Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet BIANCA

(getauft am 14.09.2018)

 

Am 13.09.2018 wurde das Wettergeschehen in Europa einerseits durch einen weitreichenden Tiefdruckkomplex über dem Nordmeer, Skandinavien und Nordrussland sowie andererseits durch verbreitet hohen Luftdruck weiter südlich bestimmt. In einer Höhe von 5,5 km, was in etwa der mittleren Troposphäre entspricht, war der Hochdruckbereich weniger deutlich ausgeprägt und konzentrierte sich vor allem auf den Ostatlantik und Südosteuropa. Dennoch existierte zwischen der kalten Luft im Norden und der wärmeren Luft im Süden eine markante Höhenströmung, welche den Übergang der unterschiedlich temperierten Luftmassen und den daraus resultierenden Druckunterschieden darstellte. Eingebettet in dieser vom Nordatlantik über die Britischen Inseln und Südskandinavien bis nach Westsibirien weisenden Höhenströmung entwickelte sich im Bodenniveau im Laufe des Tages nordwestlich von Irland aus einer wellenförmig deformierten Front eines unbenannten Wirbels mit Lage über dem Seegebiet zwischen Island und Schottland ein neues Tiefdruckgebiet. Aufgrund des prognostizierten Einflusses dieses Tiefs auf das europäische Wettergeschehen wurde es am 14.09. auf den Namen BIANCA getauft.

Um 01 Uhr MEZ dieses Tages befand sich die noch als Randtief zum System ZEKIYE zugehörige Zyklone BIANCA mit ihrem Zentrum und einem Druck von knapp unter 1005 hPa rund 200 km nordwestlich von Schottland. Durch die sich schneller verlagernde Kaltfront wurden Teile der Warmfront bereits von dieser eingeholt und die vorlaufende Warmluft angehoben. Dabei entsteht am sogenannten Okklusionspunkt, wo Warm- und Kaltfront aufeinandertreffen, ein neuer Frontentyp, welcher als Okklusion bezeichnet wird. Je nachdem ob hinter der Okklusion relativ warme oder kalte Luftmassen einfließen, kann sie auch als Kalt- oder Warmfrontokklusion spezifiziert werden. Eine solche Okklusion erstreckte sich dabei östlich des Kerns bis zu den südlichen Hebriden an der Westküste Schottlands. Am dortigen Okklusionspunkt spaltete sie sich in eine nach Südwesten führende Kaltfront und in eine nach Südosten verlaufende Warmfront auf, wobei sich letztere nach der Überquerung des Süden Schottlands über der Ostsee mit der Kaltfront eines unbenannten Tiefs verband. Der Durchzug des Frontensystems sorgte in weiten Teilen Irlands und im Norden Großbritanniens für leichten Regen. Vereinzelt stellten sich die Niederschläge auch schauerartig verstärkt dar. So beispielsweise in Spadeadam, wo bis 07 Uhr MEZ in den vorangegangenen 12 Stunden 10 l/m² zusammenkamen. In Port Ellen auf der Hebrideninsel Islay waren es hingegen 9 l/m² und auf Valentia Island im Südwesten Irlands noch 8 l/m². Mit dem Durchzug der Kaltfront strömten kalte arktische Luftmassen ein, die mit Ausnahme des äußersten Südostens Englands zu deutlichen Absenkungen der Temperatur um oftmals bis zu 5 Grad führten. Teilweise waren die Temperaturunterschiede noch größer, wie beispielsweise in Filton bei Bristol, wo nach 19,1°C am Vortag nur noch 11,3°C gemessen wurden. Auch in der Bretagne konnten Temperaturunterschiede von bis zu 5 Grad verzeichnet werden. Der Niederschlag ließ währenddessen auch im Laufe des Tages nicht nach. Allerdings führte der oft schauerartig auftretende Regen entlang der Kaltfront nun zu lokal sehr unterschiedlichen Niederschlagsmengen. Die höchsten Werte wurden an der irischen Station Malin Head mit 20 l/m², am walisischen Lake Vyrnwy mit 19 l/m² und in Leek nahe Stoke-on-Trent mit 18 l/m² registriert. Das Tiefdruckzentrum hatte sich derweil weiter nach Osten verlagert, wodurch das zugehörige Regengebiet mit teils kräftigen Schauern nun auch auf Südnorwegen übergriff. Daraus resultierten 12-stündige Mengen von 22 l/m² in Modalen, 23 l/m² in Fossmark und 26 l/m² in Sauda.

Das Tief BIANCA zog in der Folge unter Verstärkung weiter nach Nordosten und etablierte sich als bestimmendes Tiefdrucksystem über Nordeuropa. Um 01 Uhr MEZ am 15.09. wurde die Zyklone ca. 100 km westlich der norwegischen Küste nahe Trondheim analysiert, wobei sie einen Kerndruck von etwa 1000 hPa aufwies. Die Okklusion reichte zu diesem Zeitpunkt vom Zentrum bogenförmig über das Skandinavische Gebirge nach Süden, bevor sie sich nördlich von Oslo aufspaltete. Die Warmfront führte nach Osten über Schweden und die nördliche Ostsee bis nach Helsinki. Die Kaltfront verlief hingegen über die Nordsee und Großbritannien nach Südwesten, ehe sie über Irland in die Warmfront des nachfolgenden Tiefs CHRISTINA überging. Erneut konzentrierte sich der Regen vor allem auf den Westen und Südwesten Norwegens. Innerhalb von 12 Stunden bis 07 Uhr MEZ verzeichnete die Station Kvamskogen-Jonshogdi 13 l/m², Fossmark weitere 12 l/m² und Aalesund 11 l/m². Auch weiter östlich bzw. südöstlich hatte das Tief BIANCA mit seinem Regengebiet Einfluss und führte in Schweden zu 14 l/m² am See Korsvattnet, 10 l/m² in Vinga und 9 l/m² in Ullared im Süden des Landes. Die Kaltfront griff derweil auf den Norden Deutschlands und der Niederlande über, wobei im selben Zeitraum jeweils 6 l/m² Regen in Hohn bei Rendsburg, in Leck westlich von Flensburg und in List auf Sylt sowie 8 l/m² in Schleswig fielen.

Die hinter dem Frontensystem einfließende arktische Kaltluft sorgte vor allem abseits der Küstenregionen im Landesinneren Schwedens und Norwegens für sinkende Temperaturen. Im norwegischen Tafjord wurden mit 11,5°C insgesamt 4,2 Grad weniger als am Vortag registriert. An der schwedischen Station Korsvattnet kühlte sich die Luft sogar von 12,4°C auf nun 4,9°C ab. Im Tagesverlauf überquerten die Tiefausläufer dann die Ostsee sowie Teile Finnlands, Polens und des Baltikums, wobei vielerorts die Schauer- und Gewitteraktivität zunahm. Dies resultierte in lokal recht unterschiedlichen Niederschlagsmengen, welche sich bis zum Abend auf 16 l/m² in Ketrzyn im Nordosten Polens, 15 l/m² im lettischen Ventspils und 13 l/m² im südfinnischen Pori summierten. Auch im Bereich des Tiefdruckzentrums traten Schauer von bis zu 20 l/m² auf der norwegischen Nordmeerinsel Vega auf. Im Norden Deutschland hielt der Niederschlag ebenfalls weiter an, wodurch nochmals je 5 l/m² auf Helgoland und in Elpersbüttel sowie 6 l/m² in Dörnick gemessen werden konnten.

Währenddessen hatte sich das Tiefdruckzentrum des Wirbels BIANCA bis 01 Uhr MEZ des Folgetages über den Norden Skandinaviens verlagert und wies keine Änderung im Kerndruck auf. Eine kurze Okklusion verlief von der norwegischen Küste nahe den Lofoten nördlich um den Tiefdruckkern bis zur finnisch-schwedischen Grenze, wo sich der Okklusionspunkt befand. Die Warmfront erstreckte sich anschließend bis zum Weißen Meer, während die Kaltfront zunächst nach Süden über Finnland, das Baltikum und Polen führte, dann sich nach Westen zog und über Schleswig-Holstein in die Warmfront der Zyklone CHRISTINA I überging. Die mit dem Tief BIANCA in Verbindung stehenden Niederschläge reichten dabei vom Norden Skandinaviens und Finnlands über Karelien bis zum Baltikum. Meist wurden in der Nacht nur geringe Mengen von 1 bis 2 l/m² registriert. Vielerorts summierte sich der Regen dennoch auf 5 bis 10 l/m² und vereinzelt auch darüber hinaus. So konnten beispielsweise 12-stündige Werte von 11 l/m² im finnischen Kaamanen, 16 l/m² in auf den Lofoten, 19 l/m² im russischen Wyborg nordwestlich von Sankt Petersburg und sogar 26 l/m² in Rensjön im schwedischen Teil Lapplands gemessen werden.

Der südliche Teil des Frontensystems wurde im Verlauf des Tages von einem unbenannten Tief nördlich des Schwarzen Meeres übernommen. Gleichzeitig bildete sich entlang der Luftmassengrenze über dem Norden Russlands ein zum Tief BIANCA zuzuordnendes Randtief, welches jedoch rasch an Intensität zunehmen sollte. Dadurch konzentrierten sich die dem Wirbel BIANCA zuzuschreibenden Niederschläge bis zum Abend weiterhin auf Nordskandinavien, Finnland und Nordrussland. Dabei konnten 11 l/m² im nordnorwegischen Kvaenangen und 10 l/m² in Kondopoga in der Republik Karelien verzeichnet werden.

Am 17.09. wurde das Tief BIANCA mit weiterhin rund 1000 hPa über der Nordküste Norwegens und der zu Russland gehörenden Halbinsel Kola analysiert. Vom Tiefdruckkern verlief eine Okklusion bogenförmig nach Osten über die Barentssee und verband sich nordöstlich von Archangelsk mit der Okklusion des unbenannten Randtiefs. Die Niederschlagsintensität im Bereich des Tiefdruckzentrums hatte sich deutlich abgeschwächt und bis zum Morgen konnten nur noch vereinzelt Mengen von über 2 l/m² beobachtet werden, wie zum Beispiel an der russischen Station Padun auf Kola mit 6 l/m².

Das Randtief verstärkte sich in der Folge zusehends auf bis zu 990 hPa und verlagerte sich nordwärts bis über die Barentssee. Dabei nahm es das Tief BIANCA in seine Zirkulation auf, wodurch dieses nicht mehr weiter namentlich auf der Berliner Wetterkarte verzeichnet werden konnte. An den folgenden Tagen blieb dieses Tief das bestimmende System über der Barentssee, bevor es am 20.09. den Darstellungsbereich in Richtung Nordosten verließ.