Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet ANDREAS
(getauft am 13.08.2019)
Am 13. August 2019 wurde ein Tiefdruckgebiet in der
Prognosekarte der Berliner Wetterkarte für den Folgetag auf den Namen ANDREAS
getauft. Es sollte sich nordwestlich der Britischen Inseln bilden.
Tatsächlich wurde am 14. August ein Tiefdruckgebiet
namens ANDREAS an einer ähnlichen Position analysiert, wobei dieses etwas
weiter von den Britischen Inseln entfernt, westnordwestlich von Irland und
südlich von Island, lag. Der Kerndruck war etwas niedriger als 1005 hPa und das
Tief ANDREAS befand sich in einer langgestreckten Luftmassengrenze, die weite
Teile des Nordatlantiks überspannte. Da sich westlich des Zentrums der Zyklone
ANDREAS eine Okklusionsfront, also eine Mischfront mit Warm- und Kaltfronteigenschaften,
befand, die aus nördlicher Richtung angeströmt wurde und die südsüdwestlich von
Island sowie südöstlich von Grönland in eine Okklusionsfront eines weiter
westlich gelegenen, unbenannten Tiefdrucksystems überging, das bis nach Ostkanada
reichte, während östlich des Kerns des Wirbels ANDREAS eine Okklusionsfront
folgte, die aus südlicher bis südwestlicher Richtung angeströmt wurde, ließ
sich das Tiefdruckgebiet ANDREAS zu diesem Zeitpunkt als Wellentief
charakterisieren. Am Ende der zuletzt beschriebenen Okklusionsfront, ungefähr
300 km südwestlich der Südspitze Irlands, etwa 800 km westlich des westlichen
Ausganges des Ärmelkanals und ungefähr ebenso weit nordwestlich der
Nordwestspitze der Iberischen Halbinsel entfernt, befand sich der
Okklusionspunkt. An ihm trafen eine Warmfront und eine Kaltfront wie bei einem
Reißverschluss zusammen. Die Warmfront verlief in ungefähr östlicher Richtung
und ging etwa 200 km vom Okklusionspunkt entfernt in eine Kaltfront über, die
zu einem unbenannten Tiefdruckgebiet vor der irischen Westküste gehörte. Die
vom Okklusionspunkt des Tiefdruckgebietes ANDREAS ausgehende Kaltfront verlief
zunächst in südöstlicher bis südlicher Richtung, um
mehr und mehr einen Bogen nach Südwesten bis Westsüdwesten zu machen. Ziemlich
genau südlich des Kerns des Tiefs ANDREAS und etwa 1000 km westlich der
Nordwestspitze der Iberischen Halbinsel ging die letztgenannte Kaltfront in
eine Warmfront über, die Teil einer verwellten Luftmassengrenze nördlich des
Azorenhochs war. Da neben dem Tiefdruckgebiet ANDREAS weitere Tiefs wie das
unbenannte Tiefdruckgebiet vor der irischen Westküste aktiv waren, lassen sich
meteorologische Daten wie Niederschlagsmengen nur schwer einem einzelnen Tief
zuordnen. Zumindest lässt sich sagen, dass das Tiefdruckgebiet ANDREAS in der
zweiten Hälfte des 14. August in Irland sowie Nordirland, in Teilen von
Großbritannien, im Nordwesten Frankreichs und in Galicien und dem äußersten
Nordwesten Spaniens zeitweiligen Regen brachte. Die 12-stündigen Regenmengen
bis zum Morgen des 15. August, die vor Allem in Schottland gefallen sind,
lassen sich im Wesentlichen dem Tief ANDREAS zuordnen. In diesem Zeitraum kamen
bis zu 16 l/m² im nordwestschottischen Kinlochewe zusammen, knapp gefolgt von
15 l/m² in Lossiemouth an der Nordostküste
Schottlands. War die Nacht zum 14. August im Nordosten Schottlands noch kalt
mit örtlichem Bodenfrost, sank die Temperatur in der Nacht zum 15. August in
der mit dem Tief ANDREAS herangeführten Warmluft selten unter 10°C, und selbst
an der 1245 m hoch gelegenen Wetterstation Cairngorn war es mit einer
Tiefsttemperatur von 5,9°C deutlich frostfrei. Das nordschottische Bealach na
Ba meldete in der 2. Nachthälfte bzw. am Morgen des 15. August schwere
Sturmböen bis 94 km/h bei teils als Sprühregen, teils als Regen registriertem
Niederschlag nach Durchgang des tiefsten Luftdruckes.
Zwischenzeitlich lag der Kerndruck des
Tiefdruckgebiets ANDREAS, das sich am Morgen des 15. August in Nordöstliche
Richtung über Schottland bewegte, unter 1000 hPa. Die Okklusionsfront beschrieb
einen Bogen um das Zentrum des Wirbels ANDREAS, vor der Südwestküste
Schottlands beginnend und in nördlicher Richtung bis in das Gebiet zwischen den
Hebriden und dem nordwestlichen schottischen Festland führend, weiter nach
Osten abbiegend und den Norden Schottlands querend, um weiter in südöstlicher
bis südlicher Richtung zur westlichen Nordsee zu reichen und in Belgien auf das
europäische Festland zu treffen. Die Okklusionsfront verlief weiter in
südlicher bis südwestlicher Richtung bis zum
Okklusionspunkt über dem westlichen Frankreich. Von dort zog sich eine
Warmfront nach Süden bis Südosten bis nach Nordostspanien etwa in die Region um
Barcelona, während die weiter westlich folgende Kaltfront vom Okklusionspunkt
nach Südwesten bis in den Norden Spaniens führte, wo sie mehr und mehr in
höheren Luftschichten aktiv war und ungefähr 150 km nördlich der Hauptstadt
Madrid in eine Höhenwarmfront überging, die etwa gleich weit entfernt westlich
von Madrid endete. Die zuvor beschriebene Problematik der einander nicht immer
eindeutig zuzuordnenden Tiefdruckgebiete, Fronten und Wettererscheinungen blieb
zunächst bestehen, wobei die von West nach Ost ziehende Okklusionsfront im
Tagesverlauf mehr und mehr die Hauptrolle bei Wettergeschehen in Mitteleuropa
spielte. Der Verfasser dieser Lebensgeschichte war am 16. August mit dem
Übersichtstext der Berliner Wetterkarte beschäftigt, in dem es auch um das
Wetter am 15. August ging. Daraus soll folgender Abschnitt zitiert werden:
„Das Tiefdruckgebiet ANDREAS [brachte] mit seiner
von West nach Ost ziehenden Okklusionsfront gebietsweise Niederschläge nach
Deutschland. Nachdem nach aktualisierten Messungen der 14. August an keiner
Wetterstation im Messnetz des Deutschen Wetterdienstes ein Sommertag war (die
Temperatur blieb mit einem Maximum von 24,9°C in Bad Kreuznach in
Rheinland-Pfalz unter dem Kriterium von mindestens 25,0°C, was zuvor am 9. Juli
mit einer Höchsttemperatur von 24,7°C im baden- württembergischen Wutöschingen-Ofteringen auftrat), kamen [am 15. August] auf der
Vorderseite der Okklusionsfront im Osten des Landes zwei Orte (Coschen in
Brandenburg und Bad Muskau in Sachsen mit jeweils 25,9°C) sowie im Südwesten
ein Ort (Waghäusel-Kirrlach in Baden-Württemberg mit 25,6°C) auf einen
Sommertag. Neben den Bergen (kältester Ort war die Zugspitze mit 3,3°C, gefolgt
vom Feldberg im Schwarzwald mit 9,8°C) verzeichnete mit 18,0°C das
schleswig-holsteinische Fehmarn-Westermarkelsdorf die niedrigste
Höchsttemperatur. An der letztgenannten Wetterstation gab es, wie auch in
Tribsees in Mecklenburg-Vorpommern, keine einzige Minute registrierten
Sonnenscheins. Dagegen schien die Sonne im bayerischen Fürstenzell mit 9,4
Stunden am längsten; der Flugplatz Görlitz in Sachsen kam auf 7,2 Stunden
Sonnenschein. [Am] Vormittag traten auf dem Brocken Sturmböen bis 87 km/h auf;
nachmittags war es neben dem Feldberg im Schwarzwald im niedersächsischen Celle
(jeweils Böen 9 Bft., 76 km/h) am windigsten. Die erwähnte Okklusionsfront [des
Tiefdruckgebietes ANDREAS] brachte neben Wolken gebietsweise Regen, der im
Verlauf teils schauerartig verstärkt fiel und ab dem Nachmittag, beginnend in
Niedersachsen, später bis nach Bayern und in die östlichen Bundesländer
verlagernd, mit Gewittern durchsetzt war. Wie die 24-stündigen
Niederschlagssummen bis [zum Morgen des 16. August] zeigen, gab es einerseits
vor allem im Nordosten des Landes, aber auch selbst in Baden-Württemberg Orte,
an denen gar kein Niederschlag verzeichnet wurde. Andererseits brachten die Regengebiete
gebietsweise recht ergiebige Mengen, und das in verschiedenen Himmelsrichtungen
des Landes. So kamen 32,0 l/m² in Gerolstein in Rheinland-Pfalz zusammen, im
thüringischen Bornhagen fielen 25,9 l/m², gefolgt von Neukirchen-Hauptschwenda
in Hessen mit 25,6 l/m², dem schleswig-holsteinischen Wesselburen mit 24,1
l/m², Oberstdorf- Birgsau in Bayern mit 23,8 l/m², dem niedersächsischen
Steinau mit 19,6 l/m² und Freiamt-Ottoschwanden in Baden-Württemberg mit 16,7
l/m².“
Am 16. August lag das Tiefdruckgebiet ANDREAS mit
einem Kerndruck von etwas unter 1000 hPa ungefähr 500 km westlich von
Trondheim. Von dort verlief eine Okklusionsfront etwa halbkreisförmig zunächst
in nördlicher, rasch auf östliche und schließlich auf südliche Richtung
drehend, um südwestlich von Trondheim auf das norwegische Festland zu treffen.
Weiter nach Süden bis Südosten zog sich die Okklusionsfront entlang der
südnorwegischen Westküste und weiter über die Nordsee, um etwa an der
Emsmündung auf das mitteleuropäische Festland zu treffen und in südlicher bis südwestlicher Richtung bis in die zentralen Niederlande
weiterzuführen. Während es in Teilen von Skandinavien im Bereich der
Okklusionsfront des Tiefdruckgebietes ANDREAS zeitweise und teils schauerartig
verstärkt regnete, entwickelten sich ab dem Vormittag weiter südlich einige
Gewitter von Polen bis nach Tschechien, in die Slowakei und in den Nordosten
Österreichs, die ebenfalls im Zusammenhang mit der nach Osten ziehenden und
sich vom Kern des Tiefs ANDREAS aus gesehen weiter südlich neu entwickelnden
Okklusionsfront gesehen werden können. Die Wetterstation Červená im Nordosten Tschechiens verzeichnete bis zum Mittag eine 6-stündige
Regensumme von 21 l/m². Aus dem nordpolnischen Chojnice wurden 17 l/m²
gemeldet. In Skandinavien lagen die Niederschlagsmengen im unteren einstelligen
Bereich. Gleiches galt auch für die folgenden Zeiträume bis zum Morgen des 17.
August, wobei die höchste Niederschlagsmenge aus Ostmitteleuropa in sechs
Stunden am Abend des 16. August bzw. in der ersten Nachthälfte im
südostpolnischen Nowy Sacz mit 12 l/m² auftrat.
Am 17. August war das Tiefdruckgebiet ANDREAS zum
letzten Mal als eigenes Druckgebilde auf der Berliner Wetterkarte zu erkennen.
Es lag mit einem Kerndruck von etwas unter 1005 hPa westlich der
nordnorwegischen Küste, weit nördlich des Polarkreises und ungefähr 500 km
südwestlich des Nordkaps. Vom Zentrum des Tiefs ANDREAS verlief eine
Okklusionsfront in nordöstliche bis östliche Richtung bis zum norwegischen
Festland, um weiter nach Südosten bis Süden zu schwenken und über Nordschweden
bis zum nördlichen Bottnischen Meerbusen zu verlaufen. Dort ging sie in eine
Okklusionsfront über, die nicht von Westen, sondern von Osten angeströmt wurde
und somit nicht mehr zum Tiefdruckgebiet ANDREAS gehörte und in verwellter Form
bis zum nördlichen Balkan zu verfolgen war. Zu zeitweise wolkigem Wetter in
Nordskandinavien und Finnland kam etwas Regen, der zum 18. August fast nahtlos
in die von Südwesten bis Westen folgenden Niederschlagsgebiete des Tiefs BERND
überging.