Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet
ANDREAS
(getauft
am 07.05.2015)
Mitte der ersten Maidekade 2015 verlagerte
sich in einer Höhe von etwa 5,5 km ein weitreichender Trog, also ein
Kaltluftvorstoß nach Süden, über den Nordatlantik in Richtung des europäischen
Festlandes. Unterhalb dieses Troges befand sich im Bodenniveau ein
Tiefdruckgebiet, welches dem Kaltluftvorstoß folgend ebenfalls nach Osten zog.
Dabei entwickelte sich am 06.05. ein Höhenwirbel westlich der Azoren, der nun
mit der Bodenzyklone korrespondierte und sie in ihrer Entwicklung stärkte. Am
darauffolgenden Tag konnten der Höhenwirbel sowie das Bodentief knapp
nordöstlich der Azoren analysiert werden. Da das Tiefdruckgebiet im Bodenniveau
auch das Wettergeschehen in Mitteleuropa beeinflussen sollte, wurde es noch am
selben Tag auf den Namen ANDREAS getauft.
Um 02 Uhr MESZ des 07.05. besaß das Tief
ANDREAS einen Kerndruck von ca. 1000 hPa. Zu diesem Zeitpunkt bestand sein
Frontensystem aus einer Okklusion, die vom Kern aus nach Nordosten wies und sich
nach rund 300 km in eine Warm- sowie eine Kaltfront aufspaltete. Eine Okklusion
stellt dabei eine Mischform aus Warm- und Kaltfront dar, die bei der
Vereinigung der beiden Frontentypen am sogenannten Okklusionspunkt entsteht und
die Eigenschaften beider Arten in sich vereint. Vom Okklusionspunkt führte die
Warmfront bogenförmig nach Südosten bis vor die portugiesische Küste und die
Kaltfront erstreckte sich über Madeira westlich an den Kanaren vorbei nach
Süden. Des Weiteren verliefen mehrere Höhenokklusionen im Bereich hinter der
Kaltfront nach Süden bzw. Südwesten. Eine Höhenfront ist eine Luftmassengrenze,
die nur in der Höhe und nicht im Bodenniveau analysiert werden kann. Im Laufe
des Tages überquerte die Warmfront Portugal und bis zum Abend auch große Teile
Spaniens. Zwar fielen beim Durchzug der Front verbreitet lediglich Regenmengen
um 1 l/m², so erhöhte sich aber die Temperatur vielerorts im Vergleich zum
Vortag, da im Bereich zwischen Warm- und Kaltfront, dem sogenannten Warmluftsektor,
subtropische Luftmassen über der Iberischen Halbinsel einfließen konnten. In
Portugal kamen dabei Anstiege von 2 bis 4 Grad zustande und in Madrid
wurden mit 29°C sogar 6 Grad mehr als tags zuvor registriert. In Sevilla wurde
indes ein um 3 Grad höheres Maximum von 32°C gemeldet.
Mit der südwestlichen Höhenströmung
verlagerte sich das Tief ANDREAS bis zum Folgetag nach Nordosten. Gleichzeitig
löste sich der zugehörige Höhenwirbel auf und die Bodenzyklone ANDREAS
schwächte sich leicht auf einen Kerndruck von etwa 1005 hPa ab. Um 02 Uhr MESZ
konnte der Wirbel ANDREAS westlich der Biskaya analysiert werden. Dabei verlief
eine kurze Okklusion nach Osten, die sich nach wenigen Hundert Kilometern in
eine Warm- und eine Kaltfront aufspaltete. Die Warmfront zog sich über Zentralfrankreich
und Genf bis nahe Bozen im Norden Italiens, wohingegen die Kaltfront nach Süden
bzw. Südwesten über die Westküste der Iberischen Halbinsel und Madeira führte. Im
Warmluftsektor hatte sich zusätzlich ein weiteres Frontensystem ausgebildet, welches
aus einer nach Südosten weisenden Warm- und einer sich nach Süden reichende
Kaltfront bestand. Außerdem erstreckte sich vom Kern aus eine Luftmassengrenze nach
Süden, die in der Höhe als Okklusion und am Boden als eine weitere Kaltfront
analysiert wurde. Portugal und Spanien wurden hierbei bereits in der ersten
Tageshälfte vom kompletten Frontensystem des Tiefs ANDREAS überquert. Bis 08
Uhr MESZ fielen entlang der Kaltfront mitunter 12-stündige Regenmengen von 11
l/m² in Porto, 12 l/m² in Pontevedra, 15 l/m² in Vigo und 17 l/m² an der
nordportugiesischen Station Viana do Castelo-Chafé. Der Westen und Südwesten
Frankreichs wurden zu diesem Zeitpunkt ebenfalls schon von den Ausläufern des
Tiefs ANDREAS erfasst, wodurch im selben Zeitraum wie zuvor 6 l/m² in Bordeaux
und jeweils 7 l/m² in La Rochelle und Biscarosse gemessen werden konnten. Im
Tagesverlauf sank die Temperatur auf der Iberischen Halbinsel wieder leicht ab
bzw. konnte sie sich gebietsweise nicht weiter erhöhen. Lediglich im Bereich
des im Warmsektor eingelagerten Frontensystems über Ost- und Südostspanien kam
es nochmals zu deutlichen Temperaturanstiegen. In Valencia und Castellón wurden
mit Höchstwerten von 32,5°C bzw. 32,9°C jeweils knapp 9 Grad mehr gemessen als
noch am Vortag. Das Niederschlagsfeld zog bis zum Abend unter Abschwächung mit
dem Tief ANDREAS und seinen Ausläufern weiter nach Norden und Nordosten,
wodurch nur noch 12‑stündige Regenmengen von maximal 1 l/m² in Spanien
und Portugal zusammen kamen. Das Niederschlagsfeld breitete sich somit nun über
Frankreich aus, wobei bis 20 Uhr MESZ innerhalb von 12 Stunden 6 l/m² in Vichy,
je 7 l/m² in Lyon, Rodez sowie Mende, 10 l/m² in Aurillac und 13 l/m² in
Avord verzeichnet wurden. Die höchsten Niederschlagsintensitäten wurden
allerdings im Bereich des Tiefdruckzentrums auf den Britischen Inseln
beobachtet. Im selben 12‑stündigen Zeitraum fielen in Roches Point im
Süden Irlands 21 l/m², auf der walisischen Insel Anglesey 22 l/m², in Capel
Curig 25 l/m² und im irischen Johnstown Castle 27 l/m².
Um 02 Uhr MESZ erreichte das Tief ANDREAS
auf seiner nach Nordosten gerichteten Zugbahn mit seinem Zentrum den Norden
Englands und befand sich mit einem Druck von knapp unter 1005 hPa nahe
Manchester. Die kurze Okklusion führte bis zur Ostküste Englands und fand dort
ihren Okklusionspunkt, von welchem einerseits eine Warmfront über die
Niederlande bis zum Erzgebirge und andererseits eine Kaltfront über Frankreich
und die Biskaya bis zum spanischen Valladolid reichte. Die bereits in der Nacht
die Westhälfte Deutschlands erreichenden Ausläufer des Wirbels ANDREAS sorgten
zwar verbreitet für Niederschlag, dieser fiel jedoch nur schwach aus. Maximal
konnten in 12 Stunden bis 08 Uhr MESZ je 3 l/m² in Leutkirch-Herlazhofen und
Oberstdorf gemessen werden. Zumeist wurden nur Mengen unter 1 l/m² erreicht. Im
selben Zeitraum wurden aus Dublin 2 l/m², vom Rotterdamer Flughafen 4 l/m², aus
Grenoble 8 l/m², aus Carlisle 20 l/m² und von St. Bees Head in Cumbria 23 l/m²
gemeldet. Die Kaltfront des Tiefs ANDREAS überquerte im Tagesverlauf
Deutschland von West nach Ost. Dabei bildeten sich gebietsweise Schauer und
örtlich auch Gewitter. Dadurch fielen die beobachteten Niederschlagsmengen
lokal sehr unterschiedlich aus bzw. blieb es mitunter auch komplett trocken. So
konnten in Wittenberg innerhalb von 3 Stunden bis 20 Uhr MESZ insgesamt 10 l/m²
verzeichnet werden. In Leipzig und Berlin fielen hingegen nur wenige Zehntel Liter
pro Quadratmeter. Weitere nennenswerte 3-stündige Regensummen wurden in Baruth
mit 8 l/m², im mecklenburgischen Feldberg mit 7 l/m² und in Greifswald mit 5
l/m² registriert. Das Tiefdruckzentrum des Wirbels ANDREAS verlagerte sich
indes weiter nach Nordosten über die Nordsee in Richtung Dänemark. Mit diesem
zog auch das zugehörige Niederschlagsfeld in diesen Bereich, wodurch in 12
Stunden in Göteborg 4 l/m², in Kristiansand in Norwegen 9 l/m² und im
dänischen Tylstrup 12 l/m² zusammen kamen.
Die Zyklone ANDREAS wurde am 10.05. um 02
Uhr MESZ über dem Norden Dänemarks nahe der Stadt Aalborg mit einem weiter
abgeschwächten Kerndruck von ca. 1010 hPa analysiert. Vom Kern verlief eine
Höhenokklusion bis nach Bremerhaven und eine Bodenokklusion über Südschweden
bis nahe Stockholm, wo sich der Okklusionspunkt befand. Von dort erstreckte
sich die Warmfront bis östlich von Warschau und die Kaltfront reichte über
Westpolen und dem äußersten Südosten Bayerns bis nahe Mailand. Im Osten und
Nordosten Deutschlands sank die Temperatur an diesem Tag aufgrund der
rückseitig der Kaltfront einfließenden maritimen Polarluft teilweise deutlich
herab. Während in Berlin-Tempelhof tags zuvor noch 21,8°C erreicht wurden, wurden
am 10.05. nur noch 13,7°C gemessen. In Lindenberg und Manschnow betrug die
Temperaturabnahme bei Maxima von nur noch 12,3 und 13,1°C sogar insgesamt jeweils
10 Grad. Die dem Tief ANDREAS zuzuordnenden Niederschläge konzentrierten sich
hauptsächlich auf Südskandinavien und im Verlauf auf Finnland. Dabei wurden nochmals
12-stündige Mengen von 5 l/m² in Tylstrup, 6 l/m² in Vaasa und je 9 l/m²
im norwegischen Kongsvinger und in Hoburg auf Gotland verzeichnet.
Aufgrund seiner Lage zwischen den beiden
Hochdruckgebieten SUSE und TINA verringerte sich die Druckdifferenz des Wirbels
ANDREAS zu seinem Umfeld so weit, dass das Tief ANDREAS im weiteren Verlauf
nicht weiter auf der Berliner Wetterkarte analysiert und somit namentlich
verzeichnet werden konnte.
Geschrieben am 11.07.2015 von
Sebastian Wölk
Berliner
Wetterkarte: 09.05.2015
Pate:
Andreas Wegener