Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet BIANCA

(getauft am 06.01.2020)

 

Am 05.01.2020 verstärkte sich ein Trog, ein Gebiet tiefen Luftdrucks in der mittleren Troposphäre in etwa 5 km über dem Erdboden, über der Ostküste der USA und zog über Boston auf den Atlantik hinaus. Dadurch verstärkte sich ein östlich davon liegendes bodennahes Tiefdruckgebiet und nahm die typische Form eines Tiefdruckwirbels mit Warmfront nach Norden drehend, Kaltfront nach Süden drehend und einer Okklusionsfront an. In der Meteorologie bedeuten Okklusion und Okklusionsfront, dass eine sich schneller bewegende Kaltfront eine langsamere Warmfront einholt und sich dann mit ihr vermischt.

Am 06.01. wurde dieses Tief auf den Namen BIANCA getauft. Jedes Hoch- und Tiefdruckgebiet, das Europa beeinflussen könnte, wird von der Berliner Wetterkarte e.V. benannt. Innerhalb der letzten 24 Stunden hatte sich das Tief BIANCA verstärkt und wies im Zentrum südlich von Neufundland um 01 Uhr MEZ an diesem Tag einen Kerndruck von ca. 965 hPa auf. Die Wirbelform war zudem sehr gut zu erkennen und verstärkte sich auf dem Weg über Südgrönland nach Island. Bei starkem Wind und Temperaturen knapp unter dem Gefrierpunkt gab es an diesem Tag starken Schneefall auf der kanadischen Insel Neufundland.

Am 07.01., wiederum um 01 Uhr MEZ, lag das Tief BIANCA bereits südlich von Reykjavík und besaß einen Kerndruck von ungefähr 955 hPa.  Die Warmfront stauchte sich vor Europa zusammen und die Kaltfront zog über dem offenen Atlantik nach Südwesten. Vor der Warmfront trat in Küstenbereichen, besonders in Südengland, Nordfrankreich und den Benelux-Staaten, verbreitet feuchter Dunst und örtlich auch Nebel auf.  Im Warmsektor zwischen der Warm- und der Kaltfront wurde eine sehr milde Luftmasse nach Norden gelenkt, wodurch die tägliche Maximaltemperatur in fast den gesamten Britischen Inseln auf Werte zwischen 10°C und 15°C stieg. Ab dem Vormittag gab es auf Island Regen mit bis zu 4 mm in der Stunde, sowie Windböen der Stärke 12 auf der Beaufort-Skala, was Orkanstärke entspricht. Ab dem Nachmittag brachte Tief BIANCA der norwegischen Küste mäßigen bis starken Niederschlag mit ungefähr 9 mm/h in Bergen. Dabei wehte der Wind auch hier mit Orkanstärke. Vor dem inzwischen großflächigen Wirbel BIANCA befand sich an diesem Tag noch das okkludierende Tief AMREI. Dieses wurde im Laufe der Nacht zum nächsten Tag vom Sturmtief BIANCA in seine Zirkulation aufgenommen.

Währenddessen fiel der Kerndruck von Tief BIANCA bis 01 Uhr MEZ am 08.01. bis auf 945 hPa. Durch den Zugewinn der Fronten von Tief AMREI sah die Frontenstruktur nun sehr komplex aus; über weiten Teilen Skandinaviens spannten sich mehrere Okklusionsfronten. Dadurch stieg im Vergleich zum Vortag die Temperatur im russischem Murmansk von -7°C auf 0°C an, jeweils um 01 Uhr MEZ gemessen. Durch die südliche Warmfront BIANCAS stieg die Temperatur auch in Teilen Deutschlands deutlich auf ca. 10°C in Schleswig-Holstein und 12°C in Nordrhein-Westfalen. Eine Kaltfront zog über den Norden Englands und brachte Temperaturen von ca. 7°. Damit war es im Vergleich zum Vortag örtlich um 14 Uhr MEZ bis zu 5°C kühler. Weiterhin gab es im Tagesverlauf persistente Niederschläge über dem Raum Bergen mit ca. 3 mm/h. Über dem Süden Schwedens dagegen klarte der Himmel zeitweise komplett auf.

In der Nacht auf den 09.01. teilte sich der Kern von Tief BIANCA in zwei separate Tiefdruckgebiete auf: Tief BIANCA I mit einem Kerndruck von etwa 955 hPa und BIANCA II mit einem Kerndruck von ungefähr 970 hPa, welche nördlich der Lofoten und nördlich der Kola-Halbinsel lagen. Die Warm- und Kaltfronten von BIANCA I waren nun fast vollständig okkludiert; erst nach einer tausenden Kilometer langen Okklusionsfront spaltete sich diese über dem westlichen Russland auf in eine Kaltfront einerseits, die über Polen in die Warmfront des nachfolgenden Tiefs CLARA überging, sowie eine Warmfront, die über Wien endete. Auch Tief BIANCA II wies eine Okklusion auf, entlang des Luvs vom Ural in Russland mit Temperaturen um die -4°C bis im mittelrussischen Perm um 13 Uhr MEZ. Die Fronten und Wolken zogen jetzt sich langsam von West- nach Zentralrussland.

Am 10.01. war BIANCA I an dem gestrigen Ort von BIANCA II, nördliche der Kola-Halbinsel und BIANCA II lag nun über der Jamal-Halbinsel. Der Druck in beiden Tiefdruckkernen lag bei ungefähr 970 hPa. Typisch für einen Wirbel war eine weitere Kaltfront westlich des Kerns BIANCA I entstanden, die aus Richtung des norwegischen Spitzbergens kalte Luft nach Südost lenkte. Die Okklusionsfront von Tief BIANCA II überquerte Russland sowie die Ukraine komplett, war jedoch nur noch mit wenig Niederschlag verbunden und zum Abend löste sie sich auf.

Einen Tag später, am 11.01., kamen die Kerne BIANCA I und II über der russischen Stadt Workuta nördlich des Uralgebirges zusammen. Da sich das Tief BIANCA seit mehreren Tagen kaum über die Karte bewegt hatte und stationär war, konnte sich der Druck mit der Umgebung ausgleichen auf 980 hPa steigen. Zum 12.01. war das Tiefdruckgebiet BIANCA endgültig aus dem Darstellungsgebiet der Berliner Wetterkarte gezogen – Zentraleuropa stand zu diesem Zeitpunkt schon unter dem Einfluss von Hoch CHRISTIAN und Tief ELISA.