Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet
ANTJE
(getauft am
21.12.2016)
Zu Beginn der
dritten Dezemberdekade 2016 entwickelte sich über dem Osten der Vereinigten
Staaten Amerikas ein Tiefdruckgebiet, welches von den Meteorologen der Berliner
Wetterkarte in der Prognose für den 22. Dezember auf den Namen ANTJE getauft
wurde. Das Tief ANTJE wies am 21. Dezember einen Kerndruck von 1005 hPa auf,
verstärkte sich allerdings zum Folgetag nicht wesentlich.
Am 22. Dezember um
01 Uhr MEZ befand sich der Wirbel ANTJE über den nördlichen Regionen
Neufundlands. Vom Kern des Tiefdruckgebietes verlief eine Okklusion, also eine
Mischfront, die entsteht, wenn die langsamer ziehende Warmfront von der
schnelleren Kaltfront eingeholt wird, nach Südosten. Okklusionsfronten vereinen
somit die Eigenschaften von Warm- und Kaltfronten. Die Okklusion teilte sich am
Okklusionspunkt in eine nach Südwesten verlaufende Kaltfront und in eine
Warmfront auf, die sich nach Osten über den Atlantik erstreckte und nahe der Azoren in die Kaltfront eines über der westfranzösischen
Küste liegenden, unbenannten Tiefs überging.
In der westlichen
Höhenströmung zog der Tiefdruckwirbel ANTJE unter Verstärkung auf 975 hPa über
den Atlantik und lag am 23. Dezember um 01 Uhr MEZ bereits südlich von Island
bzw. westlich der Britischen Inseln. Die kurze Okklusion verlief in einem Bogen
nach Südosten. Vom Okklusionspunkt auf der Breite von Edinburgh erstreckte sich
die Kaltfront bogenförmig gen Westen über den Atlantik und ging in das
Frontensystem des nachfolgenden Tiefs BARBARA über. Die weiter östlich
verlaufende Warmfront führte nach Süden und endete über dem Atlantik auf der
Breite von Budapest. Beim Überqueren der Britischen Inseln sorgte der Wirbel
ANTJE für Spitzenböen von bis zu
187 km/h in den Cairngorm Mountains, 183 km/h auf dem 1130 hohen Aonach Mòr oder 144 km/h an der
Station Great Dun Fell. Auch in den Tälern von Wales konnten bis zu 120 km/h
gemessen werden. Bis zum Abendtermin wurden innerhalb eines Messzeitraumes von
24 Stunden 38 l/m² in Keswick, 35 l/m² in Shap, 28
l/m² in Tulloch Bridge oder 14 l/m² in Strathallan registriert, während im Süden Englands meist
nur Mengen von unter einem Liter gemessen wurden. Die kompakte Bewölkung lies
dabei nur eine Stunde Sonne in den irischen Shannon, Thomastown
und Dublin zu, während sich die Sonne in Schottland, Wales sowie England nicht
blicken ließ. Mit der kräftigen westlichen Strömung floss recht milde Luft ein,
so dass bis zu maximal 13°C in Hawaden oder auch 11
bis 13°C Höchsttemperatur in der Grafschaft Cornwall gemessen wurden.
Von Grönland bis
Mitteleuropa zog sich in einer Höhe von etwa 5,5 km ein starkes nach Westen
ausgerichtetes Windband. Darin eingebettet war das Tief ANTJE, das an
Heiligabend bereits östlich von Island lag und sich stark vertieft hatte. Der
Kerndruck der Zyklone, welche sich zu einem kräftigen Sturmwirbel entwickelt
hatte, lag bei unter 955 hPa. Vom Kern des Tiefs verlief die Okklusion über
Südskandinavien, den Niederlanden bis nach Westfrankreich, wo sich der
Okklusionspunkt befand. Die kurze Warmfront zog sich bis über die Nordküste
Spaniens und die Kaltfront weiter nach Westen hinaus über den Atlantik, um sich
dem Frontensystem des Tiefs BARBARA südlich von Neufundland anzuschließen,
welches in der Westlage auch rasch ostwärts zog. Dabei erreichte der Wind im
Einflussbereich des Sturmwirbels ANTJE Orkanstärke. An der südnorwegischen
Küste wurden vielerorts Böen bis zu 140 km/h, wie in Ona
Li oder 112 km/h in Lista Fyr
erreicht. Auch in den schottischen Highlands wurden Windböen der Stärke 11 bis 12
gemessen. In der Nacht meldeten alle friesischen Inseln an der deutschen
Nordseeküste mindestens Böen der Stärke 9. List auf Sylt meldete Böen bis zu 94
km/h und damit 10 Beaufort. In den deutschen Mittelgebirgen wurden noch 9
Beaufort auf dem Feldberg im Schwarzwald, Windstärke 10 auf dem Brocken im Harz
sowie auf dem Fichtelberg im Erzgebirge gemessen. Mit der vorherrschenden
Westlage einhergehend wurde recht milde Luft herangeführt, sodass die
Höchsttemperaturen in Deutschland bei 5 bis 8°C lagen. Im Westen des Landes
konnten sogar maximal 10°C gemessen werden, wie in Freiburg. Am Vortag wurden
vor allem im Erzgebirge noch Eistage registriert, für welche die
Maximaltemperatur unter 0°C liegen muss. Dabei brachte das zu Tief ANTJE
zugehörige Niederschlagsfeld meist nur geringe Regenmengen. Auf Helgoland
fielen bis zum Abend innerhalb von 14 Stunden noch 10 l/m², die Station am
Feldberg registrierte 3 l/m², aber vor allem in Süddeutschland konnte nur
Niederschlag von unter einem Liter gemessen werden. Der Niederschlag trat dabei
meist in flüssiger Form als Regen auf, nur auf dem Fichtelberg betrug die
Schneehöhe am Heiligabend 18 cm, auf dem Brocken lag noch 1 m. In der Nacht zum
25. Dezember konnten sich rückseitig der Okklusion an der Nordseeküste sowie im
Berliner Raum noch Gewitterzellen ausbilden, die aber keine großen
Niederschlagsmengen brachten.
Zum 25. Dezember
bildete das Tiefdrucksystem ANTJE zwei Kerne aus. Das Tief ANTJE I befand sich
mit einem Kerndruck von 975 hPa vor der norwegischen Küste bei Trondheim, der
Wirbel ANTJE II weiter nordöstlich über Finnland. Beide Kerne waren durch eine
Okklusion miteinander verbunden, welche sich in einem Bogen über den
Nordatlantik bis nach Nordfinnland erstreckte. Von Tief ANTJE II verlief die
Okklusionsfront weiter über Russland nach Südwesten und endete, zwischendurch
Warmfrontcharakter annehmend, bei Budapest. Dabei fielen in Skandinavien an der
norwegischen Küste noch 54 l/m² in Modalen, 25 l/m² in Evanger
und 28 l/m² in Trondheim bis 19 Uhr MEZ. In Finnland wurden meist 4 bis 6 l/m²
gemessen. Besonders im Einflussbereich des Wirbels ANTJE I wurden an der
norwegischen Küste vereinzelt noch Böen der Stärke 11 gemessen. Auch der
nachfolgende Wirbel BARBARA hatte sich zu einem Sturmtief entwickelt und sorgte
am Nachmittag und Abend in Skandinavien für Orkanböen. An der Okklusion des
Tiefs ANTJE, welche Russland ostwärts überquerte, fielen nur noch geringe
Niederschlagssummen.
Bis zum 26.
Dezember verlagerte sich der Wirbel ANTJE, welcher nur noch aus einem Kern
bestand, Richtung Nordmeer und lag um 01 Uhr MEZ mit einem unveränderten
Kerndruck von 975 hPa nördlich der Halbinsel Kola. Von dort verlief die
Okklusion der Zyklone in einem Bogen quer über Russland zum Schwarzen Meer.
Am 27. Dezember
befand sich das Tief ANTJE über der Barentsee östlich
von Spitzbergen. Die Okklusion brachte beim Überqueren noch 3 l/m² an der
Station Ny Alesund sowie
0,3 l/m² in Barencburg bis zum Abend innerhalb von
12 Stunden. Der Wirbel wies noch immer einen Kerndruck von etwa 975 hPa auf,
aber im weiteren Verlauf verlagerte sich die Zyklone aus dem Analysebereich der
Berliner Wetterkarte, so dass der 27. Dezember der letzte
Tag war, an dem das Tiefdruckgebiet ANTJE auf der Bodenwetterkarte namentlich
verzeichnet werden konnte.
Geschrieben am
29.01.2017 von Natja Bublitz
Berliner
Wetterkarte: 24.12.2016
Pate: Antje Bahlinger