Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet AEGIDIUS

(getauft am 23.04.2021)

 

Am 22. April 2021 brachte Sturmtief ZOHAN über der Ostsee, das den Höhepunkt seiner Entwicklung mittlerweile überschritten hatte und sich nun weiter auffüllte, weiterhin ausgiebige Niederschläge - oftmals in Form von Schnee - nach Schweden. Die Kaltfront des Tiefdruckwirbels brachte auch in den Staulagen der Alpen noch hohe Schauerniederschläge, während sich Deutschland ansonsten im Einflussbereich des Nordseehochs RENATE befand. Entlang eben dieser Kaltfront bildete sich im Verlauf des 23.04. eine Wellenstörung aus, für dessen weitere Entwicklung eine steuernde Rolle für Mitteleuropa und damit auch die Beeinflussung des dortigen Wettergeschehens prognostiziert wurde. Aus diesem Grund entschieden sich die Meteorologen der Berliner Wetterkarte (BWK) dieses Wellentief am 23. April in der Prognose für den darauffolgenden Tag auf den Namen AEGIDIUS, unter dem das Tief auch im Weiteren in Wetterkarten und -berichten geführt wurde, zu taufen.

Deutschland lag derweil im Einflussbereich von Hoch RENATE mit einem Zentrumsdruck von 1025 hPa, das im Tagesverlauf von dem aus Norden herannahenden und stärker ausgeprägten Hoch SANDRA mit 1030 hPa im Kern aufgenommen wurde. Im Hochdruckeinfluss hielt das freundliche Wetter in Deutschland mit bis zu 13 Stunden Sonnenschein weiter an. Ausnahme dazu bildeten Brandenburg und Sachsen, wo die Sonnenscheindauer aufgrund langanhaltender Bewölkung nur um die 5 Stunden betrug. Die Temperaturen in Deutschland stiegen hierbei auf Werte zwischen 14°C bis 17°C.

Auf der 02 Uhr MESZ Bodenwetterkarte des 24.4. der BWK lag das Wellentief AEGIDIUS, welches weiterhin mit dem noch steuernden Tief ZOHAN verbunden war, mit seinem Kern nahe Moskau, wo es bis 08 Uhr MESZ 24-stündig 19 mm Regen brachte. Ähnliche Mengen gab es in Kasira mit 17,5 mm und in Tula mit sogar 23 mm Niederschlag im gleichen Zeitraum. West-, Mitteleuropa und Teile Nordeuropas lagen zu diesem Zeitpunkt im Einflussbereich von Hoch SANDRA über der Nordsee, welches sonniges Wetter mit sich brachte. Durch die Drehrichtung auf der Nordhalbkugel von Hochdruckgebieten im Uhrzeigersinn und von Tiefdruckgebieten gegen den Uhrzeigersinn gelangte zwischen Hoch SANDRA und Tief AEGIDIUS maritime Luft arktischen Ursprungs nach Süden. Während also die Maximaltemperaturen des Tages in der Nordhälfte Deutschlands um die 11°C bis 13°C lagen, erreichten sie im Süden in einer wärmeren Luftmasse (xP = Subpolarluft) höhere Werte. Dort meldeten die meisten Stationen über 15°C, im Baden-Württembergischen Riegel konnte mit 22,5°C die höchste Temperatur an diesem Tag und somit ein warmer Tag (Höchstwerte über 20°C) registriert werden.

Bis zum Morgen des 25.4. zog Tief AEGIDIUS weiter nach Norden und nahm dabei Tief ZOHAN in sich auf, übernahm also dessen steuernde Rolle zusammen mit dem sich zu den Britischen Inseln verlagernden Hochdruckgebiet SANDRA. Für Deutschland bedeutete das eine Fortsetzung des zwar freundlichen, aber zu kühlen Hochdruckwetters. Um 02 Uhr MESZ lag Zyklone AEGIDIUS nordöstlich von Sankt Petersburg mit einem Kerndruck, der sich von 1010 auf 1000 hPa verstärkt hatte. Die Kaltfront des Tiefs erstreckte sich vom Zentrum aus geschwungen in östliche Richtung, während die Warmfront vom Zentrum aus zunächst in nordwestliche Richtung verlief und dann vor Murmansk nach Nord-Nordost abbog. Insbesondere im Bereich nordöstlich des Kerns fiel an diesem Tag noch Niederschlag. Derweil stiegen die Temperaturen im Südwesten Deutschlands und Europas, die weiter im Einflussgebiet des Hochs SANDRA lagen, insgesamt an, teilweise sogar in den frühsommerlichen Bereich. So meldete beispielsweise Wutöschingen-Ofteringen in Baden-Württemberg eine Maximaltemperatur von fast 21°C, während Persico Dosimo in Norditalien mit 27,5°C die wärmsten Temperaturen maß. Sogar in Kepico in der Oblast Archangelsk in Russland wurden an diesem Tag fast 16°C gemeldet, hingegen blieb es in Kasteli auf Kreta in Griechenland mit nur etwas mehr als 14°C verhältnismäßig kühl.

Im Verlaufe der weiteren Tage zog Zyklone AEGIDIUS unter steter Abschwächung sowie einem fortschreitenden des Prozesses der Okklusion weiter nordwärts. Zuletzt tauchte das Tief am 28.4. am nordöstlichen Rand des Kartenausschnitts der Berliner Wetterkarte auf, bevor es anschließend aus dessen Analysebereich entschwand. In seinen letzten Tagen war das Tief nur wenig wetterwirksam; nur am 26.4. kam es in Nordrussland unterhalb des Kerns des Wirbels noch zu leichten Niederschlagsereignissen. In Deutschland stiegen derweil die Temperaturen im Südwesten vereinzelt in den frühsommerlichen Bereich, während es in der Nordhälfte des Landes weiterhin verhältnismäßig kühl blieb, woran nicht zuletzt durch die anhaltende Zufuhr von arktischer Kaltluft Tief AEGIDIUS ganz unschuldig war. Insbesondere in den Nächten kam es im gesamten Bundesgebiet verteilt noch zu Frost, auf der Zugspitze herrschte mit Temperaturen um die −4°C sogar Dauerfrost. Auch der Erdboden kühlte soweit aus, dass beispielsweise an den Brandenburger Stationen Klettwitz und Zehdenick bei einem Erdbodenminimum von unter -10°C noch strenger Frost beobachtet wurde – für Ende April äußerst ungewöhnlich.