Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet ANGELA
(getauft am 09.03.2012)
Im Laufe des 09. März 2012 entwickelte sich über
der kanadischen Halbinsel Labrador ein Tiefdruckgebiet, das am selben Tag in
der Prognose für den Folgetag auf den Namen ANGELA getauft wurde. Es entstand
entlang einer Luftmassengrenze, die sehr kalte Luft im Norden von milder Luft
im Süden trennte. Dies war besonders im 500 hPa–Luftdruckniveau, das
entspricht etwa 5,5 km Höhe, deutlich zu sehen, wo über der Labradorsee
zwischen Kanada und Grönland eine Temperatur von unter -45°C herrschte, während
es über der kanadischen Insel Neufundland nicht kälter als -20°C war. Die
Temperaturunterschiede waren gleichbedeutend mit starken Luftdruck-unterschieden.
Tiefer Luftdruck herrschte im Norden und hoher weiter im Süden. Daraus
resultierte eine kräftige westliche Höhenströmung, die eine schnelle
Verlagerung sowie eine deutliche Verstärkung des Bodentiefs ANGELA zur Folge
hatte.
Am Morgen des 10. März war der Kern des Wirbels
ANGELA, in dem ein Bodendruck von unter knapp 975 hPa herrschte,
südwestlich der Südspitze Grönlands angekommen. Vom Tiefdruckzentrum nach
Westen ausgehend zog sich eine Mischfront mit Warm– und Kaltfronteigenschaften,
eine sogenannte Okklusionsfront, bis zum kanadischen Festland und brachte dem
Osten des Landes gebietsweise Schneefälle bei einer sehr kalten nördlichen
Strömung auf der Rückseite des Tiefdruckkerns. Örtlich gab es dort am Morgen
des 10. März Tiefstwerte unter -15°C. Vom Tiefdruckzentrum nach Osten verlief
ebenfalls eine Okklusionsfront, die jedoch kürzer als die weiter westlich
verlaufende Okklusion war. Sie endete am sogenannten Okklusionspunkt an der
Südspitze Grönlands, wo sich die Okklusion wieder in eine Warm– und Kaltfront
aufspaltet. Die Warmfront verlief nach Osten bis knapp südlich von Island, die
Kaltfront hingegen nach Südwesten, hinaus über den Nordatlantik. Diese
Kaltfront hatte im Laufe des Tages Neufundland größtenteils überquert und
sorgte dort für Niederschläge in teils flüssiger und teils fester Form.
Bis zum Morgen des Folgetages hatte sich das
Zentrum des Tiefdruckgebietes ANGELA mit der weiterhin starken westlichen
Höhenströmung bis vor die ostgrönländische Küste nördlich von Island verlagert.
Im Verlauf hatten sich im Bereich des Zentrums zwei Kerne gebildet, welche
jeweils einen Kerndruck von etwas unter 980 hPa besaßen. Nach Westen
schloß sich eine nahezu parallel zur grönländischen Ostküste verlaufende
Okklusionsfront an, die südlich von Grönland in eine Kaltfront überging, welche
bis nach Labrador reichte. Die Okklusionsfront sorgte für Niederschläge, die
aber aufgrund der geringen Dichte an Wetterstationen in Grönland nur punktuell
erfasst werden konnten. An der Wetterstation Angmagssalik, an der Ostküste
Grönlands, betrug die
24–stündige Niederschlagsmenge 6 l/m² bis zum Morgen des 11. März. Vom Kern des
Tiefdruckgebietes ANGELA ging außerdem eine Okklusionsfront nach Südosten aus,
die über das Europäische Nordmeer bis etwa zum Polarkreis reichte, wo sich der
Okklusionspunkt befand. An diesem Punkt teilte sich die Okklusion in eine
entlang der südnorwegischen Küste bis zur Nordsee verlaufende Warmfront und
eine über 1000 km nach Südwesten reichende Kaltfront auf. Bemerkenswert
sind die Windgeschwindigkeiten, die besonders südlich des Zentrums des Wirbels
ANGELA auftraten. So wurde mittags auf den Färöer–Inseln im Mittel
Windstärke 9 mit 46 kn bzw. rund 85 km/h erreicht, und in Böen
gab es mit 65 kn, also rund 120 km/h sogar Orkan.
Am 12. März lag die Zyklone ANGELA knapp westlich
der Linie Nordkap–Spitzbergen und wies einen Kerndruck von rund 980 hPa
auf. Eine rücklaufende Okklusion reichte in einem leichten Bogen bis zur Insel
Jan Mayen, die voranlaufend über Finnland hinweg bis nach Helsinki. Dort
teilte sie sich in eine Warmfront, welche südwestlich über die Ostsee bis nach
Prag reichte und dort in die Kaltfront eines weiteren Tiefs überging, und in
eine Kaltfront, die westlich bis nach Oslo reichte.
Bis zum nächsten Tag spaltete sich das
Tiefdruckgebiet in zwei Kerne auf, das Zentrum ANGELA I zwischen
Spitzbergen und dem Nordkap, und das Tief ANGELA II über dem Nordwesten
Russlands, zwischen Archangelsk und Moskau.In beiden Kernen herrsche ein leicht
gestiegener Druck von knapp über 990 hPa. Weiterhin waren die beiden Zentren
durch eine Okklusionsfront miteinander verbunden. Südlich an das Teiltief
ANGELA II schloss sich eine in einem weiten Bogen östlich an Moskau bis in
die Ukraine verlaufende Okklusionsfront an, an deren südwestlichem Ende sie
sich in eine über den nördlichen Balkan bis über Mittelitalien reichende
Warmfront und eine bis über Zentralpolen verlaufende Kaltfront teilte. Beide
Fronten hatten wiederum Anschluss an Luftmassengrenzen anderer
Tiefdruckgebiete. Besonders über dem Nordwesten Russlands, wie beispielsweise
an den Wetterstationen Archangelsk und Murmansk, kam es gebietsweise zu teils
schauerartig verstärkten Schneefällen.
Mit der eingeflossenen polaren Kaltluft sank die
Temperatur bis zum Morgen des 14. März bei Aufklaren örtlich in den strengen
Frostbereich. In Archangelsk zeigte das Quecksilber -14°C als Tiefstwert an.
Mittlerweile hatte sich der Wirbel ANGELA I weiter nach Norden bewegt und
verließ dabei den Analysebereich der Berliner Wetterkarte. Der Kern ANGELA II
wurde daher wieder als ANGELA geführt. Dieser lag nordöstlich von Moskau in der
Region Jaroslawl, wo ein Kerndruck von etwa 990 hPa gemessen wurde. In
ähnlicher Weise wie am Vortag zog sich eine Okklusionsfront nach Norden bis zum
Nordpolarmeer, vermutlich bis zum abgezogenen Kern des Systems. Eine weitere
Okklusionsfront ging vom Kern aus nach Südosten und verlief bis zum südlichen
Ural. Im europäischen Teil des nördlichen Russlands schneite es gebietsweise
weiterhin, und auch im Hinblick auf die Temperaturen waren die Fronten immer
noch aktiv. Während die Temperatur in Archangelsk auf der kalten Seite, also
hinter der nördlichen Okklusionsfront tagsüber im mäßigen Frostbereich
verharrte und -6°C erreichte, stieg die Temperatur auf der wärmeren Seite der
Front, also davor, in Moskau auf 1°C an.
In der folgenden Nacht wurde es dann in Moskau mit
-10°C Tiefsttemperatur zwar auch sehr frostig, in Archangelsk jedoch sank die
Temperatur noch deutlich weiter bis auf -22°C. Der Kern des Tiefs ANGELA hatte
sich an den Westrand des südlichen Urals verlagert und besaß einen Druck von
ca. 985 hPa. Das kalte Wetter mit Schneefällen und zum Teil sehr strengen
Nachtfrösten setzte sich im Norden Russlands fort.
Am 16. März hatte das Tiefdruckgebiet ANGELA mit
einem Kerndruck von etwa 1000 hPa den Ural erreicht. Weiterhin gab es
Schneefälle und teils sehr tiefe Temperaturen im äußersten Nordosten Europas.
Da sich das Tief weiterhin ostwärts verlagerte,
konnte es ab dem Folgetag nicht mehr auf der Berliner Wetterkarte analysiert
werden.
Geschrieben am 02.06.2012 von Heiko Wiese
Berliner Wetterkarte: 11.03.02012
Pate: Angela Busch