Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet ANTHEA

(getauft am 10.09.2018)

 

Die Westwindzone, die am 08.09.2018 auch über die kanadische Provinz Quebec verlief, verformte sich an diesem Tage wellenförmig südwärts, sodass sich ein Tiefdrucktrog über Nordostkanada bildete. Die Westwindzone ist ein Bereich starker Höhenwinde, welche aufgrund großer Temperaturgegensätze zwischen den nördlichen polaren und den südlichen subtropischen Luftmassen entstehen. Diese Zone verläuft nicht immer parallel zu den Breitenkreisen, sondern verformt sich wellenförmig nach Norden und Süden, wobei sich eine ortsfeste Front bildet, an der Warmluft über Kaltluft aufsteigt und somit sowohl zu starker Wolkenbildung als auch zu einem Druckabfall führt. Nördlich dieser Westwindzone entstand bereits in der Nacht zum 09.09. ein Tiefdruckgebiet mit einem Kerndruck von knapp 1000 hPa, das vorerst noch unbenannt über den Nordatlantik nach Osten zog. Am 10.09.2018 wurde das Tief jedoch in der Prognose für den Folgetag auf den Namen ANTHEA getauft, da es im weiteren Verlauf das Wettergeschehen in Europa beeinflussen sollte.

Am 11.09. um 00 Uhr UTC, was 02 Uhr MESZ entspricht, lag das Zentrum des Tiefs ANTHEA unmittelbar nordwestlich von Schottland mit einem Minimaldruck von unter 1000 hPa. Dabei verlief eine Okklusionsfront von den Orkney-Inseln bis über die Nordsee östlich von Aberdeen. Eine Okklusion ist die Vereinigung von Warm- und Kaltfront, die aufgrund der schnelleren bodennahen Bewegung der Kaltfront, welche die Warmfront einholt, entsteht. Die Kaltfront verlief vom Okklusionspunkt über der Nordsee über Nordengland und südlich an Irland vorbei bis weit über den Atlantik. Im Kaltsektor, also dem Bereich hinter der Kaltfront, wurden in Nordschottland nur noch maximal 14°C gemessen und an der schottischen Station Tulloch Bridge bis zu 18 mm Niederschlag innerhalb von 24 Stunden gemeldet. Die kurze Warmfront verlief größtenteils südwärts über die Nordsee, bis sie nördlich von Norwich bis nach London auch das Wettergeschehen über Land beeinflusste. So wurden im Londoner Raum bis zu 25°C, in Birmingham 19°C und in Bristol 18°C erreicht.

Zum 12.09. verlagerte sich die Zyklone ANTHEA nordostwärts und lag um 00 Uhr UTC über dem Bottnischen Meerbusen. Dabei lag der Kerndruck bei ungefähr 995 hPa. Die kurze Okklusion verlief vom Zentrum aus über Südfinnland bis zum Okklusionspunkt über der finnischen Ostsee, also dem Punkt, wo Warm- und Kaltfront zusammentreffen. Die Warmfront erstreckte sich über die baltischen Staaten bis über Warschau. Nur wenig westlicher erstreckte sich die Kaltfront, welche entlang der litauischen und polnischen Ostseeküste über Norddeutschland bis zum Ärmelkanal reichte und südlich des großräumigen Hochdruckgebiets RODEGANG über dem Atlantik in eine Warmfront überging. Im Bereich der Kaltfront kam es in Norddeutschland zu leichtem Regen, wobei innerhalb eines Tages z.B. in Ottbergen und Lengede Regenmengen von nur 9 mm gemessen wurden. Ansonsten wurden verbreitet auch nur 2 bis 5 mm Regen gemeldet. In Hamburg, Bremen und Amsterdam konnten um 15 Uhr UTC Temperaturen um 15°C verzeichnet werden, während südöstlich der Kaltfront im Einflussbereich des Hochs QUIRIN in Straßburg 32°C, in Stuttgart 30°C und in Berlin 26°C erreicht wurden. Dabei bildete das Tief ANTHEA zusammen mit dem vorangegangenen Tief ZEKIYE, welches sich über dem Nordpolarmeer südlich von Spitzbergen befand, einen Höhentrog. Dieser erstreckte sich durch die ganze Troposphäre und war auch auf einem Druckniveau von 300hPa-Karte, was ungefähr einer Höhe von etwa 9 000 m entspricht, deutlich zu erkennen.

Am Folgetag befand sich der Wirbel ANTHEA um 00 Uhr UTC mit einem Kerndruck von gut 975 hPa noch weiter nordöstlich über dem Weißen Meer. Die Kaltfront verlief von dort zunächst etwas nach Nordosten entlang der russischen Küste an der Barentssee und dann südlich von Archangelsk südwestwärts durch Weißrussland, Polen, nördlich der Alpen bis über die Biskaya. Die südöstliche Verlagerung der Kaltfront führte in Mitteleuropa zu einem Temperatursturz von mehr als 10K. So wurden in Straßburg nur noch maximal 19°C, in Stuttgart 20°C und in Berlin 17°C erreicht. Dabei kam es im Alpenvorland zu starkem Niederschlag, z.B. in Eurasburg bei Augsburg mit 54 mm, in Ingolstadt mit 37 mm und in Kempten 32 mm Regen innerhalb von 24 Stunden.

Zum 14.09. verlagerte sich der Tiefdruckwirbel ANTHEA Richtung nördlichem Ural und führte in Archangelsk zu leichten bis mäßigen Schauern bei Höchsttemperaturen von 12°C und einem wolkenverhangenen Himmel. Wolkenbildung wird durch das Aufsteigen von Luftmassen verursacht, wobei der Wasserdampf in der Luft kondensiert. Ansonsten waren bei einem wieder erhöhten Kerndruck von rund 985 hPa kaum relevante Wetterereignisse mehr zu verzeichnen. So verlor das Tief ANTHEA auch am 15.09. immer weiter an Bedeutung und verschwand zum 16.09. vom Analysebereich der Berliner Wetterkarte.