Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet AXEL

(getauft am 15.05.2019)

 

Tief AXEL bildete sich aus einem gen Süden gerichteten Kaltluftvorstoß, der sich Mitte Mai über dem nahen Ostatlantik, westlich von Frankreich, Spanien und Portugal ereignete. Genauer gesagt kam es hier zu einer Zyklogenese, als die höhenkalte Luft im Laufe des 16.05. über die durch die Frühjahrssonne aufgeheizt spanischen Hochebene striff. Die Meteorologen hatten diese Entwicklung bereits einige Tage zuvor prognostiziert; auch, dass das Tief bis nach Mitteleuropa übergreifen sollte und es am 15. Mai in der Prognose für den Folgetag auf den Namen AXEL getauft.

Die Tiefdruckentstehung machte sich zunächst kaum bemerkbar, lediglich über dem Nordwesten Spaniens zogen am 16. Mai vom Atlantik her einzelne, schwache Regenschauer auf. Erst in der sich anschließenden Nacht kam die Zyklogenese in Schwung und schauerartige Niederschläge griffen nun unter deutlicher Intensivierung über die Nordhälfte Spaniens bis nach Südwestfrankreich aus. In einem 12-stündigen Messintervall bis 06 Uhr UTC des Folgetages, was 08 Uhr MESZ entspricht, wurden verbreitet über 10 l/m² gemessen, wobei der Schwerpunkt im Baskenland lag, mit bis zu 44 l/m² in San Sebastian.

Am Morgen des 17. Mai wurde Tief AXEL als Tiefdruckkomplex in der Berliner Wetterkarte über Südwesteuropa analysiert. Der Bereich des niedrigsten Luftdrucks lag dabei mit knapp unter 1005 hPa über dem Osten der Iberischen Halbinsel. Gleichzeitig hatten sich die für ein Tief typischen frontalen Strukturen herausgebildet. So reichte die Warmfront vom Kern ausgehend über das westliche Mittelmeer bis Tunesien und Libyen, die Kaltfront dagegen in südwestliche Richtungen bis zur portugiesischen Inselgruppe Madeira. Schließlich hatte der Wirbel über eine nordwärts reichende Okklusion, also einer Mischform aus Warm- und Kaltfront, Kontakt zu einem Tief bei Island.

Doch damit war die Entwicklung noch nicht abgeschlossen: Im Tagesverlauf spaltete sich das Tief in zwei Teiltiefs auf, eines zog nordwärts nach Frankreich, der andere westwärts bis nach Korsika und Sardinien. Fallender Luftdruck über West- und Südwesteuropa induzierte neue Niederschläge. Diese erfassten Frankreich, Norditalien, die Schweiz und auch Süddeutschland. In Montpellier zum Beispiel regnete es bis zum Abend 17 l/m², in Turin waren es 12 l/m², in Zürich 9 l/m². Größtenteils blieben die Regenmengen jedoch bei unter 10 l/m² in 12 Stunden. Nachts schwächten sich die Niederschläge allgemein ab. Eine Ausnahme bildete jedoch der Westen Frankreichs, speziell die Region Nouvelle Aquitaine und Okzitanien, wo es weitere 5-10 l/m² regnete. Auch zwischen Korsika, Piemont und der Lombardei blieb es alles andere als trocken, stellenweise wurden durch nächtliche Schauer und Gewitter an die 30 l/m² gemessen.

In den Frühstunden des 18. Mai dehnte sich der Einfluss von Tief AXEL von den Britischen Inseln und der Nordsee bis nach Italien und dem westlichen Mittelmeer aus. In den folgenden 48 Stunden schob sich der Tiefdruckkomplex allmählich weiter ostwärts, ein klares Frontensystem fehlte jedoch. Nichts desto trotz sorgte die Zyklone neben kompakterer Bewölkung für weitere Niederschläge, die sich aufgrund des schauerartigen Charakters recht uneinheitlich über nahezu das gesamte Westeuropa verteilten. Während am 18.05. erhöhte Schaueraktivitäten in einem Streifen zwischen Nordspanien, Südfrankreich, dem Norden Italiens bis zum Westbalkan beobachtet wurden, griffen die Regenfälle am 19.05. auch auf die Benelux-Staaten, den Westen Deutschlands, sowie die Schweiz und Österreich über. Dort wo es regnete fielen meist mehr als 10 l/m² in 12 Stunden, eng begrenzt auch an oder über 40 l/m². So wurden beispielsweise am 18.05. zwischen 06 und 18 Uhr UTC im spanischen Santander und in Venedig je 14 l/m² gemessen, tags darauf waren es in Stuttgart 12 l/m² und im französischen Charleroi 15 l/m². Auf der Rückseite des Tiefs gelangte vom Atlantik nur mäßig warme und feuchte Meeresluft nach Westeuropa, sodass die Temperaturen über Frankreich, aber auch Norditalien nur 15-20°C erreichten. Dagegen stieg die Temperatur auf der Tiefvorderseite über Deutschland und den Benelux-Staaten auf frühsommerliche 20-25°C. Aufgrund der nur geringen Luftdruckunterschiede im Bodenniveau, von kaum mehr als 10 hPa auf 1200-1500 km, spielte der Wind, anders als bei "klassischen Atlantiktiefs" übrigens keine Rolle.

Bis zum 20. Mai hatte sich Tief AXEL mit seinem Zentrum schließlich nach Mitteleuropa verlagert. Der niedrigste Luftdruck lag unverändert bei etwas unter 1005 hPa. Dem Tief fehlte jedoch ein eindeutiger Kern und nach wie vor ein klassisches Frontensystem. Dies sollte sich in den folgenden Stunden ändern, da es zu einer Weiterentwicklung der Zyklone kam. Der Impuls hierzu kam aus höheren Luftschichten, wo sich ein sogenannter Kaltlufttropfen, also ein abgeschlossenes Gebiet mit, im Vergleich zur Umgebung, kühleren Temperaturen und niedrigerem Luftdruck befand. Dieser verlagerte sich am 20. Mai mit der Höhenströmung von Norditalien langsam nordostwärts über Bayern nach Österreich und Tschechien, und am darauf folgenden Tag weiter bis nach Polen. Meteorologen sprechen in diesem Falle von einem "VB-Tief", bzw. einer "VB-artiger Zugbahn". Die Besonderheit: Hierbei wird feuchte Luft aus dem Mittelmeerraum ostwärts um die Alpen herumgeführt, mitunter kräftige Regenfälle über dem südlichen und östlichen Mitteleuropa sind dann die Folge. Auch in diesem Falle griffen Niederschlagsfelder, die sich bereits in der Nacht zum 20.05. über dem Alpenraum formiert und intensiviert hatten, nordwärts über Tschechien den Süden und die Mitte Deutschlands bis nach Westpolen und Ostdeutschland aus. Ab den Nachmittagsstunden gesellten sich lokal auch Blitz und Donner hinzu. Trocken blieb es lediglich nördlich vom Rheinischen Schiefergebirge, dem Harz und Mecklenburg, sonst wurden verbreitet zweistellige Regenmengen bis zum Abend gemessen, in der Spitze sogar mehr als 50 l/m² innerhalb von 12 Stunden. Zum Beispiel fielen in Berlin-Dahlem 10 l/m², in München Stadt 36 l/m², in Innsbruck 20 l/m² und in Zürich 43 l/m².

Bis zum Ende des Tages hatte sich dann doch ein eigenes Frontensystem herausgebildet. Vom Kern, der sich am 21.05. um 00 Uhr UTC über Oberfranken und Westböhmen befand, spannte sich eine Okklusionsfront bogenförmig über die Mitte Deutschlands bis zur westlichen Ostsee. Dort trennten sich die Ausläufer in Warm- und Kaltfront. Erstere war nur schwach ausgeprägt und reichte nordostwärts über die zentrale Ostsee bis nach Finnland, zweitere verlief südostwärts über Polen, Rumänien und Bulgarien bis zur Ägäis. Vor allem entlang der Okklusion kam es in der Nacht zum 21.05. zu weiteren Niederschlägen, in den westdeutschen Mittelgebirgen und dem Alpenvorland bedingt durch Staueffekte auch zu ergiebigem Dauerregen. Im Weserbergland, Sauerland, Hessischen Bergland und dem Harz fielen verbreitet über 30 l/m², Spitzenreiter war die Messstation Brilon-Thülen mit 72 l/m² zwischen 18 und 06 Uhr UTC. Ähnliche Mengen wurden auch in Ober-, Niederbayern und Schwaben beobachtet, mit beispielsweise 36 l/m² in Garmisch und 50 l/m² Simbach am Inn.

Am Tage des 21. Mai setzten sich die Regenfälle fort. Neben Süddeutschland und Österreich (Baden-Baden 37 l/m², Bregenz 50 l/m²) waren vor allem der Norden und Westen Deutschlands (Hamburg 22 l/m²), aber auch der Osten Polens (Wielun 22 l/m²), die Slowakei, sowie Rumänien (Cluj-Napoca 14 l/m²) betroffen. Dagegen blieb es im Kernbereich über Tschechien bis nach Ostdeutschland und Westpolen, von vereinzelten gewittrigen, lokalen Schauern abgesehen, weitestgehend trocken. Hier hielten sich noch Reste der etwas trockeneren Kontinentalluft mit Höchstwerten von 24-25°C. Sonst blieben die Temperaturen im Einfluss von Tief AXEL meist unter 20°C, unter dichten Regenwolken zwischen Niederrhein, westdeutschen Mittelgebirgen, Franken und Bayern bis nach Österreich blieb es mit 10-15°C deutlich kühler.

In der darauffolgenden Nacht ließen die Niederschläge über Süddeutschland und dem Alpenraum allmählich nach. Bis zum Morgen des 22. Mai wurden durch den ergiebigen Dauerregen innerhalb von 48 Stunden zwischen den Mittelgebirgen bis zu den nördlichen Alpen recht verbreitet über 50 l/m², am Alpenrand auch stellenweise über 100 l/m² gemessen. Bregenz meldete beispielsweise 168 l/m², Kaufbeuren-Oberbeuren 121 l/m² und die Station München-Stadt noch 93 l/m². Das sind Mengen wie sie sonst im gesamten Monat Mai über fallen.

Unterdessen befand sich Tief AXEL um Uhr 06 UTC mit Kern über dem Südosten Polens, wo der niedrigste Luftdruck weiterhin etwas weniger als 1005 hPa betrug. Hier, über dem südöstlichen Mitteleuropa, kam der Wirbel schließlich zum Liegen und wandte sich mehr und mehr ein. Während sich die frontalen Strukturen auflösten und auch die Luftdruckunterschiede auf Bodenniveau zusehends schwanden, induzierte die Zyklone weitere Niederschläge. Der Antrieb kam dabei durch die höhenkalte Luft, die das Tief mit sich führte und für eine Labilisierung der Atmosphäre sorgte. Am 22. Mai gab es vor allem über Südpolen mit 20 l/m² in Oppeln, Tschechien mit 28 l/m² in Ostrava, der Slowakei mit 16 l/m² in Bratislava und Österreich noch verbreitet kräftige Schauer und Gewitter. Selbst über Ungarn und Rumänien, sowie in Teilen Serbiens und Kroatiens machte sich das Tief noch durch einzelne Regenschauer bemerkbar, etwa in Zagreb (18 l/m²).

Auch am darauffolgenden Tag hielt die Schauerneigung zwischen Weichsel, Dnister und Donau an, wenngleich die Intensität und auch die Ausdehnung geringer wurden. So sorgten Regengüsse etwa im polnischen Lublin noch einmal für 10 l/m², im rumänischen Tigru Mures fielen 16 l/m² und im slowakischen Miskolc gar 27 l/m² innert 12 Stunden.

Bis zum 24.05. klangen aber auch die letzten Schauer über Südosteuropa ab und Tief AXEL löste sich schließlich auf.