Lebensgeschichte


Tiefdruckgebiet ANDREA

(getauft am 03.01.2012)


Am 03.01.2012 entstand über Ostkanada ein Tiefdruckgebiet, welches in der Prognose für den Folgetag auf den Namen ANDREA getauft wurde. Die noch junge Zyklone ANDREA lag am 04.01.2012 um 00 Uhr UTC, das entspricht 01 Uhr MEZ, mit einem Kerndruck von etwa 975 hPa an der Südspitze Grönlands. Ihre Okklusion, also eine Mischfront mit Warm- und Kaltfronteigenschaften, erstreckte sich vom Zentrum aus halbkreisförmig südostwärts bis einige hundert Kilometer auf den Nordatlantik hinaus und teilte sich schließlich in Warm- und Kaltfront. Die Warmfront verlief bogenförmig nach Süden und die Kaltfront nach Südwesten. Im Bereich des Tiefs ANDREA zeigte die Wetterkarte in der Höhe von rund 5500 m einen großen Temperaturgegensatz. Somit waren gute Voraussetzungen für eine rasche Vertiefung der Zyklone ANDREA zu einem Sturm- und Orkantief gegeben.

Bis zum Abend verlagerte sich die Zyklone rasch, sodass der Einfluss des Tiefs auch schon in Deutschland zu beobachten war. Von Westen und Nordwesten her setzte ein ebenso rascher und massiver Warmluftzustrom ein. Dieser gehörte zu einem Hebungsgebiet des sich von Nordwesten nähernden Sturmtiefs ANDREA und löste in der Nacht länger anhaltende und kräftige Niederschläge aus. Diese fielen im mittleren und oberen Bergland als Schnee. Bis 06 Uhr UTC wurden im gesamten Nordwesten Deutschlands Mengen zwischen 10 und 20 mm gemessen, vereinzelt auch darüber, wie in Bad Bentheim mit 24 mm. Im Osten waren die Niederschläge etwas weniger ergiebig, doch fielen auch hier 5 bis 10 mm. Nur ganz im Süden wurde zunächst noch weniger gemessen.

Am 05.01.2012 um 00 Uhr UTC wies der mit seinem Zentrum inzwischen über der nördlichen Nordsee, vor der norwegischen Stadt Bergen, gelegene Tiefdruckwirbel ANDREA einen Kerndruck von etwa 965 hPa auf, was der tiefste im Laufe seiner Lebenszeit war. Vom Kern verlief eine Okklusion nach Südosten, die sich bei Stavanger, kurz hinter dem Zentrum, in eine Warm- und Kaltfront aufspaltete. Die Kaltfront verlief vom Okklusionspunkt aus über England, Wales und Irland hinaus auf den Nordatlantik und seine Warmfront über die Benelux-Staaten und Frankreich bis zum Golf von Biskaya. Auf der Rückseite des Tiefs ANDREA, setzte sich labil geschichtete subpolare Meeresluft durch, in der sich zahlreiche Schauer entwickelten, die teilweise auch gewittrig waren.

In der zweiten Nachthälfte schwenkte die Kaltfront von Sturmwirbel ANDREA von der Nordsee nach Niedersachsen und zum Vormittag weiter nach Süden. Dabei bildete sich an ihr eine sehr aktive und rasch südwärts ziehende Gewitterlinie mit für den Wintermonat Januar ungewöhnlich hoher Blitzaktivität. Um 06 Uhr UTC wurden vom Niederrhein bis zum Harz an dieser Linie verbreitet Gewitter beobachtet, und die Blitzaufzeichnung über Deutschland registrierte in einem Zeitraum von 30 Minuten 838 Blitze.

Mit Sturmböen der Stärke 9 bis 10 ergab sich ein eindrucksvoller Kaltfrontdurchgang. Am Vormittag gab es auch im Vorfeld der Kaltfront in Oberbayern verbreitet schwere Sturmböen. Im Nordseeküstenbereich wurden sogar Böen der Stärke 11 gemessen. In Berlin kam es am Nachmittag ebenfalls vereinzelt noch zu Gewittern. Beim Auftreffen der Kaltfront auf die Alpen kam es zu beträchtlichen Niederschlagsmengen, meist in Form von Schnee. Dabei erhöhte sich die Schneedecke innerhalb von 24 Stunden in Oberstdorf von 25 cm bis zum Folgetag um 06 Uhr UTC auf 38 cm. Die stärksten Böen wurden auf den Berggipfeln registriert. Auf dem Feldberg im Schwarzwald wurden 95 kn und auf dem Wendelstein 91 kn gemessen, also jeweils Orkanstärke 12.

Der Orkanwirbel ANDREA zog im Laufe des Tages mit seinem Zentrum über Dänemark hinweg zur polnischen Ostseeküste und lag am 06.01.2012 mit dem Zentrum und einem Kerndruck von etwa 975 hPa über dem Nordosten Polens. Vom Kern ausgehend zog sich weiterhin eine Okklusion in einem Bogen über Riga, wobei sie bei Minsk in den Charakter einer Kaltfront wechselte. Diese verlief weiter über Budapest, den Golf von Venedig, Korsika und Bordeaux bis über den Golf von Biskaya. Deutschland lag somit in einer kräftigen Nordwestströmung, mit der die Zufuhr der Meeresluft polaren Ursprungs andauerte. Dabei war der Wetterablauf recht unterschiedlich, je nachdem ob die Polarluft einen langen Weg über die Nordsee zurück legte, was im Westen Deutschlands zahlreiche Schauer zur Folge hatte, oder ob die Polarluft die norwegischen Gebirge überquerte, wobei im Lee des skandinavischen Gebirges Absinken einsetzte und es daher im Nordosten Deutschlands trocken blieb. Die Zyklone ANDREA wirkte sich zunehmend auch im südlichen Europa aus, da die Kaltfront den westlichen Mittelmeerraum erreichte. Ganz anders war dagegen das Wetter an der spanischen Mittelmeerküste. Vor der Kaltfront von Tief ANDREA kam es dort zu eindrucksvollen Föhnerscheinungen. In Valencia stieg am Vortag die Temperatur bis 25,6°C, was in der Nähe dortiger Januarrekorde liegen dürfte. Um Mitternacht betrug dort die Temperatur noch 19,3°C bei einem Taupunkt von -7,2°C, das entspricht einer relativen Luftfeuchtigkeit von nur 15%. Das Temperaturminimum der Nacht betrug 15,6°C.

Bis zum Folgetag verlagerte sich die rasch abschwächende Zyklone ANDREA nordostwärts bis zum Golf von Finnland. Dabei reichte eine Okklusion einige hundert Kilometer nach Nordosten, bevor sie sich in eine Warm- und Kaltfront teilte. Die Warmfront zog sich nach Südosten bis etwas südlich von der russischen Stadt Perm und die Kaltfront verlief nach Süden bis Kiew. Obwohl es im Bereich des Warmsektors, also dem Bereich zwischen Warm- und Kaltfront, weiterhin zu einigen Niederschlägen kam, die in der Nähe des Kerns auch als Schnee fielen, verlor der Wirbel allmählich seinen Einfluss auf Mitteleuropa.

Das sich weiter abschwächende Tief ANDREA lag am 08.01.2012 mit einem Kerndruck von etwa 995 hPa über Nordfinnland. Am folgenden Tag befand sich das inzwischen fast vollständig aufgelöste Tiefdruckgebiet ANDREA über der russischen Doppelinsel Nowaja Semlja bevor es bis zum 10.01.2012 aus dem Darstellungsbereich der Berliner Wetterkarte hinaus zog und somit nicht weiter analysiert werden konnte.

 

 

Geschrieben am 25.02.2012 von Jasmin Krummel

Berliner Wetterkarte: 05.01.2012

Pate: Andrea Stefan