Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet ANJA

(getauft am 18.07.2020)

 

In der Nacht vom 17.07.2020 zum 18.07.2020 entwickelte sich an der Kaltfront von Tief ZANARIN über der Nordsee eine Wellenstörung, die dadurch zustande kam, dass mit dessen Kaltfront kalte Luft aus dem Norden auf warme Luft von Hoch ZEBEDÄUS aus dem Süden traf. Dahingehend verschärften sich in dieser Region die thermischen Gegensätze. Korrespondierend zu der Wellenstörung am Boden befand sich in der Höhe ein Trog, also ein Kaltluftvorstoß nach Süden. Die Bildung von Wellenstörungen bzw. Tiefdruckgebieten an dessen Vorderseite ist typisch, da es entlang der Trogvorderseite oft zur Divergenz, also zum Auseinanderströmen der Luftmassen, kommt und damit einhergehend ein Aufsteigen der Luft in Bodennähe verursacht wird, welches zum Fallen des Atmosphärendrucks führt. Da eine Wellenstörung meist das Anfangsstadium eines jungen Tiefdruckgebietes impliziert und der Einfluss auf das Wetter in Mitteleuropa absehbar war, entschieden sich die Meteorologen der Berliner Wetterkarte diese in der Prognose für den 19.07 auf den Namen ANJA zu taufen.

Am 19.07. wurde die Welle ANJA dann erstmalig namentlich auf der Berliner Wetterkarte erwähnt und lag um 00 Uhr UTC, was 01 Uhr MEZ entspricht, mit dem Kern über Südskandinavien, umgeben von den Tiefdrucksystemen ZANARIN I und ZANARIN II sowie dem Hoch ZEBEDÄUS. Zur besagten Zeit besaß der Kern der Welle ANJA einen Luftdruck von knapp 1015 hPa. Die Warmfront verlief vom Kern aus nach Norden und ging über Nordskandinavien in das Frontensystem des Tiefdruckkerns ZANARIN II über. Vom Kern des Tiefdruckgebietes ANJA aus erstreckte sich ihre Kaltfront nach Südwesten durch den Süden Englands bis zum Azorenhoch ALBRECHT, wo sie in eine Warmfront eines weiter westlich über dem Atlantik liegenden Tiefs überging. Die Nähe zum Tiefdruckkern ANJA und deren Kaltfrontdurchgang sorgte im Tagesverlauf im Süden Skandinaviens für leichten bis mäßigen Regen. Die höchsten Niederschlagsmengen wurden auf den schwedischen Koster-Inseln in Nordkoster gemessen, hier gab es bis 20 Uhr MEZ 12-stündige Niederschlagsmengen von bis zu 17 mm.

 

Die Welle verlagerte sich nur langsam und befand sich bis zum 20.07. um 01 Uhr MEZ bei fast unverändertem Kerndruck weiterhin über Schweden östlich von Trondheim. Die Warmfront verlief nördlich durch Skandinavien, die Kaltfront erstreckte sich vom Kern aus in südwestliche Richtungen über den Norden Deutschlands, hinweg über Frankreich bis in den Atlantischen Ozean nordöstlich der Azoren. Mit dem Durchzug der Kaltfront kam es zu teils stark ausfallenden Regenschauern und Gewittern. Beispielsweise In Coschen nahe der deutsch-polnischen Grenze, dort fielen um 16 Uhr MEZ innerhalb von einer Stunde 29 mm Niederschlag. Innerhalb der Gewitterzellen erreichte der sonst eher schwach ausgeprägte Wind in Böen Geschwindigkeiten bis zu Windstärke 8 auf der Beaufort-Skala. Auf der Schneekoppe, der höchsten Erhebung des Riesengebirges in Tschechien, wurden sogar orkanartige Böen der Stärke 11 aufgezeichnet. Die maximal erreichte Windgeschwindigkeit betrug 104 km/h um 19 Uhr MEZ.

 

Am Folgetag, den 21.07. um 01 Uhr MEZ befand sich das inzwischen nun eigenständige Tiefdruckgebiet ANJA nach weiterer Verlagerung nach Osten mit dem Kern über dem Bottnischen Meerbusen, von wo aus sich die Kaltfront über Polen bis nach Süddeutschland erstreckte. Die Warmfront verlief vom Kern aus nach wie vor nördlich und reichte bis in die Barentssee. Der Kerndruck hatte sich zum Vortag intensiviert und betrug nun knapp 1010 hPa. Entlang den Fronten gab es in Skandinavien und Osteuropa viele Regenschauer sowie Gewitter. Die größten Niederschlagssummen traten in Vidsel in Nordschweden mit 30 mm innerhalb 12 Stunden bis 20 Uhr MEZ auf.

Bis zum 22.07. verstärkte sich die Zyklone auf einen Kerndruck von circa 1005 hPa und verschob sich etwas nach Norden bis zur schwedisch-finnischen Festlandgrenze. Von dort aus erstreckte sich die Warmfront nach Norden und reichte ins Arktische Meer hinein. Die Kaltfront verlief südöstlich an St. Petersburg vorbei und weiter südwestlich bis in die Ukraine. Besonders starke gewittrige Regenschauer gab es entlang der Kaltfront in Finnland, an der Station Kajaani Petaeisenniska wurden bis 20 Uhr MEZ 12-stündige Niederschlagsmengen von knapp 42 mm gemeldet. Weiter südlich entlang der Kaltfront in Russland nahm die Intensität der Regenschauer deutlich ab. In Gewitternähe wurden vereinzelt Sturmböen bis Windstärke 9 gemessen.

Mit einem Kerndruck von knapp 995 hPa intensivierte sich das Tiefdruckgebiet ANJA abermals bis zum Folgetag, den 23.07. und befand sich um 01 Uhr MEZ östlich der finnischen Stadt Oulu. Die Warmfront des Tiefs durchquerte von dort aus die skandinavische Halbinsel Richtung Norden. Die Kaltfront reichte vom Tiefdruckkern nach Osten in Russland hinein und verlief anschließend weiter südlich bis zum Schwarzen Meer. In höherlegenden Regionen Skandinaviens kam es vereinzelt zu Böen der Windstärke 9,  an den meisten Orten wurde Windstärke 7 (starke Böen) aber nicht überschritten. Der Norden der skandinavischen Halbinsel war fast durchgängig von Niederschlag betroffen, in der schwedischen Stadt Luleå wurden die höchsten Mengen von 34 mm innerhalb von 12 Stunden bis 20 Uhr MEZ erreicht.

Am 24.07. um 01 Uhr MEZ befand sich der Kern des Tiefdruckgebiets ANJA etwas weiter südlich über dem Bottnischen Meerbusen. Der Kerndruck blieb zum Vortag unverändert und es bildete sich eine Okklusion aus. Dies ist eine Mischfront, die durch das Einholen der Warmfront durch die Kaltfront entsteht. Beim Aufeinandertreffen der Fronten schiebt die schnellere kalte Luft die langsamere Warmluft nach oben, wodurch oft Wolken und entsprechend dann auch Niederschlag verursacht werden.  Die Okklusionsfront der Zyklone ANJA verlief nördlich bis zum Okklusionspunkt, also dem Punkt an dem Kalt- und Warmfront aufeinandertreffen, in der Nähe der Stadt Luleå. Davon ausgehend erstreckte sich die Warmfront weiter nach Norden bis in den Arktischen Ozean, die Kaltfront verlief nordöstlich und endete nördlich der Stadt Murmansk. Wie bereits am Vortag regnete es fast durchgehend in der Nordhälfte Skandinaviens, wobei die Niederschlagsereignisse nahe der Stadt Trondheim am stärksten ausfielen. Mit 18 mm Regen hatte die Station Frosta bis 19 Uhr MEZ die größten Niederschlagsmengen in den letzten 12 Stunden gemessen. Der überwiegend schwache Wind erreichte in Böen nur vereinzelt in Berg- oder Küstenregionen die Windstärke 7 bis 8.

 

Bis zum nächsten Tag um 01 Uhr MEZ stieg der Kerndruck des Tiefs, bei unveränderter Lage über der Ostsee, auf knapp 1000 hPa. Die Okklusionsfront verlief im Bogen zunächst südöstlich über Helsinki, weiter nach Westen bis zur schwedischen Küste und durchquerte von dort aus Skandinavien nordwestwärts bis in den Arktischen Ozean. Entlang dieser Front kam es im Tagesverlauf zu starken Regenschauern und Gewittern, die finnische Wetterstation Vesanto Sonkari meldete die höchsten 12-stündigen Niederschlagsmengen mit 42 mm bis 19 Uhr MEZ, stündliche Maxima betrugen hier 10 mm. An der knapp 1000 Meter hochgelegenen Station Kistefjell im Norden Norwegens wurden Windböen bis maximal 100 km/h gemessen, welches Windstärke 10 entspricht, im Innenland wurde Windstärke 7 allerdings kaum überschritten.

Am Folgetag, dem 26.07. um 01 Uhr MEZ, befand sich Tiefdruckgebiet ANJA am nördlichen Ende des Bottnischen Meerbusens. Mit einem nun inzwischen deutlich abgeschwächten Kerndruck von circa 1010 hPa war die Zyklone nun vollständig okkludiert. Entlang der Okklusionsfront, die vom Kern aus südöstlich über St. Petersburg in einem Bogen bis zu den Karpaten reichte, waren noch vereinzelte Regenschauer möglich, bis 19 Uhr MEZ wurden beispielsweise in Padany in Russland 12-stündige Niederschlagswerte von 20 mm gemessen.

Bis zum nächsten Tag löste sich Tief ANJA letztendlich vollständig auf und konnte daher nicht weiter auf der Bodenwetterkarte analysiert werden.