Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet
ALEXANDER
(getauft
am 02.01.2015)
Zu Beginn des Jahres 2015 war die
Großwetterlage über dem atlantisch-europäischen Raum gerade im Umbruch. So
begann sich die Höhenströmung über dem Atlantik, zwischen den gemäßigten und subtropischen
Breiten zu zonalisieren, wodurch die Tiefdruckaktivität über dem Europäischen
Kontinent in der ersten Januarhälfte spürbar auflebte und einen wechselhaft
windigen, aber recht milden Witterungsabschnitt einleitete.
Nördlich der Frontalzone, also im
Übergangsbereich zwischen subpolaren zu subtropischen Luftmassen, befand sich
ein breiter, mit Kaltluft gefüllter Langwellentrog, der vom
arktisch-kanadischen Raum über den nördlichen Atlantik bis zum Europäischen
Nordmeer reichte. Ein Trog bezeichnet dabei einen Vorstoß relativ kalter
Luftmassen nach Süden. Auf dessen Vorderseite kam es im Verlaufe des
Neujahrstages über dem Westatlantik und mehr als tausend Kilometer südlich von
Neufundland zu einer Zyklogenese.
Das hieraus entstandene Tief wurde am 02.
Januar um 01 Uhr MEZ erstmalig im Ausschnitt der Berliner Wetterkarte etwa 1200
km westlich der Azoren mit einem Kerndruck von knapp unter 1010 hPa analysiert.
Dabei waren bereits die für ein Tief typischen Fronten, also eine sich vom
Zentrum aus in östliche Richtungen erstreckende Warmfront sowie eine westwärts
gerichtete Kaltfront vorhanden. Aufgrund der kräftigen Höhenströmung sollte das
Tief schon bald Einfluss auf das Wetter in West- und Mitteleuropa nehmen und
wurde noch am 02. Januar auf den Namen ALEXANDER getauft.
Bereits in den Nachmittags- und
Abendstunden erfasste die Warmfrontbewölkung von Westen her die Britischen
Inseln, zum Tagesende setzte über Irland leichter Regen ein, der in der Nacht
auch Wales und England erfasste. Bis zum darauf folgenden Morgen um 07 Uhr MEZ fielen
hier ca. 6 bis 10 l/m² Regen.
Zu diesem Zeitpunkt befand sich das Tief
ALEXANDER mit seinem Kern noch mehrere Hundert Kilometer westlich der Irischen
Küste. Vom Zentrum mit einem Druck von etwas unter 1015 hPa ausgehend erstreckte
sich die Warmfront nach Südosten bis zur Biskaya, die Kaltfront reichte hingegen
südwestwärts bis knapp nördlich der Azoren. Begünstigt durch die kräftigen
Winde in der mittleren und oberen Troposphäre verlagerte sich das Tief mitsamt
seiner Ausläufer in den folgenden Stunden rasch über den Süden Irlands und
Südengland hinweg nach Belgien und Luxemburg, weiter über die Südhälfte
Deutschlands und bis zum Tagesende nach Österreich. Aufgrund der hohen
Zuggeschwindigkeit kam es zu keiner weiteren Verstärkung bzw. Vertiefung der
Zyklone.
Bereits in den Vormittagsstunden des 03.
Januars erfasste das umfangreiche Niederschlagsgebiet von den Britischen Inseln
aus die Benelux-Länder sowie die Westhälfte Deutschlands und breitete sich
rasch weiter südostwärts nach Süddeutschland bis zum Alpenraum hin aus. Dabei
kam es vor allem entlang der Zugbahn des Tiefdruckkerns in einem wenige Hundert
Kilometer breiten Streifen von der Eifel über das Rhein-Main-Gebiet,
Mittelfranken und Niederbayern bis ins Salzburger Land zu ergiebigen
Niederschlägen. Die Mengen betrugen zumeist zwischen 11 und 16 l/m² in 6
Stunden, im Stau von Schwarzwald und Allgäuer Alpen aber auch deutlich darüber
mit beispielsweise gemessenen 31 l/m² in Freudenstadt.
Mit der Zyklone ALEXANDER gelangte
gleichzeitig von Norden her ein Schwall kühlerer, maritimer Subpolarluft nach
Deutschland, wodurch die Niederschläge über der Mitte bis in die Niederungen
zunehmend in Schnee übergingen. Dagegen konnte sich die Kaltluft nach
Süddeutschland zunächst noch nicht durchsetzen, sodass es südlich von Main und
Donau weiterhin bis ins mittlere Bergland regnete. Die Luftmassengrenze zwischen
warmer und kalter Luft war dabei scharf ausgeprägt, wie die Wettermeldungen von
19 Uhr MEZ verdeutlichen. Während es am Frankfurter Flughafen mäßig schneite,
regnete es nur 60 km weiter südlich in Mannheim. Auch die Wetterwarte auf dem
Hohenpeißenberg, immerhin auf 966 m Höhe im Alpenvorland gelegen, registrierte
zu diesem Zeitpunkt mäßigen Regen. Gleichzeitig hatte sich aber die Schneedecke
in Bad Marienberg im Westerwald von 7 cm am Morgen auf 16 cm am Abend erhöht.
Neben den Niederschlägen spielte aber auch
der Wind eine wichtige Rolle. Zwar war das Tief im Bodendruckfeld nur schwach
ausgeprägt und die aufgrund von Luftdruckgegensätzen hervorgerufenen Winde
gering, doch sorgte die rasche Verlagerung der Zyklone für eine gewisse
Instabilität der Atmosphäre, sodass die recht kräftigen Höhenwinde bis in die untere
Troposphäre gelangen konnten. Während in den Vormittagsstunden über dem
Südwesten Englands und ab dem Mittag über der Nordhälfte Frankreichs stürmische
Böen auftraten, legte der Wind ab den späten Nachmittagsstunden auch in der
Südhälfte Deutschlands merklich zu. Stürmisch wurde es dabei aber nur in den
mittleren und hohen Berglagen, vereinzelt wurden auf exponierten Berglagen zum
Abend hin auch orkanartige Böen registriert, wie z.B. in Geislingen/Stötten im
Schwarzwald mit Böen bis 109 km/h, oder auf dem Hohenpeißenberg mit bis zu 119
km/h.
Am 04. Januar um 01 Uhr MEZ wurde das Tief
ALEXANDER mit dem Zentrum bereits über Ungarn analysiert. Den niedrigsten Druck
meldete die Station Nagykanizsa ganz im Westen des
Landes mit 1013,3 hPa. Die Ausläufer des Tiefs erstreckten sich vom Kern
ausgehend in westliche Richtungen als Kaltfront, etwa entlang einer Linie
München–Paris–westlicher Ärmelkanal, nach Südosten hingegen als schwache
Okklusion. Letztere stellte die Verbindung zu einem flachen Tief über der Ägäis
her. Die Kaltfront erreichte in den frühen Morgenstunden den Alpenrand, sodass
die Niederschläge auch hier zunehmend in Schnee übergingen, allerdings auch schnell
an Intensität verloren. Dagegen fielen die Niederschläge über der Schweiz
weiterhin meist als Regen, wobei die Schneefallgrenze hier deutlich über 1000 m
lag. So wurden bis in den Vormittag hinein sechsstündige Regenmengen von
durchschnittlich 5 bis 10 l/m² registriert, in höheren Berglagen sogar bis zu
30 l/m². Bis zum Mittag summierten sich die Niederschläge örtlich auf zweistellige
Werte, wie in Adelboden im Kanton Bern mit 21 l/m² und in exponierten
Berglagen, so wie am Grimselpass, ebenfalls im Kanton
Bern, gar auf bis zu 55 l/m² in 12 Stunden.
Am Nachmittag ließen die Niederschläge über
dem Alpenraum abrupt nach. Parallel dazu schwächte sich auch der Wind spürbar
ab. Ursache für die rasche Wetterberuhigung war ein von Südwesteuropa und
Frankreich her ostwärts vordringender Hochdruckkeil, welcher warme Luftmassen
bis nach Skandinavien vordringen ließ. Dadurch schwächte sich das Tief zügig ab
und löste sich schließlich bis zum Tagesende über dem Westbalkan auf.
Geschrieben am 27.01.2015 von Gregor Pittke
Berliner Wetterkarte: 02.01.2015
Pate: Alexander Haß