Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet BENNO

(getauft am 11.10.2017)

 

Um die Energieverteilung zwischen warmen Tropen und kalten Polen auszugleichen, entstehen in der Atmosphäre großräumige Transportprozesse. Wegen der Erdrotation kann jedoch die warme Luft nicht einfach nach Norden und die kalte Luft nach Süden strömen, sondern wird dabei abgelenkt, was einen direkten Ausgleich verhindert. Für die Aufrechterhaltung des Energieaustausches bilden sich daher in der mittleren Troposphäre Wellen. Diese Wellenstörungen breiten sich meist bis zum Boden aus, wobei dynamische Hoch- und Tiefdruckgebiete entstehen. Eine solche Welle entwickelte sich am 11. Oktober 2017 über Neufundland und sollte an den Folgetagen bis nach Europa ziehen. Aus diesem Grund wurde das entsprechende Bodentief als Analysetaufe mit dem Namen BENNO belegt.

Tief BENNO lag auf der Bodenwetterkarte von 02 Uhr MESZ mit einem minimalen Kerndruck von etwa 1000 hPa über Neufundland. Durch die kräftige Windströmung in höheren Luftschichten gesteuert, zog Wirbel BENNO im Tagesverlauf rasch nach Osten über den Nordatlantik. Dabei entwickelte sich durch die zyklonale Rotation der Luft, also der Drehung gegen den Uhrzeigersinn um den Kern, ein Frontensystem. Dieses bestand zunächst noch aus einer Warmfront vom Kern aus in Richtung Südosten und einer Kaltfront nach Südwesten. In der Folge okkludierte das Frontensystem zusehends, was bedeutet, dass sich vom Kern aus entlang der Front die warme Luft über die kalte Luft legt, wobei eine einzelne Mischfront mit Warm- und Kaltfrontcharakter entsteht.

Auf der Bodenwetterkarte von 02 Uhr MESZ des 12. Oktober wurde Tief BENNO über dem zentralen Nordatlantik ungefähr 1200 km südlich von Grönland analysiert. Der Kerndruck hatte sich um 30 hPa auf 970 hPa verstärkt. Solch eine extreme Tiefdruckentwicklung von über 20 hPa in 24 Stunden kann auch als „Bombogenese“ bezeichnet werden. Grund für diese rapide Zyklogenese war die günstige Lage des Bodentiefs BENNO auf der Vorderseite eines Wellentroges in der mittleren Troposphäre, also in etwa 5 bis 6 km Höhe. Das Frontensystem war derweil weiter okkludiert und zog sich von etwa 400 km südwestlich des Kerns von Wirbel BENNO durch das Zentrum und dann etwa 500 km in einem Bogen nach Südosten über den Atlantik, bis es sich am sogenannten Okklusionspunkt in Kalt- und Warmfront auftrennte. Die kurze Warmfront ging weiter in Richtung Südosten schließlich in die Kaltfront eines kleineren Randtiefs über, während sich die Kaltfront in einem Bogen nach Südwesten und dann nach Westen bis zur Nordamerikanischen Küste erstreckte. Da sich der Tiefdruckwirbel BENNO nun auf der Vorderseite des sich verstärkenden Höhentroges befand und sich über Südeuropa ein stabiles Hochdruckgebiet entwickelt hatte, wurde dieser mit der kräftigen südwestlichen Windströmung zunehmend nach Nordosten abgelenkt. Dabei verstärkte sich der Druckgradient am Boden noch weiter, womit das System BENNO Sturmtiefstärke erreichte. Die Fronten zogen dadurch rasch ostwärts wodurch die Warmfront am Abend Großbritannien und die Nordwestküste Frankreichs mit ihrem Wolkenband und erstem leichtem Regen erreichte. Bis 20 Uhr MESZ verzeichneten die Stationen in Glasgow zwölfstündig 0,4 l/m² und im irischen Cork 1 l/m². Im Französischen Brest wurden 2 l/m² im selben Zeitraum registriert und in der Küstenstadt Lannion waren es sogar 7 l/m².

In der Nacht kam die Warmfront bis Norwegen und Westdeutschland voran wobei beispielsweise Dijon 0,2 l/m², Brüssel und Köln 0,1 l/m² und Fossmark 1 l/m² in den folgenden 12 Stunden bis zum Morgen um 08 Uhr MESZ des 13. Oktober verzeichneten. Dicht hinter der Warmfront folgte bereits die kräftige Kaltfront mit schauerartig verstärktem Regen, welcher im irischen Roches Point bereits für 10 l/m², im englischen Keswick für 9 l/m² und im schottischen Tulloch Bridge sogar für 27 l/m² bis 8 Uhr MESZ sorgte. Island wurde derweil vom Kerngebiet des Sturmtiefs BENNO, welches sich noch etwas weiter auf unter 965 hPa verstärkt hatte, überquert, was dort Niederschlagsmengen von zwölfstündig bis zu 26 l/m² im östlichen Neskaupstadur hervorrief. In den nachfolgenden 12 Stunden des Tages bis 20 Uhr MESZ wurde in Siglufjodur sogar ein Spitzenwert 38 l/m² gemessen. An der Station von Reykjavik waren es nur 0,9 l/m². In der Nähe des Zentrums von Wirbel BENNO wurden mit über 100 km/h an den südisländischen Küstenstationen auch die höchsten Windgeschwindigkeiten erreicht, was Windstärke 10 bis 11 auf der Beaufortskala entspricht. Die Warmfront schwächte sich im Tagesverlauf im Bereich des Hochdruckgebietes über Mitteleuropa ab und sorgte nur noch für leichte Niederschlagsmengen von etwa 0,2 l/m² in Bonn oder 0,3 l/m² in Tylstrup bei Aalborg. Entlang der Kaltfront fiel, besonders verstärkt durch orographische Hebung der Luft entlang der bergigen norwegischen Küste, teils starker Regen mit beispielsweise 37 l/m² in Bergen zwischen 08 und 20 Uhr MESZ. In Dublin waren es im selben Zeitraum 2 l/m². Im Bereich der Kaltfront wurden ab dem Morgen in Großbritannien und Norwegen auch hohe Windgeschwindigkeiten erreicht mit verbreitet 60 bis 70 km/h und vereinzelt in exponierten Lagen auch über 100 km/h.

Am 14. Oktober war Tiefdruckgebiet BENNO aus dem Bereich der kräftigen Höhenströmung auf der Vorderseite des Höhentroges gezogen und damit auch aus der günstigsten Position für die Tiefdruckentwicklung. Dadurch schwächte sich der Kern von 970 hPa schnell auf 985 hPa am Folgetag ab. Gleichzeitig entwickelte sich im Bereich des Okklusionspunktes über der Ostsee der Tiefdruckkern BENNO II. Zwölfstündig bis 08 Uhr MESZ fielen entlang der Okklusion über Skandinavien 13 l/m² in Tjotta und 3 l/m² in Orland sowie im Bereich des Kerns II von Tief BENNO 5 l/m² in Stockholm. Warm- und Kaltfront setzten sich aufgrund des weiterhin stabilen Hochs TANJA nicht nach Mitteleuropa durch und so wurden einzig in Dänemark und dem Baltikum Niederschläge von 0 bis 1 l/m² erreicht. In Großbritannien wurden vereinzelt noch Werte bis 5 l/m², wie in Carlisle, erreicht. In den folgenden 24 Stunden okkludierte das Frontensystem noch weiter und sorgte für Regen von 10,3 l/m² in Rodkallen, 3 l/m² bei Helsinki und bis zu 30 l/m² entlang der norwegischen Küste, wie in Hitra. Die Warmfront, welche Polen, Weißrussland und die Ukraine überquerte, sorgte beispielsweise für 8,6 l/m² im polnischen Suwalki. Die Kaltfront schwächte sich über Dänemark und der Nord- und Ostsee ab. Kopenhagen meldete noch 0,7 l/m² Regen in 24 Stunden.

Über den 15. Oktober trennte sich der Kern II des Tiefdruckgebiets BENNO mit etwa 1000 hPa vom übrigen Frontensystem ab und zog mit dem Jetstream, also dem Bereich kräftiger Höhenwinde, weiter nach Osten über Südwestrussland. Zwischen 08 und 20 Uhr MESZ fielen entlang der kurzen Warm- und Kaltfront beispielsweise 4 l/m² in Moskau, 9 l/m² in Tula und 4 l/m² in Kiew. Der Tiefdruckkern BENNO I blieb derweil stationär mit etwa 990 hPa über dem Europäischen Nordmeer ungefähr 600 km nordöstlich von Island. Die okkludierte Front überquerte noch die Nordspitze Norwegens mit beispielsweise 8 l/m² in Sortland zwischen 08 und 20 Uhr MESZ. Mit dem schwächeren Druckgradienten wurden nun im Bereich des Tiefdrucksystems BENNO auch nur noch Windgeschwindigkeiten von unter 76 km/h erreicht, also keine Sturmstärke mehr.

Ab dem 16. Oktober blieben beide Kerne des Tiefdruckkomplexes BENNO beinahe stationär über Südwestrussland bzw. dem Europäischen Nordmeer. Die Frontensysteme lösten sich nach und nach auf und sorgten kaum noch für Niederschlag. Über den 17. und bis zum 18. Oktober wurden die beiden Kerne des Tiefs BENNO von einem neuen Tiefdruckkomplex aufgenommen und hatten keinen merklichen Einfluss mehr auf das Wetter in Europa. Schließlich verschwand Tiefdruckgebiet BENNO nach etwa einer Woche Lebensdauer von der Berliner Wetterkarte.


 

Geschrieben am 07.01.18 von Jannick Fischer

BWK vom: 14.10.2017

Pate: Benno Fuhrhop