Lebensgeschichte

 

Hochdruckgebiet WALTRAUD

(getauft am 26.05.2021)

 

Während das Wetter über Mitteleuropa noch von tiefem Luftdruck beeinflusst wurde, gelangte rückseitig des dazugehörigen Langwellentroges zunehmend hohes Geopotential (Referenzniveau für die Höhe einer Luftsäule) in Richtung Golf von Biskaya. Gestützt wurde dieser Prozess durch Advektion (Heranführen) von Luftmassen auf der Vorderseite weiterer Tiefdruckgebiete über dem Nordatlantik. Zunehmend absinkende Luftmassen aus der oberen Atmosphäre, welche sich dabei erwärmten und austrockneten, ließen den Druck im Einflussgebiet allmählich ansteigen. So wurde der Bereich am 26.05.2021 von den Meteorologen der BWK (Berliner Wetterkarte) als Ableger des Azorenhochs in der Prognose für den 27.05.2021 auf den Namen WALTRAUD getauft. Auf dem Satellitenfilm ist das zunehmend wolkenarme Gebiet vor der Küste Westeuropas gut zu erkennen.

 

Am 27.05. hatten sich die Wolken über Frankreich weitgehend aufgelöst, und zwischen einzelnen lockeren Quellwolken schien verbreitet die Sonne. Die Temperaturen kletterten vielerorts bereits über die 20°C-Marke, und so wurde in Südfrankreich, rund um Toulouse, sowie an der Côte-d’Azur bereits ein Sommertag (>25°C) registriert.

Im weiteren Verlauf weitete sich der Keil nordwärts aus und griff am 28.05. auf die Benelux-Länder, Teile Westdeutschlands sowie die Britischen Inseln über. Dabei verband sich das Hoch WALTRAUD mit hohem Geopotential über dem Europäischen Nordmeer und bildete zunehmend eine Geopotentialbrücke aus. Großräumiges Absinken der Luftmassen ließ den Druck verbreitet auf 1025 hPa ansteigen.

So festigte das Hochdruckgebiet über den 29.05. hinweg seine Position in Nordwest- und Mitteleuropa, wobei es ostseitig von einer Okklusionsfront über Polen und Tschechien begrenzt wurde, an deren Südseite es die Warmluft über Italien weiterhin schwer gegen den Höhenkaltlufttrog über dem östlichen Mitteleuropa hatte. Nordwestdeutschland gelangte zunehmend unter Hochdruckeinfluss, wobei sich hier ausgangs der Nacht durch verstärktes Absinken eine Hochnebeldecke an einer Inversion (Temperaturumkehr) ausbilden konnte, welche das Temperaturniveau, wie beispielsweise in Bremen mit 13°C, vorerst noch niedrig hielt. In den Südskanden hingegen machte sich der antizyklonale Einfluss bereits deutlich bemerkbar, sodass mit leichtem Föhneffekt in einigen Orten ein Sommertag registriert werden konnte. An der Station Nesbyen-Todokk war es mit knapp 28°C am wärmsten.

Unter Verstärkung des Höhenhochs über Südskandinavien wurde am 30.05. in Nesbyen-Todokk mit 30°C sogar ein Heißer Tag registriert. Auch in weiten Teilen Schwedens brachte das Hoch jetzt frühsommerliche Temperaturen von über 25°C. Mit weiterer Expansion nach Osten hielten in Deutschland zwar mäßig warme Temperaturen um die 20°C Einzug, jedoch sanken verbreitet auch unter sternenklarem Himmel die Tiefstwerte in der Nacht. In Bremen wurden am frühen Morgen nur 2°C registriert. 5 cm über dem Boden meldeten Stationen in derselben Region sowie in Ostdeutschland, wie beispielsweise in Klettwitz mit -2°C, sogar leichten Bodenfrost. Bodenfröste sind im Übrigen Anfang Juni im Zuge der sogenannten Schafskälte noch möglich, wenn auch sehr selten.

 

Bis zum 31.05. blieb Hoch WALTRAUD fast stationär über der Nordsee vor den Britischen Inseln liegen. Dabei wurde das Hoch von tiefem Luftdruck einerseits über Osteuropa und andererseits über dem Atlantik flankiert, was einem Strömungsmuster in Omega-Form gleicht. Diese blockierende Konstellation sorgt oft für das Einfahren einer Wetterlage, welche über mehrere Tage anhalten kann. Erst nachdem sich der schmale Kaltlufttrog über Osteuropa abschwächte, konnte Hoch WALTRAUD allmählich weiter Richtung Osten vorstoßen.

 

Bis zum 02.06. war das Zentrum des Hochs auf der Bodenwetterkarte von 00 UTC (02 Uhr MESZ) nach Schweden gewandert, wobei sich südlich davon ein Kaltlufttropfen (Tiefdruckgebiet in der Höhe) abspaltete, welcher südseitig westwärts geführt wurde und Polen sowie Nordostdeutschland wiederrum teils unbeständiges Wetter in Form von einzelnen Schauern bescherte. Dazu stieg der Druck im Zentrum von WALTRAUD nochmal um 5 hPa auf 1030 hPa an. Trotz einzelner Schauer und Gewitter, welche sich mit einhergehender Labilisierung in der Höhe mit Schwerpunkt in der Lausitz bildeten, konnte man WALTRAUD einen soliden meteorologischen Sommerbeginn (01. Juni) für weite Teile Deutschlands zuschreiben. Abseits der Kaltluftadvektion (Heranführen einer kälteren Luftmasse an einem festen Ort) in Vorpommern (MV), wurde deutschlandweit an vielen Stationen mit Erreichen der 25°C-Marke ein Sommertag registriert. Auch am Flughafen BER konnte ein Sommertag verzeichnet werden. An der Station in Dahlem konnte man gegen Abend gleichzeitig noch die Gewitter über Südbrandenburg beobachten, welche sich aufgrund der etwas feuchteren Luftmasse vor Ort ausbilden konnten. Ansonsten ging der Tag hier mit über 11 Sonnenstunden ziemlich frühsommerlich zu Ende.

 

Zum 03.06. hin war der Kaltlufttropfen zur Nordsee gewandert und verlor seine Wetterwirksamkeit auf Deutschland. Unterdessen hatte sich Hoch WALTRAUD über Finnland breit gemacht. Das führte zu sommerlichen Temperaturen in Ostskandinavien. Unter Hochdruckeinfluss stand die jetzt zunehmend schwächelnde Höhenkaltluft über Osteuropa einem sich über dem Atlantik neu intensivierenden Trog gegenüber, welcher jedoch aufgrund der allgemein schwachen Atmosphärenströmung nur langsam in Richtung Europa vordringen konnte. Das bedeutete für Deutschland, in einem windschwachen Keil (Randableger eines Hochs) gelegen, eine Südwestströmung vorderseitig des Trogs. Dadurch flossen feuchtwarme subtropische Luftmassen, die das Gewitterrisiko für weite Teile des Landes ansteigen ließen, ein. Dabei bildeten sich in den Folgetagen fast landesweit immer wieder Gewittercluster aus, die lokal unwetterartigen Starkregen und teils ortsfeste Überschwemmungen brachten. Nur der äußere Nordosten blieb davon in trockenerer Ostströmung verschont.

Dem gegenüber drückte der Sommer an der West- und Nordflanke des Hochs nochmal auf die Tube, wo bis in die Polarkreisregionen Skandinaviens und Kareliens Maxima von über 25°C registriert wurden. An der finnischen Nordgrenze meldeten die Stationen Utsjoki-Nuorgam und Utsjoki- Kevo mit 29,4°C bzw. 29,2°C Werte im Rekordbereich.

 

Am 06.06.2021 tauchte das Hochdruckgebiet WALTRAUD letztmalig namentlich auf der 00 UTC Bodenwetterkarte der BWK etwa südöstlich von Perm auf. So verlor es mit Vordringen polarer Luftmassen zunehmend an Struktur, sodass nur noch einzelne lokale Hochdruckmaxima erkennbar waren. Daraufhin löste sich das Wettersystem über dem Norden Russlands auf. Über Mitteleuropa stellte sich zwischenzeitlich mit zyklonalem Einfluss in Form einer Tiefdruckrinne ein unbeständigerer Witterungsabschnitt ein. Jedoch sorgte Hochdruckgebiet XENIA, welches an gleicher Stelle wie Hoch WALTRAUD Einfluss auf das Wetter in Europa gewann, dort bald wieder für ruhiges und sommerliches Wetter. Das schaffte gute Bedingungen für die Beobachtung der partiellen Sonnenfinsternis am 10.06.2021.