Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet BARBARA

(getauft am 10.12.2020)


Ein neues Tief bildete sich am 10.12.2020 vor der nordamerikanischen Küste, östlich der Neuenglandstaaten und Neufundlands. In diesem Gebiet entstehen häufig Tiefdruckgebiete, da hier die kühlen, subpolaren Luftmassen des nordamerikanischen Kontinents auf die warmen, subtropischen Luftmassen des Nordwestatlantiks treffen. Genau dies passierte auch dieses Mal, als es zu einem Vorstoß höhenkalter Luft aus dem kanadisch-arktischen Raum kam. Laut Daten des amerikanischen Wetterdienstes (und ihres GFS-Modells) wies die kontinentale Subpolarluft Temperaturen von -5 bis -10°C in 1500 m Höhe auf. Dem gegenüber stand die milde Atlantikluft im Bereich des Golfstroms, die sich durch Temperaturen von +0 bis +10°C auszeichnete. Eine kleinräumige Störung entlang dieser Luftmassengrenze dürfte die Zyklogenese ausgelöst haben, in dessen Folge der Luftdruck vor der Küste Neuschottlands im Laufe des Tages fiel. Für einen zusätzlichen Impuls dürfte das verhältnismäßig warme Oberflächenwasser des Atlantiks im Bereich des Golfstroms gesorgt haben. Messungen ergaben für den 10.12. Wassertemperaturen von 22 bis 23°C über der Saragossasee. Die numerischen Vorhersagemodelle prognostizierten für die kommenden Tage die Entwicklung eines ausgedehnten Sturmwirbels, der über den Atlantik ins Seegebiet zwischen Island und den Britischen Inseln ziehen und deutlich mildere Meeresluft nach Mitteleuropa lenken sollte. Und so wurde dieses Tief am 10.12. auf den Namen BARBARA getauft.

In den Frühstunden des 11.12. konnte das noch junge Tief erstmals in der Berliner Wetterkarte analysiert werden. Sein Zentrum befand sich etwa 400 bis 500 km südlich von Neufundland, wo der Luftdruck bei knapp unter 995 hPa lag. Es besaß bereits die typischen Frontenstrukturen der Tiefdruckgebiete der mittleren Breiten. Ausgehend vom Kern erstreckt sich die Warmfront mehrere tausend Kilometer ostwärts über den mittleren Nordatlantik bis ins Seegebiet nördlich der Azoren. Die Kaltfront hingegen verlief südwestwärts entlang der nordostamerikanischen Küste bis in den Bereich der Bermuda-Inseln. Genau genommen waren es sogar zwei Kaltfronten, die in einigen hundert Kilometern Entfernung zueinander lagen und andeuteten, dass die Kaltluft nicht kontinuierlich, sondern stufenweise einsickerte. In den folgenden Stunden zog die Zyklone unter rascher Vertiefung auf unter 980 hPa bis zum Tagesende weiter ostwärts über Atlantik, hatte aber noch keinen Einfluss auf das Wetter in Europa.

Dies änderte sich am 12.12., als die Kaltfront des Tiefs die Azoren mit leichten Regenschauern überquerte. Dabei wurden von den lokalen Messstationen Regenmengen von meist 1 bis 2 l/qm in 12 Stunden registriert. Am Flughafen auf der Insel Pico waren es zwischen 06 und 18 UTC sogar 6 l/qm (Anmerkung: Die Zeiteinheit UTC wird in der Meteorologie bevorzugt verwendet, um Wettermeldungen weltweit besser vergleichbar zu machen und ist zur mitteleuropäischen Zeit um 1 Stunde zurückversetzt). Die Warmfrontbewölkung erreicht zum Nachmittag und Abend schließlich die Britischen Inseln, Westfrankreich und die Iberische Halbinsel, nachts setzten hier die ersten Niederschläge ein. Diese waren in der Bretagne und auch entlang der portugiesischen und galizischen Küste eher schwächerer Natur. Beispielsweise wurden in Lorient zwölfstündlich 5 l/qm gemessen, im nordportugiesischen Viana do Castelo 5 l/qm und im Wallfahrtsort Santiago de Compostela 2 l/qm. Gerade über Irland und Wales fielen die Regenfälle auch kräftiger aus, bis zum darauffolgenden Morgen kam es zu teils zweistelligen Regenmengen, wie z.B. in Cork mit 14 l/qm oder im walisischen Milfort Haven mit 10 l/qm.

Am 13.12. erreichte Zyklone BARBARA bereits den Höhepunkt in ihrer Entwicklung, als der Luftdruck im Tagesverlauf bis auf 965 hPa fiel. So rückten die Britischen Inseln mehr und mehr in den Einfluss des Wirbels, dessen Kern um 12 UTC etwa 700-800 km westlich von Irland lag. Zum einen drangen die Ausläufer des Tiefs mit weiteren, kräftigen Regenfällen ostwärts bis zur Nordsee voran. Gebietsweise wurden so mehr als 10 l/qm innerhalb 12 Stunden beobachtet, wie beispielsweise in Pershore bei Worcester mit 10 l/qm, im nordwestirischen Claremorris mit 13 l/qm oder in Glasgow mit 16 l/qm. Zum anderen erfasste das Sturmfeld der Zyklone den Nordwesten Europas, was zu starken bis stürmischen Böen nicht nur über den Britischen Inseln, sondern auch über Nord- und Nordwestfrankreich, sowie in den Benelux-Staaten führte. In Dünkirchen wurden beispielsweise Böen bis 54 km/h, in Lille bis 56 km/h und in Cork bis 69 km/h gemessen. Gleichwohl erreichte ein Schwall milder Meeresluft die Insel und trotz dichter Regenwolken stiegen die Temperaturen einige Grad höher als an den vorangegangenen Tagen. Etwa lagen die Höchstwerte in Dublin bei knapp 13°C, nachdem sie tags zuvor nur bei 7°C gelegen hatten. Darüber hinaus setzten sich auch die frontalen Niederschläge über Frankreich, Spanien und Portugal fort. Nicht überall fiel messbares oder überhaupt Niederschlag, bis zum Abend registrierten die Messstationen in Paris 0,0 l/qm, in Nantes 3 l/qm, in Lissabon 0,4 l/qm und in Valladolid ebenfalls 0,0 l/qm.

An dieser Verteilung änderte sich auch in der Nacht zum 14.12. wenig, was für England, Schottland und Wales weitere 2-5 l/qm Regen in 12 Stunden bedeutete. Stellenweise fielen auch um oder über 10 l/qm, wie etwa in London (10 l/qm) oder im nordenglischen Keswick (17 l/qm). Ansonsten blieb es bei nur wenigen Litern oder Zehntel Litern pro Quadratmeter, etwa 3 l/qm in Amsterdam, 1 l/qm in Brüssel oder 0,3 l/qm in Madrid. Auch der Wind blieb über Westeuropa spürbar, wenngleich Sturmböen eher die Ausnahme bildeten und wenn, dann nur an exponierten Küstenabschnitten oder im höheren Bergland anzutreffen waren. Beispielsweise meldete die Station Roches Point an der irischen Küste vor Cork nachts um 22 UTC Böen bis 93 km/h, was Sturmstärke 10 entspricht. Unterdessen wurde Tiefdruckgebiet BARBARA am 14.12. um 00 UTC westlich zwischen Irland und Island, mit einem Kerndruck von knapp unter 970 hPa verortet. Das Frontensystem bildete nunmehr eine Okklusionsfront, die vom Kern aus östlich, bzw. südöstlich über den Norden Schottlands und die Nordsee bis vor die holländische Küste reichte, und von dort aus weiter als Warmfront über Benelux und den Osten Frankreichs bis zu den Schweizer Alpen verlief. Die Kaltfront dagegen erstreckte sich vom Okklusionspunkt nahe Amsterdam in südwestliche Richtungen quer über Frankreich, die Biskaya und Iberische Halbinsel und von dort aus noch einige tausend Kilometer weiter bis in den subtropischen Nordatlantik. Bereits am Tag zuvor hatten sich ausgehend vom Kern Warm- und Kaltfront begonnen wie ein Reißverschluss zusammenzuziehen, die entstehende Mischfront bezeichnet man in der Meteorologie auch als Okklusion. Während die Kaltfront an diesem Tage über dem Festland teilweise nur noch in den Höhen aktiv war (wenig Niederschläge, kaum Temperaturänderung), drang vor der Front ein Schwall milder Mittelmeerluft nun auch bis nach Frankreich und Benelux. Ähnlich wie tags zuvor über Britannien stiegen auch hier die Temperaturen spürbar an, so verzeichneten Paris, wie auch Brüssel mit Höchstwerten von bis zu 12°C einen Temperaturanstieg um 5 Kelvin. Unterdessen erreichte das weiter okkludierende Niederschlagsband auch den Norden und Westen Deutschlands, sowie Dänemark und Südskandinavien. Die Mengen blieben auch hier im Bereich von wenigen bis hin zu einigen Liter pro Quadratmeter, etwa meldete Hamburg 1 l/qm, Kopenhagen 4 l/qm, Göteborg 3 l/qm. Schaut man sich die Niederschlagsmeldungen dieses Tages an, gab es jedoch zwei Ausnahmen: Südnorwegen, sowie den Westen Spaniens und Portugals. Über dem Süden Skandinaviens führten Staueffekte an den Skandinavischen Alpen etwa in Kristiansand zu Dauerregen und 36 l/qm Niederschlag in 12 Stunden. Über der Iberischen Halbinsel hingegen kam es an der Kaltfront zur Bildung eines Wellentiefs und damit zu einer Niederschlagsintensivierung, wobei im portugiesischen Coimbra-Cervache 12 l/qm und im spanischen Garganta la Olla 39 l/qm fielen. Dagegen hatte sich der Wind über West- und Nordwesteuropa schon wieder abgeschwächt, nur selten wurden "über Land" noch Böen von mehr als 50 km/h, also Windstärke 7 und höher, beobachtet. Das Sturmfeld schien sich zurück aufs Meer, also den Nordatlantik, gezogen zu haben.

In den folgenden Stunden und Tagen verblieb Zyklone BARBARA quasistationär westlich der Britischen Inseln über dem nahen Ostatlantik. Das Tief alterte. Nicht nur, dass der Luftdruck nun allmählich zu steigen begann, von um 970 hPa in den Frühstunden des 15.12. auf knapp unter 985 hPa bis zum Tagesende. Gleichzeitig schien das Frontensystem kaum noch weiter ostwärts vorzudringen und über Westeuropa zu verwellen. Ursache war ein kräftiges, blockierendes Hoch (XAVIER) über Osteuropa bzw. Westrussland, was das Frontensystem und letztlich auch unsere Zyklone am weiteren Vordringen nach Europa hinderte. Das tags zuvor noch über Spanien verortete Wellentief (CHANTAL) befand sich mittlerweile über Belgien und sollte für eine Fortsetzung des wechselhaften Wetters mit lokal auch mal kräftigeren Regenfällen über West- und Mitteleuropa sorgen. Dagegen beeinflusste Tief BARBARA an diesem Tage weiterhin das Wetter auf den Britischen Inseln und Island. Gerade über der Vulkan- und Geysirinsel waren bereits am Vortag kräftige Schnee-, Schneeregen- und Regenschauer begleitet von einem stürmisch auffrischenden Wind aufgezogen. Diese setzten sich auch am 15.12. weiter fort, wobei sich das Wetter hier mehr als variabel zeigte. Schon bei den Temperaturen gab es, je nach Lage auf der Insel enorme Unterschiede von +0 bis hin zu +8°C. Dieses Muster setzte sich bei den Niederschlägen fort. Während es in der Region Reykjavik zumeist trocken blieb, gingen an der Ostküste langanhaltende Starkniederschläge nieder, die in Seyðisfjörður bis zu 91 l/qm zwischen 06 und 18 UTC brachten. Dazu blies der Wind verbreitet mit Sturmstärke, nicht selten wurden auch Orkanböen über 120 km/h gemessen. Im Gegensatz dazu hatte sich das Wetter auf der Rückseite von Tief BARBARA, über Spanien, Portugal und Teilen Frankreichs beruhigt. Bei längerem Sonnenschein stieg das Thermometer über Zentralspanien meist bis auf 10-15°C (Madrid 12°C), in Kastilien und León auch etwas darunter (z.B. Valladolid 9°C), in Meeresnähe auch etwas darüber (z.B. Bilbao 16°C). Auch über dem Westen Frankreichs zeigte sich die Sonne zeitweilig und in der nur mäßig-kalten Atlantikluft erreichten die Temperaturen milde 11-13°C. Unterdessen zogen vom Atlantik bereits neue Tiefdruckgebiete auf (DUGLORE, EVA), die mit ihren Wolken- und Niederschlagsfeldern bald schon das Wetter über Westeuropa beeinflussen sollten, während es über Mitteleuropa und Skandinavien unter Tief CHANTAL wechselhaft und nass blieb.

 

Dagegen schwand der Einfluss von Tief BARBARA nun mehr und mehr. Am Morgen des 16.12. wurde es letztmalig in der Berliner Wetterkarte im Seegebiet südlich von Island und westlich von Irland analysiert. Verknüpft war lediglich noch eine schwache Okklusionsfront, welche sich vom Kern einige hundert Kilometer westlich über den Atlantik ausbreitete. Mit weiterem Druckanstieg im Tagesverlauf ließ auch der Wind über Island allmählich nach und schließlich löste sich das Tief auf.