Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet
ARNO
(getauft am
08.07.2021)
Einen Ausgangspunkt in der
Entstehungsgeschichte von Tiefdruckgebiet ARNO bildete eine markante
Luftmassengrenze, gewaltigen Ausmaßes, von der Karasee über die Baltischen
Staaten und Polen hinweg bis zur Küste Algeriens. Die Luftmassengrenze trennte
zu diesem Zeitpunkt die im Westen befindliche maritime, also feuchte und
erwärmte Subpolarluft (mPs) von der vergleichsweise
trockenen Subtropikluft sowie kontinentaler Tropikluft (xS
und cT) im Osten. Bereits auf der Vorhersage der
Bodenwetterkarte vom 08.07. für den darauffolgenden Tag, den 09.07. um 12 UTC
(Universal Time Coordinated, Weltzeit) wurde entlang
der Luftmassengrenze, über der Ostseeküste Polens, ein Gebiet geringen
Luftdruckes prognostiziert. Der kommende Tag zeigte das Gebiet geringen
Luftdruckes zwar weiter südlich, über Österreich und Slowenien, jedoch stimmte
der Kerndruck von etwa 1013 hPa mit der Prognose überein, sodass dieses neu
entstandene Tiefdruckgebiet von den Meteorologen der Berliner Wetterkarte auf
den Namen ARNO getauft werden konnte. Bereits mit einer zwar schwach
ausgeprägten, jedoch eigenständigen Zirkulation ausgestattet erstreckte sich in
diesem noch sehr jungen Zyklonenstadium, vom Zentrum
ausgehend, die Warmfront von Tief ARNO entlang der Luftmassengrenze nach
Norden, sowie die Kaltfront entlang der Luftmassengrenze nach Süden über das
Mittelmeer hinweg bis knapp über die Küste Algeriens. In Bezug auf das Wetter
über Europa konnte die Zyklone ARNO schon jetzt Einfluss nehmen. Im
Zusammenspiel mit dem Hochdruckgebiet CORNELIEKE über dem nahen Russland sorgte
die Drehrichtung der Hoch- und Tiefdruckgebiete für eine südliche
Anströmrichtung mit heißer Luft von jenseits des Mittelmeeres. So erreichte die
Hitzewelle im Südosten Europas am Tag zuvor ihren vorläufigen Höhepunkt.
Verbreitet stieg die Temperatur über 35°C, örtlich über 40°C. Das griechische Konitsa verzeichnete 40,9°C, das albanische Shkodra 41,0°C
und Mostar in Bosnien und Herzegowina 41,4°C. Selbst ein Temperaturfühler in
der Innenstadt von Wien verzeichnete noch 37,1°C. Auch am 09.07. wurden in
einem breiten Bereich vom südlichen Ungarn bis zum griechischen Festland noch
Temperaturen jenseits der 30-Grad-Marke registriert. Das griechische Konitsa bildete mit 40,8°C dabei erneut einen
Spitzenreiter. Über der Südhälfte Deutschlands wurden inzwischen in der mit
viel Feuchtigkeit gesättigten Luft immer wieder Niederschläge in Form eines
Regengebietes ausgelöst. Während in der Südosthälfte bereits kräftige
Niederschläge 20 bis 50 l/m² brachten, sorgte das sich herausbildende Tiefdruckgebiet
ARNO, von der Ostschweiz über dem östlichen Baden-Württemberg bis in den
Nordwesten Bayerns für eine zusätzliche Hebung der Luftmassen und damit für
eine zusätzliche Verstärkung des Regengebietes. Das mitunter gewittrig durchsetzte Niederschlagsgebiet brachte 50 bis 80 l/m², in
der Schweiz am Tag zuvor und in der Nacht zum 09.07. vereinzelt auch über 100
l/m².
Auf der Bodenwetterkarte vom
10.07. blieben die Luftdruckverhältnisse über dem europäischen Festland im
Vergleich zum Vortag weitestgehend unverändert. Aufgrund der blockierenden
Wirkung, des sich über Osteuropa und Westrussland befindlichen
Hochdruckgebietes CORNELIEKE, konnte sich die Zyklone ARNO nicht, der
sogenannten Westwinddrift entsprechend, weiter nach Osten verlagern. Stattdessen
zog das Tiefdruckgebiet ARNO entlang der vorderseitigen, markanten
Luftmassengrenze nach Norden über die Ostsee bis zur äußersten Südspitze
Skandinaviens. Auf dem Weg dorthin blieb der Kerndruck von etwa 1013 hPa nahezu
unverändert und es entwickelte sich bereits eine, vom Zentrum des Tiefs
ausgehende, kurze Okklusionsfront bis zum Okklusionspunkt. Zur Erklärung: Eine
Okklusion ist eine Mischfront, welche entsteht, wenn die schnellere Kaltfront
die vorlaufende, jedoch langsamere Warmfront einholt und so die wärmere Luft
aufsteigen lässt. Der Punkt an dem sich die Okklusion in Kalt- und Warmfront
aufteilt wird als sogenannter Okklusionspunkt definiert. Vom Okklusionspunkt
ausgehend verlief nach Nordosten die Warmfront und in einem engen Bogen nach
Süden schließlich die Kaltfront. Das Radarbild zeigte zu diesem Zeitpunkt ein
breites, sich in einem weiten Bogen von den dänischen Inseln über die
Lüneburger Heide hinweg bis in die Leipziger Tieflandsbucht
erstreckendes, stellenweise schauerartig verstärktes Regengebiet. Da sich der
Kern des Tiefs ARNO auf seinem Weg nach Norden nur knapp östlich von Berlin
befand, drehten sich die Niederschlagsgebiete etwa von den Abendstunden des
09.07. bis in die frühen Morgenstunden des 10.07. außerhalb um das Stadtgebiet
herum, sodass an der Station Berlin-Dahlem 12-stündige Niederschlagssummen von
lediglich 1 bis 4 l/m² und in Potsdam bis zum Abend 11 l/m² zusammen kamen.
Etwas weiter um das Drehzentrum der Zyklone ARNO herum, dort wo die Gewitter
vereinzelt kräftiger ausfielen, kamen an der Oder aber auch in
Mecklenburg-Vorpommern mindestens 20 l/m², vereinzelt auch über 40 l/m²
zusammen. Die höchsten Werte wurden jedoch an der Grenze von Sachsen-Anhalt und
Brandenburg mit häufig mehr als 50 l/m² gemessen. Die Station Zerbst-Flughafen
in Sachsen-Anhalt vermeldete sogar 96,2 l/m².
Die blockierende Hochdruckbrücke
von Nordskandinavien über Osteuropa bis zum Schwarzen Meer blieb auch auf der
Bodenwetterkarte vom 11.07. noch weiter erhalten. So verlagerte sich die Zyklone
ARNO weiter nach Norden über die Grenze zwischen Nordwegen und Schweden, knapp
nördlich des 60. Breitengrades. Der Kerndruck intensivierte sich dabei auf
etwas weniger als 1010 hPa. Dabei holte die nachfolgende Kaltfront die
vorlaufende Warmfront weiter ein, sodass sich nun eine beachtliche
Okklusionsfront von der Südspitze Skandinaviens über Oslo durch den Kern
hindurch bis zum Okklusionspunkt über die Baltischen Staaten erstreckte. Die
Warmfront schloss sich nachfolgend nach Südosten hin an, während sich die
Kaltfront weiter in Richtung Süden etwa bis zum 50. Breitengrad erstreckte. Mit
der allmählichen Verlagerung nach Norden verlor die Zyklone ARNO den
unmittelbaren Einfluss auf das Wetter über Zentraleuropa. In einem breiten
Streifen von Niedersachsen bis nach Brandenburg beziehungsweise Sachsen blieb
es bereits gänzlich trocken, dennoch brachten die Ausläufer des Tiefdruckgebietes
ARNO am 10.07. noch letzten Regen in Mecklenburg-Vorpommern. Dabei kamen
12-stündige Niederschlagssummen bis zum Abend von meist weniger als 5 l/m²
zusammen, lediglich an der Station Plau am See waren es noch einmal 8,6 l/m².
Auf der Bodenwetterkarte vom
12.07. verlagerte sich das Gebiet geringen Luftdrucks namens ARNO weiter nach
Norden und wurde von dem bereits im Norden befindlichen Hochdruckgebiet in
seiner Ausdehnung gestaucht. Diese Stauchung hatte eine Zweiteilung der Zyklone
ARNO zur Folge, sodass sich das Tiefdruckteilzentrum ARNO I knapp nördlich des
65. Breitengrades über dem Europäischen Nordmeer, zwischen Island und Norwegen
befand. Das Tiefdruckteilzentrum ARNO II befand sich hingegen etwas weiter
nordwestlich und damit knapp nördlich des Polarkreises über Nordschweden.
Während die Teilzyklone ARNO I bei einem Kerndruck von etwas weniger als 1010
hPa stagnierte, wurde die Teilzyklone ARNO II, in unmittelbarer Nähe zum
nordöstlich gelegenen Hochdruck etwas mit Luft aufgefüllt, sodass dort etwas
weniger als 1015 hPa registriert wurden. Verbunden wurden die beiden
Tiefdruckzentren ARNO I und ARNO II von der etwa 1000 km langen Okklusionsfront
bis zum Okklusionspunkt über der Grenze zwischen Schweden und Finnland. Von
dort aus ersteckte sich lediglich noch eine kurze, kaum wetterwirksame
Warmfront nach Südosten und die bereits rasch nachfolgende Kaltfront nach Süden.
Während in der Mitte und im Süden Skandinaviens vielerorts langanhaltend die
Sonne schien, zeigte die Okklusionsfront von Tiefdruckgebiet ARNO über dem
Norden Skandinaviens noch einmal ihr gesamtes Niederschlagsrepertoire. In einem
recht eng eingegrenzten Gebiet entlang der Okklusionsfront, von der
Nordwestküste Norwegens über Nordschweden bis nach Nordfinnland, wurden von den
Wetterstationen Niederschläge mit nahezu sämtlichen Intensitäten registriert.
Je größer die Temperaturgegensätze zwischen der ehemaligen Warmfront und der
ehemaligen Kaltfront ausfielen, desto intensiver fiel auch der Niederschlag
aus. Die Niederschlagspalette reichte von leichtem bis
starkem Sprühregen über leichten bis mäßigen Regen sogar bis hin zu
leichten bis starken Regenschauern. Letzteres wurde beispielsweise an der
Wetterstation in der norwegischen Kommune Bardufoss
vermeldet. Daneben blieb der Himmel häufig stark bewölkt oder ganztägig
bedeckt, vereinzelt wurde in der mit Feuchtigkeit gesättigten Luft auch Dunst
oder Nebel vermeldet.
Auf der Bodenwetterkarte vom
13.07. hatten sich die beiden Teilzyklonen ARNO I und ARNO II wieder zu einem
Kern, welcher weiter als ARNO bezeichnet wurde, vereint. Das neue Zentrum von
Tief ARNO befand sich zwischen einem kräftigen Hochdruckgebiet (1020 hPa) über
Nordwestrussland und einem südlich von Grönland herannahenden, ehemaligen
Tropensturm (995 hPa) namens ELSA, sodass sich der Kerndruck bei etwas weniger
als 1010 hPa einpendelte. Die Kaltfront hatte die vorlaufende Warmfront nun
vollständig eingeholt, damit erstreckte sich die Okklusionsfront, ausgehend vom
Polarkreis, westlich entlang des Zentrums von ARNO, in einem weiten Bogen über
das Europäische Nordmeer und der Halbinsel Kola bis über das Weiße Meer. Sowohl
die Okklusionsfront, als auch die sich anschließenden Frontenreste konnten
durch die unmittelbare Nähe zu dem Hochdruckgebiet über Nordwestrussland kaum
noch relevante Wetterwirksamkeit für das europäische Festland nachweisen.
Am darauffolgenden 14.07. hatte
sich der ehemalige Tropensturm ELSA etwas weiter östlich verlagert und damit
auch die Strömungsrichtung über dem Europäischen Nordmeer maßgeblich
beeinflusst. Dem Tiefdruckgebiet ARNO konnte daraufhin, von den Meteorologen
der Berliner Wetterkarte, weder ein Gebiet geringen Luftdruckes noch eine Front
eindeutig zugeordnet werden, sodass es auf der Bodenwetterkarte vom 14.07.
abschließend nicht mehr verzeichnet wurde und damit sein Lebenszyklus beendet
war.