Lebensgeschichte
Hochdruckgebiet
XENIA
(getauft
am 05.06.2021)
Das Wetter über Mitteleuropa
wird im Allgemeinen durch zwei typische Druckgebiete geprägt, die nach ihrer
durchschnittlichen Lage benannt sind: das Azorenhoch und das Islandtief. Diese
Druckgebiete verlagern sich durch Energietransfer von großräumigen Wellenströmen
in der oberen Atmosphäre, den sogenannten Rossbywellen,
meist von West nach Ost über den Kontinent. Am 4. Juni 2021 war die
Konstellation derart, dass ein relativ kräftiges Tief mit knapp 990 hPa
südwestlich von Island lag, von dem aus sich eine Okklusionsfront südwärts bis
vor die Küste Nordspaniens erstreckte. Das Azorenhoch lag mit rund 1030 hPa
sehr großflächig über dem ihm zugehörigen Archipel. In den 24 Stunden bis zur
folgenden Wetterkarte von 02 Uhr MESZ am 5. Juni wurde durch die beschriebene
Okklusion bzw. die ihr angeschlossene Warmfront ein Bereich des Azorenhochs
abgetrennt und quasi über den Golf von Biskaya geschoben. Es war somit für
Mitteleuropa relevant und wurde auf den Namen XENIA getauft.
An diesem 5. Juni waren
hauptsächlich der Westen Frankreichs und der Norden Spaniens von dem
Hochdruckgebiet XENIA „betroffen“. Zwischen Vigo und Le Mans wurden fast
durchgängig 13 bis 14 Stunden Sonnenschein registriert. In Frankreich war dabei
die Temperatur durch die noch kühle Luftmasse, die erst kürzlich vom offenen
Ozean gekommen war, auf rund 20°C begrenzt. In Nordspanien war die Luft schon
länger über Land und deswegen schon vorgewärmt; hier wurden örtlich Heiße Tage
registriert, sprich eine Maximaltemperatur von mehr als 30°C. Nach Norden
erstreckte sich zudem Hochdruckeinfluss auf grob das zentrale Drittel der
Britischen Inseln. Auch hier kam es zu sommerlichem Wetter.
Am 6. Juni lag das Zentrum von
Hoch XENIA etwas weiter nördlich, nahe dem Ärmelkanal (immer noch auf der
französischen Seite). Der Wirkungsbereich war zwischen einer schwächelnden
Front über Großbritannien und einer der Tiefdruckrinne PETER über Deutschland
recht eng begrenzt, aber immerhin gab es durch das Hoch 12 Stunden Sonnenschein
in Trappes bei Frankreich und im Westen Belgiens und der Niederlande bei
örtlich durchgehend wolkenlosem Himmel über 15 Stunden. Die Temperaturmaxima
lagen dabei abseits der Küste bei 20 bis 25°C.
An dieser Situation änderte
sich am 7. Juni nicht viel. Über Süddeutschland und dem Alpenraum kam es zu
anhaltenden und teils unwetterartigen Niederschlägen, westlich davon befand
sich das Zentrum des Hochs XENIA über dem Ärmelkanal und sorgte in
Nordfrankreich, Belgien, den Niederlanden und Südostengland für sommerliches
Wetter. Im Vergleich zum Vortag war es etwas wärmer und in Frankreich, zum
Beispiel in Nantes und Le Mans stieg die Temperatur auch auf etwas über 25°C.
Zum Zeitpunkt der
Bodenwetterkarte vom 8. Juni, also um 02 Uhr MESZ an diesem Tag, hatten sich
vorübergehend zwei Hochdruckzentren, XENIA I und XENIA II, gebildet, die über
der Nordsee und dem westlichen Ärmelkanal respektive mit jeweils knapp über 1025
hPa lagen. Diese wurden auch 12 Stunden später noch so analysiert. Insgesamt
gab es eine Ausdehnung des Hochdruckeinflusses auf weite Teile Englands und im
Laufe der zweiten Tageshälfte auch auf Deutschland. In den Niederlanden schien erneut
örtlich 15 Stunden die Sonne, im Berliner Raum etwa 14 Stunden; dazwischen gab
es noch örtliche Schauer, deren Wolken durch Ausbreitung in höheren
Atmosphärenschichten grob dem zentralen Drittel Deutschlands mehr als 4 Stunden
Sonnenschein verwehrten.
Auf
der Bodenwetterkarte des 9. Juni war für Hoch XENIA wieder nur ein einzelnes
Zentrum zu sehen. Von hohem Druck betroffen war nun der Bereich zwischen
Südschweden, Nordpolen und Zentralengland. Über Süddeutschland hielt sich wegen
der stationären Wetterlage weiterhin die labile Luftmasse, wenn auch unter
Verkleinerung der betroffenen Fläche, weswegen langsam ziehende Schauer trotz
hohen Druckes durchaus Niederschlagssummen im zweistelligen Bereich (in Litern
pro Quadratmeter pro Stunde) produzierten. Beispielsweise zeichneten die
Messgeräte an den Stationen Jetzendorf bei München,
Aschau-Stein und Enzklösterle innerhalb von 12 Stunden bis 20 Uhr MESZ 45,8 mm,
49,3 mm und 40,9 mm Regen auf, wobei der Löwenanteil des Niederschlags jeweils
in ein bis zwei Stunden fiel.
Am
10. Juni lag Hoch XENIA – Sie ahnten es – über den Niederlanden. Der
Zentrumsdruck war in den letzten 48 Stunden um etwa 2 hPa pro Tag gesunken und
lag nun bei rund 1022 hPa. Mit Blick auf die Großwetterlage kam endlich etwas
Bewegung in die Sache, da sich von Nordwesten ein Trog (quasi ein
Tiefdruckgebiet, aber in einer Fläche deutlich oberhalb der Erdoberfläche
betrachtet) näherte und so eine Verlagerung der bodennahen Druckgebilde
Richtung Osten vorantrieb. Nachdem die Temperaturen am Vortag schon in Norddeutschland
meist im Bereich von 25 bis knapp unter 30°C lagen, war heute auch im Süden
wärmere Luft zu finden. Am bemerkbarsten war das in der Schweiz, wo sich zum
Beispiel die Luzerner Maximaltemperatur von 22,2°C auf 25,6°C erhöhte.
Am
11. Juni sorgte Hoch XENIA zum ersten Mal für einen Hitzetag auf
bundesdeutschem Staatsgebiet, sprich die Temperatur von 30°C wurde an einer
Handvoll Stationen überschritten, darunter Lübben, Waghäusel-Kirrlach, Bad
Kreuznach und Riegel am Kaiserstuhl. Mehr waren es auch nicht. Die Sonne schien
neben sommerlichen Cumuluswolken weitestgehend
ungestört, aufgrund der zeitlichen Nähe zum astronomischen Höchststand auch mal
bis zu 14 Stunden lang. Regenschauer gab es weiterhin, aber nur vereinzelt
durch orographische Auslöse in Mittel- und Hochgebirgen (also durch
Wolkenbildung an Bergen, bis Regen rausfällt). In der Nacht auf den 12. Juni
traf die Kaltfront von Tief QUINO auf die deutsche Nordseeküste und drückte
damit das bereits schwächelnde Hoch XENIA in Richtung Alpen, wo es sich bereits
vor der Mittagswetterkarte auflöste.
Hoch
XENIA war mit 8 Tagen für ein Hochdruckgebiet durchschnittlich lange auf der
Berliner Wetterkarte zu sehen; da es sich aber nur von der Biskaya über den
Ärmelkanal und die Niederlande bis zum Alpenraum bewegt hatte, bescherte es
einem relativ eng begrenzten Raum einige aufeinanderfolgende Sonnentage. Andere
Orte, die, wenn man nur den Luftdruck betrachtet, eigentlich unter
Hochdruckeinfluss gestanden haben sollten, bekamen zeitgleich aufgrund von konvergenten
Windströmungen und einer labilen Luftschichtung teils kräftige Regenschauer zu
spüren, womit der schlussendlich zu nasse Sommer 2021 regional einen Anfang
nahm.