Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet BIGI

(getauft am 04.09.2014)

 

Auf der Vorderseite eines Troges, also eines Vorstoßes kalter Luft nach Süden, im 500-hPa-Niveau, das einer Höhe von etwa 5,5 km entspricht, entstand entlang einer wellenförmig deformierten Front des ehemaligen Tropensturms CRISTOBAL in der Nacht zum 04.09. im Bodenniveau über dem Atlantik südlich von Island ein Tiefdruckwirbel, der auf den Namen BIGI getauft wurde.

Westlich des Kerns der Zyklone, in dem ein Druck von unter 1015 hPa herrschte, reichte zum einen eine Warmfront nach Nordosten, welche den Wirbel BIGI mit dem ehemaligen Tropensturm CRISTOBAL verband, und zum anderen eine Kaltfront in südwestlich bis westliche Richtung, die sich weit über den Atlantik erstreckte. Mit den Ausläufern der Kaltfront erreichten erste Niederschläge in der Nacht zum 05.09. die Färöer Inseln sowie Teile Schottlands und brachten innerhalb von 12 Stunden bis 06 Uhr UTC, was 08 Uhr MESZ entspricht, in Aultbea 5 l/m², 5,6 l/m² auf Baltasound und 4 l/m² Regen in Tórshavn Niederschlag.

Zum 05.09. begann der Wirbel BIGI sich langsam einzudrehen und verlagerte sich nach Osten. Gegen 00 Uhr UTC befand sich die Zyklone mit nahezu unverändertem Druck über den Färöer-Inseln. In nordöstlicher Richtung war das Zentrum von Tief BIGI weiterhin durch eine Warmfront mit dem Frontensystem des nördlich von Norwegen liegenden, ehemaligen tropischen Wirbelsturms CRISTOBAL verbunden, die zugehörige Kaltfront hingegen erstreckte sich von den Färöer über Schottland bis nach Irland, wobei sie über dem Atlantik teils Warmfrontcharakter annahm. Das Niederschlagsband überquerte in abgeschwächter Form im Tagesverlauf Großbritannien von Norden nach Süden. Größere Niederschlagsmengen kamen mit Ausnahme des schottischen Hochlands meist jedoch nicht zusammen. Innerhalb von 24 Stunden wurden bis 06 Uhr UTC des Folgetages aus Shap 4,4 l/m², aus Aberdeen 9,2 l/m² und aus Aboyne 11,8 l/m² gemeldet.

Bis zum 06.09. verblieb das Tief BIGI mit nur unwesentlich verändertem Kerndruck nahezu stationär über den Färöer-Inseln. Das Zentrum des Tiefs war auch an diesem Tag in nordöstlicher Richtung durch eine Warmfront mit dem ehemaligen Tropensturm CRISTOBAL verbunden, welcher über Nordrussland lag. An dessen Kaltfront schloss sich die Warmfront der Zyklone BIGI über Finnland an. Die dem Wirbel BIGI zugehörige Kaltfront zog sich über Edinburgh und Dublin nach Westen über den Atlantik hinaus. Durch Aufnahme von Feuchtigkeit über der Nordsee konnte sich im Laufe des Tages ein neues, sehr ergiebiges Niederschlagsgebiet ausbilden, welches vor allem über dem Süden Norwegens und über Dänemark zu erheblichen Niederschlagssummen führte. Bis 06 Uhr UTC des darauffolgenden Tages fielen binnen 24 Stunden in Borris 60,1 l/m², bei Saerheim 72,9 l/m² und an der Station Stavanger Vaaland 99,1 l/m² Niederschlag. Durch wiederholte und lang anhaltende Schauer, die auch mit Gewittern durchsetzt waren, wurden an der Messstation in Kristiansand im selben Zeitraum sogar bis zu 261,2 l/m² registriert.

Sich weiter in Richtung Nordsee verlagernd hatte die Zyklone BIGI in der Nacht zum 07.09. einen zweiten Kern ausbildet. Der erste nördliche Kern befand sich mit einem auf unter 1010 hPa gefallenen Druck östlich von Schottland über der Nordsee, der zweite Kern mit einem Druck von knapp 1015 hPa westlich vor Südschweden. Beide Kerne waren durch ein markant ausgeprägtes Frontensystem miteinander verbunden. Eine südlich des ersten Kerns des Wirbels BIGI I ausgehende Okklusionsfront reichte zunächst in einem Bogen nach Norden um den Kern herum bis zu ihrem Okklusionspunkt nahe der Shetland Inseln. Als Okklusionsfront wird dabei eine Mischfront beschrieben, die aus der Vereinigung der Warm- mit der Kaltfront hervorgegangen ist und somit Eigenschaften beider Fronten aufweist. Der Ort, wo die Kalt- und Warmfront ineinander übergehen und eine solche Front bilden, wird als Okklusionspunkt bezeichnet. Von diesem Punkt erstreckte sich die Kaltfront weiter in südöstliche Richtung zum zweiten Kern über Südschweden, die Warmfront hingegen erstreckte sich in nordöstlich bis östlicher Richtung über Zentralskandinavien und verband sich über Finnland, wie bereits die Tage zuvor, mit der Kaltfront des Wirbels ex-CRISTOBAL. Vom Kern der Zyklone BIGI II verlief eine weitere Kaltfront über der Nordsee, Südengland und den Ärmelkanal hinweg in Richtung Westen und endete im weiteren Verlauf Warmfrontcharakter annehmend über dem Atlantik. Der Zusammenstrom von Luftmassen, eine sogenannte Konvergenzzone, wird auf den Wetterkarten durch eine Konvergenzlinie gekennzeichnet. Eine solche befand sich zwischen dem zweiten Kern des Wirbels BIGI II und dem sich über Ostdeutschland in Auflösung befindlichen Tief CLAUDIA. Die durch das Zusammenströmen der Luft im Bodenniveau erzeugten Aufwinde führten entlang dieses Bereiches zur Ausbildung lokaler Schauer- und Gewitterzellen über Teilen Dänemarks sowie dem Norden und Osten Deutschlands. Leipzig meldete bis zum Folgetag um 06 Uhr UTC einen 24-stündigen Niederschlagswert von 5,8 l/m², Erfurt 9,6 l/m² und Neuruppin 10,4 l/m². Die lokal unwetterartig über Norwegen ausgefallenen Niederschläge des vorangegangenen Tages verblieben in der Region um Südnorwegen und Norddänemark, schwächten sich jedoch zunehmend ab. Im selben Zeitraum wie eben wurden bei Skagen 26,7 l/m², in Kristiansand 39,5 und in Veggli Ii bis zu 57 l/m² registriert.

Am 08.09. gegen 00 Uhr UTC wurde der sich nur langsam verlagernde Tiefdruckwirbel BIGI weiter mit zwei Kernen weiter über der zentralen Nordsee sowie über dem Nordmeer an der norwegischen Küste analysiert. Vom ersten der beiden Kerne, der sich mit einem Druck vom knapp 1010 hPa vor Südnorwegen befand, erstreckte sich eine Okklusionsfront bis zu ihrem Okklusionspunkt bei Öland, Südschweden. Von dort reichte einerseits eine Warmfront weiter in südöstlicher Richtung über Polen bis an das Tatra Gebirge und andererseits eine Kaltfront über Berlin, Bonn und den Ärmelkanal nach Westen bis südlich von Irland. Der Kern des Tiefs BIGI II lag ohne Frontensystem mit einem Kerndruck von etwa 1015 hPa und sich rasch abschwächend westlich von Bergen. Durch die nur sehr langsame Zuggeschwindigkeit des Wirbels hielten die Niederschläge über Südskandinavien zwar weiter an, fielen mit Ausnahme von Kristiansand im Verhältnis zumeist jedoch weit weniger intensiv aus. Die Station bei Kongsberg meldete innerhalb von 24 Stunden bis 06 Uhr UTC am 09.09. 14,5 l/m², Karlsborg 20,4 l/m² und Landvik 33,4 l/m². In Kristiansand brachten starke Gewitter erneut erhebliche Regenmengen mit sich, die sich binnen 24 Stunden auf 114,2 l/m² summierten. Innerhalb von 72 Stunden fielen im Einflussbereich des Tiefs BIGI in Kristiansand annähernd 415 l/m² Regen.

Mit nur noch einem Kern war das Tief BIGI mit seinem Zentrum bis zum folgenden Tag leicht nach Osten gezogen und lag mit einem Druck von 1010 hPa um 00 Uhr UTC über dem Skagerrak, mittig zwischen Norwegen und Schweden. Dabei gingen zwei Okklusionsfronten vom Zentrum des Tiefs BIGI aus. Die erste Front erstreckte sich nach Osten bis nach Riga, wo diese sich in eine nahe Rzeszów in Polen endende Warm- und in eine über Warschau, München und Nantes in Frankreich reichende Kaltfront teilte. Die zweite Okklusionsfront erstreckte sich westlich des Kerns entlang der Norwegischen Gebirgskette nach Norden und verband sich Warmfrontcharakter annehmend nahe Archangelsk mit der Kaltfront des in Richtung Nowaja Semlja abgezogenen Wirbels ex-CRISTOBAL. Das Niederschlagsgebiet weitete sich im Tagesverlauf auf weite Regionen Skandinaviens und Teile des Baltikums aus, wobei sich hier die höheren, wenn auch lokal sehr unterschiedlich ausfallenden Niederschlagsmengen im Wesentlichen auf einer Linie entlang der Norwegischen Küsten sowie auf Teile Schwedens konzentrierten. Bis 06 Uhr UTC des Tags darauf wurden in Tromsø 8,7 l/m² und in Horby 25,8 l/m² gemessen, in Kristiansand hingegen wurden nur geringe Niederschlagsmengen registriert. Im selben Zeitraum fielen im lettischen Aluksne 9 l/m² und in Vilnius in Litauen sowie im estnischen Väike-Maarja knapp 12 l/m² Niederschlag.

Die Zyklone BIGI war zum 10.09. weiter nach Osten gezogen und befand sich um 00 Uhr UTC mit kaum verändertem Kerndruck über der Ostseeinsel Gotland. In einem Bogen über Stockholm und Tallinn erstreckte sich eine Okklusionsfront vom Zentrum bis nach Minsk. Über Minsk den Charakter einer Kaltfront annehmend reichte diese weiter über Polen bis ins Karpatenvorland, wo sie sich im weiteren Verlauf mit dem Frontensystem eines über Südwestdeutschland liegenden unbenannten Tiefs verband. Die zu dem sich auflösenden Wirbel BIGI direkt zuzuordnenden Schauer und Gewitter in Teilen Polens und Ostdeutschland sind lokal mitunter kräftig ausgefallen. Beispielsweise wurden bis 06 Uhr UTC des 11.09. 24-stündig in Potsdam 10 l/m², am Kap Arkona 20,3 l/m² und in Breslau sowie in Warschau 40 l/m² registriert. Regenmengen können während Gewittern regional sehr unterschiedlich ausfallen. So wurden an den Messstationen in Tegel und Tempelhof 3 beziehungsweise 7 l/m² gemessen, die Station in Berlin-Dahlem registrierte für den selben Zeitraum 19,7 l/m². Der 10.09. war zugleich der letzte Tag, an dem das Tief BIGI auf der Berliner Wetterkarte namentlich Erwähnung fand. Im weiteren Verlauf des 11. und 12.09. wurde die Zyklone BIGI allmählich in die Zirkulation des nachfolgenden Tiefs DAGMAR aufgenommen.

 


Geschrieben am 25.10.2014 von Christian Ulmer

Berliner Wetterkarte: 07.09.2014

Pate: Bigi Schärer