sonst stieg die Temperatur oft auf 23 bis 28°C, im Westen und Südwesten bei wolkenlosem Himmel auch bis 32°C. Am wärmsten war es im kölnischen Stadtteil Stammheim mit 32,1°C. An der Ostseeküste lagen die Maxima durch den kühlen Seewind tagsüber bei nur 21 bis 24°C.

Am darauffolgenden Tag änderte sich nur wenig an der Gesamtsituation. Die Antizyklone UTZ wanderte langsam nach Osten. Sein Einflussbereich erstreckte sich vom südlichen Teil Norwegens bis zu den baltischen Staaten. Für skandinavische Verhältnisse wurde es mit Höchsttemperaturen um 30°C wieder sehr warm. Am wärmsten wurde es im Südwesten von Finnland. Hier wurde an der Station Kankaanpää Niinisalo Airfiel sogar 33,5°C registriert.

Bis zur 00 Uhr UTC Bodenanalyse vom 26.06. verlagerte sich Hoch UTZ mit einem Zentrumsdruck von 1025 hPa nach Weißrussland. Das korrespondierende Höhenhoch schächte sich etwas ab und entwickelte sich zu einem Höhenhochkeil zurück. Der Einflussbereich erstreckte sich aber noch über den Großteil Südskandinaviens. Aber auch in Osteuropa und im äußersten Westen von Russland gestaltete sich der Wetterverlauf unter Einfluss von Hoch UTZ wolkenarm und durchweg sonnig. Die Temperaturen stiegen einheitlich auf Höchstwerte zwischen 30 und 31°C. An den Küsten der Ostsee war es mit 23 bis 24°C deutlich kühler.

Ab der zweiten Tageshälfte begann sich die Antizyklone abzuschwächen. Bis zum Folgetag ging der Zentrumsdruck auf ca. 1020 hPa zurück. Der Einflussbereich wurde auch deutlich kleiner und umfasste nur noch ein Gebiet von der Ukraine bis nach Rumänien. Schließlich wurde Hochdruckgebiet UTZ auf der 00 Uhr UTC Bodenanalyse der Berliner Wetterkarte vom 28.06. das letzte Mal östlich der Ukraine mit einem sich weiter abgeschwächten Zentrumsdruck von 1016 hPa analysiert. Im Laufe der ersten Tageshälfte löste sich dann Hoch UTZ vollständig auf. Die Antizyklone besaß somit einen Lebenszyklus von 9 Tagen auf der Berliner Wetterkarte.