Lebensgeschichte

 

Hochdruckgebiet ZORRO

(getauft am 08.06.2018)

 

Bei der Großwetterlage Anfang Juni fiel ein bestimmtes Detail ins Auge: Bereits seit mehreren Wochen lag die planetarische Frontalzone ungewöhnlich weit nach Norden verschoben, weit außerhalb von Mitteleuropa. Die planetarische Frontalzone ist der Bereich der Westwindlage in den mittleren Breiten der Erde. Dort trifft also kalte Polarluft auf Warmluft aus Richtung des Äquators. Als Druckausgleich dient der sogenannte Gradientwind, welcher auf der Nordhalbkugel nach rechts und auf der Südhalbkugel nach links abgelenkt wird. Auf diese Weise entsteht der Westwind. Normalerweise befindet sich die planetarische Frontalzone jeweils auf der Nord- und auf der Südhalbkugel zwischen dem 35. und 65. Breitengrad. In diesem Fall befand sie sich am obersten Rand des 65. Breitengrades, was bedeutete, dass sie von Nordskandinavien bis nach Russland durch den Vorstoß mehrerer, mit hochreichender Kaltluft angereicherter Tröge für diese Jahreszeit ungewöhnlich kühle Lufttemperaturen sorgte.

Ein Trog wird in der Meteorologie als ein Gebilde tiefen Luftdrucks am Boden bezeichnet. Er liegt zumeist auf der Rückseite einer Kaltfront, wenn die polare Kaltluft in einem alternden Tiefdruckgebiet weit nach Süden vorstößt. Ein Trog wird beispielsweise in der Bodenanalyse der Berliner Wetterkarte anhand einer Ausbuchtung der Isobaren – Linien gleichen Luftdrucks – eines Tiefs erkannt. Die Isobaren beulen sich vom Tiefzentrum nach außen hin aus und haben im Bereich der Trogachse die stärkste Krümmung. Dort kommt es durch die Stauung von Luftmassen verstärkt zu Schauern, stürmischem Wind und Gewittern. In unseren Breiten etablierten sich dagegen warme bis heiße Luftmassen aus den südlichen Regionen.

Am 8. Juni konnte mit der Verlagerung eines dieser Höhentröge Richtung Westrussland auf der Rückseite des Troges durch absinkende Luftmassen der Luftdruck am Boden ansteigen und somit am Abend ein Hochdruckgebiet über den Baltischen Staaten hervorbringen. Aufgrund dessen, dass sich das Hoch erst am Abend ausbilden konnte, trat es auf der Berliner Wetterkarte erstmalig am 9. Juni um 00 Uhr UTC, also 01 Uhr MEZ auf. Allerdings wurde es bereits am 8. Juni von der Berliner Wetterkarte in der Prognose auf den Namen ZORRO getauft.

Hoch ZORRO befand sich zum Mitternachtstermin des 9. Juni mit Zentrum in der Nähe von Tallinn mit einem Luftdruck von knapp 1019 hPa. Flankiert wurde das Hoch von zwei Tiefdruckgebieten westlich und östlich davon, welche durch eine Kaltfront verbunden waren. Daher konnte man zu diesem Zeitpunkt Hoch ZORRO als Zwischenhoch bezeichnen. Zwischenhochs, auch Zwischenhochkeile genannt, schieben sich wie der Name schon sagt wie ein Keil zwischen zwei Tiefdruckgebiete und sorgen dort für eine kurze Wetterberuhigung. In diesem Fall sind jedoch die umgebenen Tiefdruckgebiete und deren Fronten kaum noch wetterwirksam gewesen und lösten sich im Tagesverlauf zum Teil auf, sodass Hoch ZORRO nur von kurzer Dauer als Zwischenhoch eingestuft werden konnte.

Bereits am 8. Juni wurden besonders dem Nordosten Deutschlands Tageshöchstwerte von bis zu 32°C beschert. Dort konnte sich die aus Osten von Hoch YOUENN über Osteuropa herangeführte trockene Subtropikluft etablieren.  Währenddessen sorgte Tief XISCA über Süddeutschland in warmer feuchter Luft für gebietsweise zweistellige Niederschlagssummen. Nicht viel anders sah die Lage am 9. Juni in Deutschland aus: Hoch YOUENN verlagerte sich zwar weiter zum Schwarzen Meer, dafür gewann Hoch ZORRO durch seine Lage über dem Baltikum an Einfluss auf Deutschland. Durch die Drehung der beiden Antizyklonen im Uhrzeigersinn wurde weiterhin sehr warme Luft nach Deutschland transportiert. Über der Südhälfte setzte Tief XISCA seinen Einfluss in Form von teils kräftigen Gewittern und Regengüssen fort. Im Gegensatz zu den letzten Tagen gab es an diesem Tag auch im Südosten Brandenburgs am Abend mitunter stark ausgeprägte Gewitterzellen mit Hagelgrößen zwischen 2 bis 4 cm. Bis 18 Uhr UTC fiel in Cottbus innerhalb einer Stunde die enorme Niederschlagssumme von 51,6 mm. Mit dem Schauer und Gewitter einhergehend gab es einen deutlichen Temperaturrückgang in eineinhalb Stunden von 30,9°C auf 19°C. Dagegen blieb es im Berliner Raum weiterhin trocken und hochsommerlich warm. Da auch an diesem Tag die Höchstwerte wieder über 30°C in ganz Berlin und auch in Potsdam lagen, konnte bereits der zweite Tag in Folge ein Heißer Sommertag, definiert als ein Tag über 30°C, verbucht werden. In Berlin-Dahlem wurde bereits an diesem Tag mit bisher 8 Heißen Tagen in 2018 der Normalwert im klimatologischen Mittel 1961 bis 1990 erreicht. Normalerweise hätte sich in den Folgetagen die Schafskälte einstellen müssen. Sie tritt mit einer Wahrscheinlichkeit von 89% um den 11. Juni auf. Bei diesem jährlich auftretenden Wetterphänomen kommt es zu einem deutlichen Temperaturrückgang um bis zu 10 Grad. Grund dafür ist die unterschiedlich schnelle Erwärmung von Land- und Wassermassen. Während sich das Land bereits stark erwärmt hat, sind die Meere noch relativ kühl. Wenn dann durch ein Tiefdruckgebiet über Europa die Strömung auf Nordwest dreht, können polare Luftmassen zu uns gelangen. Schwache Druckgradienten verhinderten jedoch zu diesem Zeitpunkt einen kräftigen Kaltluftvorstoß und damit das Eintreten der Schafskälte.

In ganz Deutschland konnten die Maxima den nordöstlichen Bundesländern zugeordnet werden. Ironischerweise wies die Station in Berlin-Eiskeller mit 33,4°C neben dem Ort Demker in Sachsen-Anhalt und Delitzsch in Sachsen die höchste Temperatur des Tages auf. Die starke Erwärmung war nicht nur auf den Transport der warmen Luftmassen aus Osten, sondern auch auf die Sonnenscheinanteile zurückzuführen. Die meisten Sonnenstunden wurden in Mecklenburg-Vorpommern und in Brandenburg sowie in Berlin registriert. Dabei war Rügen mit 16 Sonnenstunden die sonnenscheinreichste Region in Deutschland und erreichte damit das Maximum für diese Jahreszeit möglicher Sonnenscheindauer. Auch nahezu im gesamten Norden Polens sowie in den Baltischen Staaten gab es durch den Einfluss von Hoch ZORRO ungestörten Sonnenschein von früh bis spät mit Maximalwerten von 16 Stunden. In Polen konnte an einigen Orten wie z.B. in Krakau die 30 Grad-Marke überschritten werden. Dagegen strömten in den Norden der Baltischen Staaten maritime arktische Luftmassen aus dem Norden aufgrund der Drehrichtungen von Hoch ZORRO und einem unbenannten Tief über Nordrussland. Daher fielen die Höchstwerte mit beispielsweise 17,5°C in Tallinn im Vergleich nicht so hoch aus.

Auch am 10. Juni änderte sich an der Großwetterlage nur wenig. Hoch ZORRO kam nur unwesentlich nach Osten voran und reichte in der West-Ost-Ausdehnung von Gotland über die Baltischen Staaten bis in etwa zur russischen Stadt südöstlich von Moskau namens Saratow und in der Nord-Süd-Ausdehnung von Sankt Petersburg bis zur Nordgrenze der Ukraine. Der Luftdruck im Zentrum war im Vergleich zum Vortag leicht gesunken und lag um 00 Uhr UTC bei ca. 1017 hPa. Der Einfluss des Hochs auf Deutschland wurde nun zunehmend geringer. Zwar wurden auch noch am 10. Juni mit östlicher Strömung kontinentale subtropische Luftmassen zu uns transportiert, die erneut in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin/Brandenburg für einen Temperaturanstieg über 30°C sorgten, jedoch breitete sich nun Tief XISCA auch über Nordostdeutschland aus und brachte dort gebietsweise größere Regenmengen. Wie örtlich begrenzt Gewitter und Schauer auftraten, kann man gut an den Regenmengen feststellen. So gab es in Berlin-Dahlem am Rand von Schauern nur ein paar Tropfen und eine Niederschlagssumme von 0,1 mm, während rundherum 6-stündige Regenmengen von 4 bis 9 mm bis 18 Uhr UTC gemessen wurden. In Berlin-Tegel kamen beispielsweise 7 mm zusammen. Durch die bereits erwähnten warmen Luftmassen konnte die Temperatur trotzdem auf teilweise über 32°C wie in Berlin-Kreuzberg ansteigen. Auch die FU-Wetterstation in Berlin-Dahlem meldete 30,5°C. Damit konnte in Dahlem bereits der 3. Heiße Tag in Folge vermerkt werden. Auch die Sonnenscheinanteile waren durch die Schauer längst nicht mehr so hoch wie am Vortag: In Berlin schien die Sonne zwischen 3 und 7 Stunden. Je mehr man sich jedoch Richtung Zentrum des Hochs ZORRO näherte, umso mehr nahmen die Sonnenscheinanteile und das trockene Wetter zu. Zum Beispiel schien entlang der polnischen Ostseeküste die Sonne in Koszalin 11 Stunden, während im weiter östlich und demnach näher am Zentrum von Hoch ZORRO gelegenen Danzig bereits 14 Sonnenstunden vermeldet wurden. Mit der warmen Ostströmung stiegen auch in Polen die Tageshöchsttemperaturen auf 28 bis 31 Grad, nur an der See war es teils etwas kühler wie z.B. in Ustka mit knapp 21°C. Mit der östlichen Verlagerung von Hoch ZORRO gerieten auch die Baltischen Staaten, insbesondere Estland, welches vorher unter dem Einfluss maritimer Arktikluft stand in den Bereich einer etwas wärmeren Luftmasse. Somit konnte beispielsweise die Wetterstation in Tallinn eine Erwärmung von 4,2 Grad im Vergleich zum Vortag vermelden. Auch Südskandinavien befand sich unter Einfluss von Hoch ZORRO. Seit Tagen fand man vielerorts Temperaturen über 25°C, teils auch die 30°C erreichend. Im Tagesverlauf konnte sich die Luft in Uppsala auf knapp über 30°C erwärmen.

Bis zum Folgetag verlagerte sich Hoch ZORRO weiter nach Osten, sodass das Zentrum auf der Berliner Wetterkarte um 00 Uhr UTC zwischen Moskau und Wolgograd lag. Dabei schwächte sich die Antizyklone weiter ab und der Luftdruck lag nur noch bei ca. 1014 hPa. Mit der Verlagerung von Hoch ZORRO konnten Tiefdruckgebiete aus Westen weiter östlich vorankommen und somit die extreme Trockenheit und die sehr hohen Temperaturen in Südschweden teilweise beenden. Im Bereich des Hochdruckzentrums herrschten subpolare und erwärmte subpolare Luftmassen. So konnten beispielsweise in Sankt Petersburg 26°C gemessen werden, während sich hingegen in Moskau die Luft nur auf 21°C und weiter östlich in Vladimir auf 17°C erwärmte.

Am 12. Juni verlor dann Hoch ZORRO mit seiner weiteren östlichen Verlagerung nach Russland zunehmend an Einfluss auf Europa. Der Luftdruck blieb mit knapp 1014 hPa recht konstant. In Wolgograd konnten die Temperaturen bei freundlichem Wetter auf 24°C ansteigen und am nordöstlichen Schwarzen Meer sogar auf 30°C.

Zum Folgetag drangen die Tiefdruckgebiete weiter ostwärts vor und drängten daher Hoch ZORRO von der Bildfläche der Berliner Wetterkarte. Somit konnte das Hoch am 12. Juni das letzte Mal auf der Berliner Wetterkarte lokalisiert werden. Im Folgenden führte es noch dazu, dass zu Beginn der Fußballweltmeisterschaft sonnenscheinreiches und teils recht heißes Sommerwetter vorherrschte.