Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet BERND

(getauft am 12.03.2017)

 

Am 12.03. wurde anhand einer Prognosekarte für 12 Uhr UTC, d.h. 13 Uhr MEZ, des folgenden Tages ein südlich von Island über dem Atlantik liegender Tiefdruckwirbel auf den Namen BERND getauft, der bereits wenige Tage zuvor über Kanada, am Rande eines ausgeprägten Vorstoßes kalter Luft in der Höhe, entstanden, und mit der westlichen Grundströmung nach Osten geführt worden war.

Mit einem Kerndruck von unter 995 hPa befand sich das Tief BERND am 13.03. gegen 00 Uhr UTC südlich von Grönland, in etwa auf der gedachten Schnittlinie von Tasiilaq mit Dublin beziehungsweise Hamburg. Vom Kern erstreckten sich sowohl eine Warmfront nach Osten als auch eine ihr rasch nachfolgende Kaltfront in einem weiten Bogen nach Südwesten. Westlich von Irland ging die Warmfront in das ausladende Frontensystem eines weiteren, jedoch nicht eigenständig benannten Wirbels mit Kern vor Neufundland über. Im Tagesverlauf verlagerte sich das Zentrum über die für 12 Uhr UTC vorhergesagte Position nach Nordosten und erreichte bis 00 Uhr UTC des Folgetages Island. Hebungsvorgänge entlang der Frontenausläufer hatten bereits ein ausgeprägtes Niederschlagsband entstehen lassen, welches zunächst auf Island traf und ab circa 18 Uhr UTC am 13.03. auch Nordschottland und Westnorwegen erreichte. Dabei fielen binnen 24 Stunden bis 06 Uhr UTC des Folgetages durch teils schauerartig verstärkten und mit Schnee vermengten Regens an den Stationen Jökulheimar 8,7 mm, Önundarhorn 11,9 mm und Setur 14,0 mm. Beim voranschreiten nach Osten brachte das Niederschlagsfeld zwischen 18 und 06 Uhr UTC in Lerwick auf den Shetlandinseln 9 mm und im schottischen Skye 18,8 mm mit sich. Über Norwegen fielen die Niederschläge aufgrund von Staueffekten sowie Hebungsprozessen beim Aufgleiten in kältere Luftschichten entlang der dortigen Gebirgsketten besonders intensiv aus. Innerhalb von 12 Stunden wurden an der Station Fossmark 17 mm, bei Bergen 18 mm und in Takle 27 mm registriert. An besonders exponierten Lagen, zum Beispiel im schottischen Hochland, erreichte der überwiegend südwestliche Wind in Böen Orkanstärke. So maßen die Anemometer am Aonach Mor Windspitzen von 150,1 km/h, auf dem Juvvasshoe in Norwegen 158,5 km/h und auf dem schottischen Cairngorm bis zu 176,1 km/h.

Bis zum 14.03. hatte sich das Zentrum des Tiefs BERND unter rascher Verstärkung nach Nordosten verlagert und befand sich um 00 Uhr UTC mit einem auf unter 975 hPa gefallenem Druck über Island, unweit von Reykjavík. Teile der Warmfront waren in den vergangenen 24 Stunden von der ihr nacheilenden Kaltfront eingeholt worden, wodurch sich eine sogenannte Okklusionsfront ausgebildet hatte. Als Okklusionsfront wird dabei eine Mischfront verstanden, die aus dem Zusammenschluss von Warm- und Kaltfront entsteht und Eigenschaften beider in sich vereint. Der Ort, an der beide Frontensysteme ineinander übergehen, wird als Okklusionspunkt bezeichnet. Vom Okklusionspunkt reichte die Warmfront weiter über die Nordsee und London bis zur Nordwestspitze der Iberischen Halbinsel. Die Kaltfront hingegen beschrieb einen Bogen über Schottland und Dublin über den Atlantik nach Südwesten und verband sich nördlich der Azoren mit der Warmfront des südöstlich von Neufundland liegenden Tiefs CHRISTOPH. Das Niederschlagsband hatte in der Nacht Norwegen erreicht und zog im Laufe des Tages über Schweden in Richtung Finnland und Baltikum ab. Gleichzeitig wurde von Westen weiter feuchte Atlantikluft in den Stau der norwegischen Gebirgsketten geführt, wodurch sich hier intensive Niederschläge hielten. Während über Schweden innerhalb von 24 Stunden bis 06 Uhr UTC des Folgetages in Holmön 8,6 mm und bei Korsvattnet 11,8 mm gemessen wurden, fielen im selben Zeitraum entlang der norwegischen Küstenlinien verbreitet über 20 mm. An der Station Fossmark wurden 26,0 mm, in Skamdal 37,1 und bei Førde bis zu
41,8 mm registriert. Über Island ließen die Niederschläge nach Abzug des Zentrums allmählich nach. Bis auf lokale Ausnahmen fielen stündlich meist unter einem halben Millimeter Regen oder Schneeregen, der sich in Gufuskalar zu einem 24-stündigen Niederschlagswert von 4,8 mm summierte. Die über Schweden Richtung Baltikum voranschreitenden Ausläufer brachten hingegen 12-stündig im lettischen Aluksne 4 mm, in Tallinn 5 mm und in Kumpula, ein Vorort von Helsinki, 6,4 mm Niederschlag, der während der Nachtstunden, mit Ausnahme von Estland, verbreitet als Schnee fiel. Der Wind erreichte in den norwegischen Hochlagen und an den Küsten weiter Orkanstärke. So wurden am Leuchtturm von Svinoy Böen bis 133,3 km/h, auf dem Juvvasshoe bis 151,3 km/h und an der Station Roldalsfjellet 183,7 km/h gemessen.

Um 00 Uhr UTC des 15.03. lag der Kern der Zyklone BERND mit einem um 5 hPa gefallenen Druck bereits nordwestlich von Norwegen über dem Nordmeer südlich von Spitzbergen. Dessen mittlerweile ausgedehnte Okklusionsfront erstreckte sich zum Zeitpunkt der Analyse nördlich des Zentrums ausgehend zunächst in einem engen Bogen über Spitzbergen, anschließend nach Süden bis Hammerfest und weiter über Helsinki, Riga und Berlin bis zu ihrem Okklusionspunkt nahe Kassel. Von Kassel zog sich die Warmfront bis nach Paris, während die Kaltfront über dem Ärmelkanal in die Warmfront des Tiefs CHRISTOPH überging. Die Frontenausläufer zogen im Tagesverlauf unter Abschwächung vom Baltikum über Russland nach Osten ab, wohingegen auf der Rückseite des Wirbels weiterhin neue Niederschläge in Richtung der Norwegischen Küsten geführt wurden. Binnen 24 Stunden wurden so bis 06 Uhr UTC des Folgetages in Hammerfest 9,2 mm, an der Station Fossmark 15,6 mm, in Tromsø 17,5 mm und in Sortland 23,5 mm registriert. Wesentlich geringer fielen die Niederschläge über Finnland, dem Baltikum und Weißrussland aus. Riga meldete dabei 0,1 mm, Vilnius 1 mm, Gorki 4 mm und nahe Moskau brachte leichter Regen 4 mm. In Schnee übergehende Niederschläge führten im finnischen Kilpisjärvi 4,7 mm mit sich und durch anhaltenden leichten Regen fielen im russischen Oryol 6 mm. An einigen besonders exponierten Lagen erreichte der stürmische westliche Wind trotz Abschwächung des Wirbels in Böen nochmals Orkanstärke. So wurde am Gaustatoppen eine Spitzenwindgeschwindigkeit von 133,3 km/h, bei Hasvik auf der Insel Sørøya von 144,1 km/h und an der Station Roldalsfjellet bis zu 162,1 km/h gemessen.

Bis zum 16.04. zog das Tief BERND nach Osten und befand sich gegen 00 Uhr UTC mit einem Druck von knapp 975 hPa nördlich von Murmansk. Die ursprüngliche Warmfront war von der Kaltfront nunmehr vollständig eingeholt geworden. Die resultierende Okklusionsfront zog sich in einem weiten Bogen vom Kern westlich an Nowaja Semlja vorbei über Nordrussland und Moskau bis Kiew. Ab Kiew, den Charakter eine Kaltfront annehmend, reichte die Front anschließend über Budapest weiter bis nach München, wo sie sich erneut mit der Warmfront des nach Island gezogenen Tiefs CHRISTOPH verband. Zusätzlich erstreckte sich eine in der Höhe Okklusionsfrontencharakter aufweisende Warmfront vom Kern in Richtung Norden. Der skandinavische Raum geriet nach Abzug des Tiefdrucksystems nach nur kurzer Wetterberuhigung zunehmend unter Einfluss des sich von Westen nähernden Tiefs CHRISTOPH. Das dem Wirbel BERND direkt zuzuordnende Wettergeschehen konzentrierte sich am 16.03. im Wesentlichen noch auf den äußersten Norden Norwegens und Spitzbergen sowie entlang der sich zunehmend abschwächenden Frontenausläufer über Zentral- und Nordwestrussland. Größere Niederschlagsmengen kamen zumeist jedoch nicht mehr zusammen. In Svalbard und Ny-Ålesund auf Spitzbergen fielen in 24 Stunden durch wiederholt leichten Schneefall je 0,2 mm, in Murmansk brachte ein einzelner Schneeschauer 0,4 mm, ebenso wie in Vorkuta. Regenschauer führten in Kepino nahe Archangelsk mit 3 mm noch zur größten gemeldeten Niederschlagsmenge der Region.

Sich weiter abschwächend hatte der Tiefdruckwirbel BERND seine Zugrichtung erneut geändert und verlagerte sich nach Norden. Mit einem Druck von circa 970 hPa befand sich dieser am 17.03. um 00 Uhr UTC mittig zwischen Spitzbergen und Nowaja Semlja über dem Arktischen Meer. Ein direkt zugehöriges Frontensystem konnte zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr analysiert werden. Im Laufe des Tages verließ Tief Bernd auf seiner nord- bis nordöstlichen Zugbahn den von der Berliner Wetterkarte erfassten Analysebereich, sodass der 17.03. zugleich der letzte Tag war, an dem der Wirbel namentlich auf jener verzeichnet werden konnte.

 


Geschrieben am 30.04.2017 von Christian Ulmer

Berliner Wetterkarte: 15.03.17

Pate: Prof. Dr. sc. Bernd Hölzer