Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet ALEXANDER
(getauft am 12.05.2017)
Zu Beginn der zweiten Maidekade
befand sich ein umfangreicher Langwellentrog, d.h. ein Gebiet relativ tiefen
Druckes in etwa 5 km Höhe, über dem Nordatlantik, der ungewöhnlich weit südwärts
bis in subtropische Breiten reichte und ein abgeschlossenes Zentrum über den
Azoren besaß. Durch einen Kaltluftvorstoß aus dem isländisch-grönländischen
Raum kam es bis zum 12.05. zu einer Umstrukturierung des Höhentroges, wobei
sich südlich von Island ein neues Tiefdruckzentrum ausbildete. Gleichzeitig kam
es im Übergangsbereich zwischen südwärts vorstoßender, arktischer Kaltluft und
warmer Meeresluft zu einer Störung im Bodendruckfeld. Die Wellenstörung
ereignete sich wenige Hundert Kilometer nördlich der Azoren und induzierte die
Entstehung eines neuen Tiefdruckgebiets, welches auf den Namen ALEXANDER
getauft wurde.
In den Frühstunden des 13. Mai konnte
Wirbel ALEXANDER bereits als abgeschlossenes Tief mit Zentrum ca. 600 km
westlich von Irland und einem Luftdruck von knapp unter 985 hPa analysiert
werden. Die Ausläufer spannten sich zu diesem Zeitpunkt als Kaltfront im lang
gezogenen Bogen südwest-westwärts über das Seegebiet der Azoren bis zur
Saragossasee, sowie als Warmfront südwärts bis vor die portugiesische Küste auf.
Schließlich stellte eine nordwärts verlaufende Okklusion mit Warmfrontcharakter
die Verbindung zum Zentraltief nahe Island her. Eine Okklusion bezeichnet einen
Frontentyp, der entsteht, wenn die schneller ziehende Kaltfront die Warmfront
einholt und anhebt.
Während die vorgelagerte schwache
Warmfront quasi ohne Wettereinfluss blieb, erfasste die Kaltfront mit
schauerartigen Niederschlägen im Tagesverlauf von Westen her die Britischen
Inseln, wobei durchschnittlich 5 bis 10 l/m² in 12 Stunden gemessen wurden.
Tagsüber regnete es vor allem über Irland und Schottland, wie z.B. in Glasgow,
wo 9 l/m² fielen. In der Nacht verlagerte sich der Regenschwerpunkt Richtung
Wales und England, sodass beispielsweise in Plymouth 7 l/m² gemessen werden
konnten. Ebenfalls noch in der Nacht zum 14.05. erreichte die Kaltfront auch
die Bretagne und den Nordwesten Spaniens mit einzelnen Schauern. Dadurch kam es
in Brest zu 8 l/m² und 14 l/m² in Santiago de Compostela.
Unterdessen übernahm die Zyklone
ALEXANDER die Rolle des steuernden Tiefs über dem atlantisch-europäischen Raum.
Der Wirbel, der am 14.05. um 00 UTC, was 02 Uhr MESZ entspricht, mit Zentrum
südlich von Island und westlich von Schottland analysiert wurde, hatte dabei
zwei weitere Tiefs mitsamt ihrer Ausläufer in seine Zirkulation aufgenommen.
Satellitenbilder dieses Tages zeigen gut die Lage der zwei Hauptfronten, mit
einer sich vom Zentrum südwärts über die Britischen Inseln bis nach
Westfrankreich erstreckenden Kaltfront, sowie einer über das Nordmeer und
Südskandinavien bis nach Polen verlaufenden Warmfront. Zwischen den Fronten
befand sich Mitteleuropa am 14. Mai im Warmsektor des Tiefs, wobei es in der
aus Süden herantransportierten, labil geschichteten Subtropikluft bei Temperaturen
von um oder über 20°C, so z.B. in Berlin 23°C, in Prag 21°C und in Köln 22°C,
zu einzelnen Schauern und Gewittern kam. Die hieraus resultierende
Niederschlagsverteilung zeigte für diesen Tag ein recht uneinheitliches Muster,
mit teils großen Unterschieden auf kleinstem Raum. Am Stuttgarter Flughafen zum
Beispiel fielen zwischen 06 und 18 UTC 26 l/m² Regen, im benachbarten
Stuttgart-Schnarrenberg lediglich 0,2 l/m². Höhere Regenmengen registrierten auch
die Stationen in Nürnberg mit 13 l/m², Angermünde mit 14 l/m², das polnische
Grünberg mit 18 l/m² oder Prag mit 15 l/m². Dagegen schwächten sich die
Niederschläge entlang der Frontenzüge allgemein ab. Über Südskandinavien
brachte die Warmfront nur noch wenige Liter, teils Zehntel Liter pro
Quadratmeter Niederschlag, wie etwa in Göteborg mit 3 l/m² oder in Oslo mit 0,6
l/m². Auch im Bereich der nordostwärts über Frankreich und den Beneluxstaaten
ziehenden Kaltfront blieben größere Niederschlagsmengen aus. Eine der höchsten
12-stündigen Regensummen verzeichnete die Station Paris-Orly mit 6 l/m², sonst
lagen die Mengen vielfach unter 1 l/m², teils blieb es auch gänzlich trocken,
so wie in Brüssel oder Nancy. Die hinter der Front einströmende kühlere Meeresluft
hatte derweil keinen großen Einfluss auf die Temperaturen. Die Maxima lagen zum
Beispiel über den Britischen Inseln mit meist
15 bis 18°C auf ähnlichem Niveau wie am Vortag.
In der sich anschließenden Nacht ließ
die Niederschlagsneigung an der über Deutschland ostwärts hinweg ziehenden
Kaltfront weiter nach. Nur punktuell fielen noch nennenswerte Regenmengen, so
wie in Boizenburg und Bremerhaven mit 8 bzw.
6 l/m² bis zum darauf folgenden Morgen.
Unterdessen hatte sich Wirbel
ALEXANDER mit Zentrum retrograd um einige 100 Kilometer westwärts verschoben.
Dabei war das Tief gealtert, was sich neben leichtem Luftdruckanstieg im
Kernbereich auch an der zunehmenden Okkludierung des Frontensystems bemerkbar
machte. Die Mischfront reichte am Morgen des 15.05. in einem Bogen vom Zentrum
über Island bis zum Nordmeer, wo sie sich in Warm- und Kaltfront aufspaltete.
Im Tagesverlauf kam die Kaltfront
ostwärts über Oder und Neiße, sowie den Bayrischen Wald Richtung Polen und
Tschechien voran. Bedingt durch Tagesgang und Sonneneinstrahlung lebte die
Schauertätigkeit hier noch einmal auf und die Station in Liberec registrierte
z.B. 12-stündig 8 l/m². In Ingolstadt waren es 14 l/m² und im polnischen Wielun 17 l/m² bis zum Abend. Weiter im Norden beeinflusste
die Warmfront noch den Süden Skandinaviens mit zeitweilig dichteren
Wolkenfeldern und geringem Niederschlag von meist unter 1 l/m².
Ansonsten ging die Wetterwirksamkeit
der Zyklone gerade über Mitteleuropa zurück. Grund hierfür war der sich von der
Iberischen Halbinsel nordostwärts ausdehnende Hochdruckeinfluss, sowie eine
Tiefdruckneuentwicklung über dem Atlantik. Tief BEN zog am 15.05. unter rascher
Verstärkung vom Ostatlantik über das Seegebiet der Britischen Inseln und sollte
bald schon die Rolle des steuernden Tiefs übernehmen. Wirbel ALEXANDER entfernte
sich dagegen in den folgenden Stunden weiter südwärts Richtung Nordatlantik.
Am 16.05. hatten die Ausläufer des
Tiefs praktisch keinen Einfluss mehr auf das Wetter in Europa, auch nicht mehr
auf Island. Die Warmfrontausläufer waren bereits von einem weiteren Tief über
Finnland aufgenommen worden, während sich die Kaltfront über dem östlichen
Mitteleuropa aufgelöst hatte. Letztmalig analysiert werden konnte Tief
ALEXANDER in der Nacht zum 17.05. als westlicher Part eines Doppeltiefsystems
über dem Nordostatlantik, ehe es schlussendlich in die Zirkulation des Tiefs
BEN aufging.
Geschrieben
am 21.07.2017 von Gregor Pittke
Berliner Wetterkarte: 14.05.2017
Pate: Alexander Bauer