Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet BERNHARD

(getauft am 24.07.2017)

 

Am 23. und 24. Juli befand sich weit ab von Europa, zwischen Kanada und Grönland ein abgeschlossener Tiefdruckkomplex. Auf dessen Rückseite drangen polare und subpolare Luftmassen aus dem arktisch-kanadischen Raum in Richtung Westatlantik vor. Diese trafen vor der nordostamerikanischen Küste auf verhältnismäßig warme Meeresluft des Westatlantiks. Diese Temperaturunterschiede waren die Ursache dafür, dass es in der Nacht zum 24.07. südlich von Neufundland zur Entstehung eines neuen Tiefs kam. An den folgenden Tagen, so prognostizierten es die Wettermodelle, sollte das Tief unter erheblicher Verstärkung ostwärts über den Nordatlantik in Richtung Britische Inseln ziehen und mit seinen Ausläufern auf Mitteleuropa übergreifen. Daher erhielt das in Entstehung begriffene, bis dato noch namenlose Tief am 24. Juli den Namen BERNHARD.

Erstmals analysiert werden konnte die Zyklone am Morgen des 25. Juli mit Zentrum über dem mittleren Nordatlantik etwa 1500 km südlich von Grönland und 2000 km westlich der Britischen Inseln. Der Luftdruck betrug um 00 Uhr UTC, d.h. 02 Uhr MESZ, im Zentrum knapp unter 1010 hPa. Erste Ausläufer in Form der Warmfront erreichten bereits im Laufe des Tages von Westen her Irland. Zunächst fiel kaum Regen, die Wetterstation im mittelirischen Shannon meldete lediglich 0,1 l/m² zwischen 06 und 18 Uhr UTC. Erst mit Übergreifen der Kaltfront in der sich anschließenden Nacht kamen kräftigere, schauerartige Regenfälle auf. Bis zum darauf folgenden Morgen regnete es beispielsweise in Belfast 11 l/m² innerhalb von 12 Stunden, in Dublin 5 l/m², im walisischen Milford Haven 10 l/m² und gar 24 l/m² an der Wetterstation Lough Fea, etwa 60 km westlich von Belfast. Aber auch über dem Nordwesten Frankreich fing es zu regnen an, wobei Mengen von bis zu 10 l/m² gemessen wurden, wie zum Beispiel in Brest. Ursache für die Intensivierung der Niederschläge war nicht zuletzt die rasche Vertiefung der Zyklone BERNHARD auf einen Luftdruck von unter 985 hPa bis zum frühen Morgen des 26. Juli.

Zu diesem Zeitpunkt befand sich Tief BERNHARD noch ungefähr 600 bis 700 km südlich von Island über dem Nordostatlantik. Ausgehend vom Zentrum verlief die Warmfront südostwärts über die Britischen Inseln bis zur Biskaya, die Kaltfront erstreckte sich hingegen in einem weiten Bogen über den Ostatlantik bis über das Seegebiet nördlich der Azoren. Schließlich war mit dem Kern noch eine weitere Front, eine sogenannte Okklusion, also eine Mischform aus Warm- und Kaltfront verknüpft, die in nordwestliche Richtungen bis zur Irmingersee südöstlich von Grönland reichte.

Warm- und Kaltfront überquerten in den folgenden Stunden mit leichtem bis mäßigem Regen die Britischen Inseln ostwärts. Dabei wurden 12-stündige Niederschlagsmengen von durchschnittlich 5 l/m² registriert, wie z.B. in Coleshile bei Birmingham, über Nordengland und Südschottland auch über 10 l/m², wie in Preswick mit 16 l/m². Weniger intensiv fielen dagegen die Regenfälle über dem Norden Frankreichs aus, wo die Ausläufer nur geringe Mengen von wenigen Litern, bzw. Zehntel Litern pro Quadratmeter brachten. So meldete der Pariser Flughafen Charles de Gaulle 0,4 l/m².

Unterdessen wurde nach Analyse des britischen MetOffice mit 981 hPa um 18 Uhr UTC der niedrigste Druck in der Entwicklung der Zyklone gemessen, wobei sich das Zentrum dabei unverändert über dem mittleren Nordatlantik befand. Gleiches galt auch für das Sturmfeld der Zyklone BERNHARD, welches aufgrund der großen Entfernung zum Festland gerade noch die Britischen Inseln streifte. Dabei frischte der Wind am 26.07. mit einzelnen starken bis stürmischen Böen auf. Sturmböen der Stärke 9 auf der Beaufort-Skala wurden aber nur vereinzelt an exponierten Stellen registriert, wie z.B. im westirischen Shannon mit 83 km/h um 17 Uhr UTC.

In der anschließenden Nacht erreichten mit der Warmfront die Regenfälle in abgeschwächter Form auch die Benelux-Länder sowie den Westen Deutschlands. Die Mengen lagen hier meist im mittleren einstelligen Bereich mit beispielsweise bis zu 8 l/m² in Brüssel, 4 l/m² in Mannheim oder 2 l/m² am Flughafen Köln/Bonn.

Während sich der Schwerpunkt von Tief BERNHARD am 27. Juli ins Seegebiet nordwestlich der Britischen Inseln verlagerte, drang das Frontensystem unter weiterem Okkludieren langsam weiter ostwärts voran. Dabei erfassten länger anhaltende Regenfälle auch den Westen und Süden Skandinaviens, wobei über Südnorwegen zwischen 06 und 18 Uhr UTC Mengen von 5 bis 15 l/m² gemessen wurden. Beispielsweise fielen an der Station Bergen-Florida 7 l/m² und in Landvik bei Grimstad 15 l/m², in Oslo-Gardermoen aber nur 0,7 l/m².

Auch über Deutschland und der angrenzenden Alpenregion breitete sich der Regen ostwärts aus, zunächst aber nur mit schwacher Intensität. Erst mit dem Übergreifen der Kaltfront in der zweiten Tageshälfte wurden punktuell größere Niederschlagssummen festgestellt, so beispielsweise in Trier-Petrisberg mit 12 l/m² oder in Bad Hersfeld mit 13 l/m². Nachts konnten sich die Niederschläge hier sogar noch weiter intensivieren, gerade zwischen den Mittelgebirgen und Nordalpen regnete es verbreitet um 5 bis 10 l/m². In 12 Stunden kamen 10 l/m² in München, 10 l/m² in Freiburg und 18 l/m² in Koppingen bei Bern zusammen. Über dem Osten Deutschlands zogen hingegen einzelne Nachtgewitter hinweg ohne das bis zum darauf folgenden Morgen höhere Niederschlagssummen verzeichnet wurden, einzig Swinemünde meldete 15 l/m².

Der Wind spielte übrigens am 27.07. wie auch an den Folgetagen eine nur untergeordnete Rolle, einzig über den Britischen Inseln und hier auch nur im Küstenumfeld und im Bergland blieb der Wind lebhaft mit einzelnen Böen der Stärke 8, selten 9.

Am Morgen des 28. Juli befand sich das Tiefdruckzentrum über dem Seegebiet zwischen Island und den Britischen Inseln, wobei sich der Kerndruck auf etwas unter 990 hPa erhöht hatte. Mit dem Kern verknüpft war eine Okklusion, die sich in einem weiten Bogen über das Nordmeer und Schweden bis nach Polen spannte, um sich dort in Warm- und Kaltfront aufzuspalten. Erstgenannte verlief südwärts über Österreich und Ungarn bis etwa Kroatien, Letztere entlang der Alpen bis nach Frankreich.

In den folgenden Stunden drangen die Ausläufer mit weiterem Regen bis nach Finnland, ins Baltikum und nach Osteuropa voran. Ein Niederschlagsschwerpunkt lag dabei über Polen, wo sich im Frontenbereich auch einzelne Gewitter bildeten, in Warschau fielen so bis zum Abend 12-stündlich 34 l/m². Aber auch hinter der Front bildeten sich über Nordwest- und Mitteleuropa in höhenkalter Luft teils mächtige Quellwolken verbunden mit einzelnen Schauern und Gewittern. Bevorzugtes Gebiet war wie tags zuvor schon die Britischen Inseln und hier speziell Wales und Mittelengland mit bis zu 22 l/m² in Capel Curig. Zu lokal kräftigen Schauern und Gewittern kam es auch über den Niederlanden und Norddeutschland. Allerdings waren die regionalen Unterschiede groß, in Hamburg oder Bremen z.B. wurden lediglich 3 l/m² gemessen, in Nordholz waren es 23 l/m², in Oldenburg blieb es dagegen trocken.

In den folgenden Stunden und Tagen kam es zu einer Weiterentwicklung von Tief BERNHARD. Dabei setzte sich die hochreichende Zyklone als steuerndes Tief nordwestlich der Britischen Inseln fest, verlor allerdings mehr und mehr die frontalen Strukturen. Stattdessen bildeten sich an der Südwestflanke wiederholt Randtiefs, die auf zyklonaler Bahn vom Ostatlantik aus über England und die Nordsee in Richtung Skandinavien zogen. Sie lenkten feuchte und mäßigwarme Meeresluft nach West- und Mitteleuropa und Skandinavien, sodass sich das wechselhafte und teils nasse Sommerwetter hier fortsetzte.

Im direkten Einfluss der Zyklone BERNHARD blieben dagegen die Britischen Inseln. Begünstigt durch die Nähe zum Tiefdruckzentrum hielt das kühle Schauerwetter an den letzten Julitagen hier an. Dabei stiegen die Temperaturen tagsüber auf Werte zwischen 16°C und 20°C und sanken nachts in den Bereich um 10°C. Aufgrund des Schauercharakters waren die Niederschläge recht uneinheitlich verteilt. Die maximalen 12-stündlichen Regenmengen lagen jedoch im Bereich von um oder wenig über 10 l/m². Beispielsweise fielen am 29.07. in Edinburgh 11 l/m², am 30.07. in Belfast 6 l/m², sowie am 01.08. im walisischen Sennybridge 12 l/m² jeweils zwischen 06 und 18 Uhr UTC. Über einen Zeitraum von 3 Tagen ergaben sich allerdings recht gleichmäßig verteilt Regensummen von 10 bis 30 l/m². So betrug die 72-stündige Niederschlagsmenge in London St. James Park 28 l/m², in Glasgow 19 l/m² und in Belfast 11 l/m².

Der Morgen des 01. August war schließlich der letzte Tag an dem Tief BERNHARD analysiert werden konnte. Allerdings war im Bodenniveau keine eigenständige Zyklone mehr erkennbar, sondern vielmehr erstreckte sich eine diffuse Tiefdruckzone mit einem Luftdruck von wenig unter 1005 hPa von Irland aus über das Nordmeer bis nach Mittelskandinavien. Allenfalls in der oberen Troposphäre ließ sich noch ein abgeschlossener Kern der Zyklone BERNHARD wenig nördlich von Irland, bzw. westlich von Schottland ausmachen. Im weiteren Verlauf zog vom Atlantik ein neues kräftiges Tief mit dem Namen FRITZ auf, welches die Rolle als steuerndes Tief einnahm und das Wettergeschehen in der Folge bestimmte.

 


Geschrieben am 26.10.2017 von Gregor Pittke

Berliner Wetterkarte: 26.07.2017

Pate: Bernhard Westerhorstmann