Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet
ANDIRA
(getauft
am 09.12.2020)
Am 09. Dezember erfolgte von den
Meteorologen bei der Berliner Wetterkarte in der Analyse die Taufe eines Tiefs
auf den Namen ANDIRA. Die Zyklone befand sich an diesem Tag mit einem tiefen
Kerndruck von unter 980 hPa ca. 400 km südlich von Neufundland. Ein Tief dreht
sich gegen den Uhrzeigersinn und besteht im Anfangsstadium aus einer Warm- und
einer Kaltfront. Die Warmfront verläuft vom Kern aus nach Osten, die Kaltfront
nach Westen. Durch eine höhere Zuggeschwindigkeit der Kaltfront holt diese im
Verlauf des Lebenszyklus eines Tiefs die Warmfront ein. Dabei entsteht eine
Mischfront, die als Okklusion bezeichnet wird. Der Bereich zwischen Warm- und
Kaltfront wird als Warmluftsektor definiert, hier werden die höchsten
Temperaturen erreicht. Tief ANDIRA besaß an diesem Tag einen ausgeprägten
Warmluftsektor östlich des Kerns und eine Okklusionsfront westlich des Kerns.
Das Tief war also schon in einem fortgeschrittenen Abschnitt des Lebenszyklus.
Grund dafür ist, dass ANDIRA bereits 48 Stunden zuvor entstand, und zwar vor
der Küste von South und North Carolina. Hier bildete sich das Tief am Rande
eines Kaltluftvorstoßes nach Süden, der am 07. Dezember fast bis Florida
reichte. Im Bereich der Frontalzone konnte die Zyklone in der Folge entstehen.
Die Frontalzone beschreibt die Übergangszone von subtropischen und polaren
Luftmassen. So zog Tief ANDIRA am 07. und 08. Dezember entlang der US-Ostküste.
Auf der Rückseite des Tiefs wurde Kaltluft nach Süden transportiert. So gab es in New York am 09. Dezember um 12
Uhr Ortszeit bei 2,8°C leichten Schneefall. Dies war der erste Schneefall des
gesamten Winters. Noch am 01. Dezember wurden hier 19,4°C registriert. Zudem
brachte Tief ANDIRA auf Nova Scotia und Neufundland insgesamt 20 bis 50 mm
Niederschlag, wobei im Verlauf oft Schnee fiel. In Halifax, der Hauptstadt Nova
Scotias, gab es bis zum 10. Dezember 7 cm, in Gander auf Neufundland sogar 19
cm Neuschnee.
Am 10. Dezember um 01 Uhr MEZ befand
sich Tief ANDIRA mit knapp 975 hPa bereits 700 km östlich von Neufundland. Das
Frontensystem okkludierte weiter, der zunehmend schmaler werdende
Warmluftsektor befand sich über dem Nordatlantik.
Am Folgetag, dem 11. Dezember,
erreichte Tief ANDIRA den Höhepunkt der Entwicklung. Die Zyklone besaß um 01
Uhr MEZ einen Druck von 970 hPa und befand sich ca. 500 km nordwestlich von
Schottland. Dabei nahm das Tief im Verlauf des 11. Dezembers das vorherlaufende
Tief ZÖLISTINE auf. Die Okklusion reichte vom Kern über die Britischen Inseln
bis zur Bretagne, der Warmluftsektor erreichte die Iberische Halbinsel und
Nordafrika. Diese Frontenkonstellation spiegelt sehr schön die
Niederschlagsmengen bis zum Morgen des 11. Dezembers wider. So fielen
24-stündig vom 10. Dezember 07 Uhr MEZ bis 11. Dezember 07 Uhr MEZ von
Schottland bis Nordafrika 5 bis 15 mm, örtlich auch deutlich mehr.
Dementsprechend gab es in Crosby nahe Liverpool 14,8 mm, in Paris-Orly 16,4 mm
und in Beja in Tunesien 21,6 mm. Die größten Mengen
fielen im Stau der Pyrenäen und des spanischen Berglands. In San Sebastian am
Golf der Biskaya wurden 50,5 mm verzeichnet. In den letzten 5 Tagen wurden in
der Region bereits 200 bis 300 mm gemessen. Im Warmluftsektor von Tief ANDIRA
stieg die Temperatur am Nachmittag des 11. Dezembers in Spanien bis 26°C.
Murcia verzeichnete 25,2°C und Alicante 25,0°C. Die jemals höchste
Dezembertemperatur liegt in Murcia und in Alicante bei 27,0°C, also nicht weit
weg von den gemessenen Werten. Die Okklusionsfront lag am Mittag des 11.
Dezembers über dem Osten Frankreichs. Da sich vor der Front kältere Luft als
dahinter befand, spricht man von einer Warmokklusion. Die Niederschläge fielen
im Vorfeld der Front, da hier die wärmere Luft in der Höhe auf die kältere Luft
am Boden aufglitt, wodurch Niederschlagsprozesse ausgelöst wurden.
Eindrucksvoll zeigt sich die Lage der Front an den Höchstwerten. Während im
Osten Deutschlands am Rand von Osteuropahoch XAVIER -1 bis +3°C erreicht
wurden, stieg die Temperatur im Westen Deutschlands auf 3 bis 6°C. Rückseitig
der Warmokklusion wurden in Paris bereits 11,2°C erreicht.
Am 12. Dezember um 01 Uhr MEZ reichte
die lange Okklusionsfront von Tief ANDIRA von Island über England, Ostfrankreich,
Korsika bis Tunesien. Der Warmluftsektor befand sich nur noch über dem
südlichen Tunesien. Bis 07 Uhr MEZ brachte die Warmokklusion von ANDIRA den
Westen Deutschlands verbreitet Niederschläge. Die höchsten Mengen gab es im
äußersten Südwesten mit 3 bis 10, örtlich bis 20 mm. Saarbrücken verzeichnete
6,9 mm, Freiburg im Breisgau 4,6 mm und Todtmoos im Südschwarzwald 18,9 mm.
Paris vermeldete 16,4 mm, Toulouse 18,8 mm, im Stau der Pyrenäen fielen in San
Sebastian erneut 50 mm. Entlang der Fronten bildeten sich Teiltiefs aus. So lag
das ursprüngliche Haupttief ANDIRA I südlich von Island, ein weiteres Teiltief befand sich über dem Ärmelkanal und ein drittes
(ANDIRA III) zwischen Marseille und Korsika.
Aufgrund von Russlandhoch XAVIER kam
die (Warm-)Okklusion kaum nach Osten voran. Am Mittag des 12. Dezember
erreichte die Front gerade den Westen Deutschlands. Dabei lag Tief ANDIRA II
mit 996 hPa über Amsterdam. Ausgehend vom Kern bildete sich eine neue Warmfront
aus, die nach Osten in Richtung Erzgebirge verlief und milde von kalter Luft
trennte. Damit beeinflussten 3 verschiedene Luftmassen Deutschland. Im Vorfeld
der Warmfront wurden im Nordosten nur 2 bis 4°C erreicht, zwischen Warmfront
und Warmokklusion lagen die Höchstwerte bei 3 bis 7°C, und hinter der Warmokklusion
wurden 8 bis 10°C gemessen. Es kam, außer im Nordosten Deutschlands, zu
weiteren Niederschlägen, meist fielen 1 bis 5 mm. Höhere Mengen gab es im Stau
des Schwarzwaldes. Hier fielen 10 bis 25 mm, in Bernau sogar 39 mm.
Am 13. Dezember um 01 Uhr MEZ befand
sich ANDIRA I unverändert südwestlich von Island und ANDIRA II über den
Niederlanden. Verbunden waren beide Tiefs weiterhin mit einer Okklusion, welche
bis Südfrankreich reichte. ANDIRA III spaltete sich ab und befand sich als
eigenständiges Tief bereits östlich von Sizilien. In Deutschland gab es an
diesem Tag im Bereich der Okklusion gebietsweise leichte Regenfälle. Meist
lagen die 24-stündigen Mengen zwischen 0,1 und 3 mm, nur im Südosten gab es
örtlich bis 10 mm (Berchtesgaden 9,6 mm). Immer noch beeinflusste Hoch XAVIER
den Nordosten mit Kaltluft (xP). So lag die
Höchsttemperatur in Waren (Müritz) bei 1,3°C und in Schwerin bei 2,7°C. Sonst
setzten sich durch Tief ANDIRA mildere Luftmassen durch, sodass 4 bis 9,
örtlich 10°C erreicht wurden. Jena vermeldete beispielsweise 8,0°C und
Köln-Stammheim 10,0°C. In der Nacht zum 14. Dezember wurden die letzten Reste
der Kaltluft langsam verdrängt. In Berlin äußerte sich dieser Vorgang mit
Sprühregen und dichtem Nebel.
Bis zum 14. Dezember lösten sich die
Teiltiefs ANDIRA I und II aufgrund des Hochs XAVIER auf, sodass nur noch eine
Restokklusion von Island bis Nordostdeutschland analysiert werden konnte. Hier
fiel nur noch etwas Regen oder Sprühregen. Übrig blieb der Teil ANDIRA III,
welches jetzt die Rolle als Haupttief einnahm. Um 01 Uhr MEZ lag das Tief knapp
nördlich von Kreta. Im Bereich des Tiefdruckwirbels kam es über Griechenland
und dem Südwesten der Türkei zu kräftigen Niederschlägen. Gebietsweise fielen
24-stündig 20 bis 50, örtlich über 100 mm. Auf der griechischen Insel Chios wurden 24-stündig 124,7 mm und in Izmir 42,0 mm
gemessen. Durch ähnliche Zugbahnen der Tiefdruckgebiete YVONNE, ZÖLESTINE und
ANDIRA verzeichnete Izmir in vier Tagen Niederschlagsmengen zwischen 40 und 60
mm - gesamt fielen 195 mm. Die kräftigsten Niederschläge gab es am 13. Dezember
in Antalya. 24-stündig wurden hier sogar 223,2 mm gemeldet. Es kam zu
Überschwemmungen und Erdrutschen.
Am 15. und 16. Dezember verlagerte sich
Tief ANDIRA weiter nach Osten in Richtung Israel. Hier gab es ergiebige
Niederschlagsmengen. So fielen in 48 Stunden nahe Tel Aviv 61 mm, nahe
Gaza-Stadt 76 mm und in Rosch haNikra im Norden
Israels 139 mm. Es waren hier die stärksten Niederschläge seit mehreren Jahren,
teils seit mehreren Jahrzehnten. Bis zum 17. Dezember entfernte sich das Tief
weiter nach Osten und befand sich nicht mehr im Bereich der Berliner
Wetterkarte. Damit konnte ANDIRA einen beachtlichen Weg zurücklegen. So zog
ANDIRA I von South und North Carolina bis Island und ANDIRA III von Korsika bis
Israel. Teiltief ANDIRA II schaffte es vom Ärmelkanal
über den Niederlanden bis in den Westen Deutschlands und beeinflusste dabei maßgeblich
das Wetter in Deutschland mit Regenfällen und einer deutlichen Milderung.