Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet BIGI

(getauft am 16.06.2018)

 

Mitte Juni bildete sich über Nordamerika eine Zyklone, die in der Westwinddrift nach Europa zog. Diese sollte mit der weiteren Zugbahn gen Osten das Wetter Mitteleuropas mitbestimmen und wurde so anhand der Prognosekarte für den 17.06.18 um 14 Uhr MESZ auf den Namen BIGI getauft.

Nördlich des Azorenhochs befand sich das Tief BIGI an diesem Tag um 02 Uhr MESZ mit seinem Zentrum rund 850 km südwestlich von Island, wo ein Luftdruck von knapp 994 hPa gemessen wurde. Südöstlich vom Kern aus verliefen die Okklusion, die Warm- und die doppelt ausgebildete Kaltfront im Bogen über dem nordöstlichen Atlantik vor den Britischen Inseln. Eine Okklusionsfront ist eine Mischfront, die die Eigenschaften beider Frontentypen in sich vereint. Im weiteren Verlauf ging die östlichere Kaltfront in die Warmfront einer kleinen Welle über. Infolge der Konvektionsprozesse mit Wolken- und Niederschlagsbildung regnete es in Valentia im Südwesten Irlands innerhalb von 12 Stunden bis 08 Uhr MESZ 7 l/m² bei höchstens 15,5°C oder an der Station Mace Head nördlich davon 3 l/m² mit einer Höchsttemperatur von 14,3°C.

Bis zum nächsten Tag verlagerte sich das Tiefdruckgebiet BIGI unter Verstärkung in Richtung Nordosten und lag um 02 Uhr MESZ mit einem Druck von rund 984 hPa vor der Südostküste Islands. Die Okklusion verlief bogenförmig südöstlich von Island und im Anschluss südostwärts über die Färöer-Inseln bis zur westlichen Nordsee. Der Okklusionspunkt lag etwa 125 km östlich der britischen Küste. Von dort erstreckte sich die Warmfront, wo sich die wärmere Luft langsam unter die vorlaufende kältere Luftmasse schob, bis zur belgischen Nordseeküste und dann nach Südwesten bis nach Zentralfrankreich. Die Kaltfront lag im Bogen über Ostengland, dem Ärmelkanal, der Bretagne und der nördlichen Biskaya. Danach ging sie in die Warmfront eines kleinen Tiefs westlich von Irland über. Viel Niederschlag produzierten die beschriebenen Fronten nicht. Meist lagen die 12-stündigen Regenmengen bis 08 Uhr MESZ zwischen 0,2 l/m² zum Beispiel in London oder Albemarle bei Sunderland und 2 l/m² in Torshavn oder Prestwick. Nur punktuell kamen bis zu 6 l/m² in Eskdalemuir im Süden Schottlands zusammen. Im kleinen, aber deutlich ausgeprägten Warmsektor zwischen Warm- und Kaltfront mit einer maritimen Subtropikluft, stiegen die Temperaturen auf bis zu 26,6°C am Londoner Heathrow-Flughafen. Mit der Passage der Kaltfront ging ein wahrer Temperatursturz einher. So erreichten die Höchstwerte in maritim-arktischer Luft lediglich 15,5°C in Mumbles bei Swansea, 18,2°C in Crosby bei Liverpool und 19,9°C in Plymouth.

Insgesamt zog die Zyklone BIGI weiter nach Nordosten und im Bereich des Okklusionspunkts, dem Punkt an dem sich Kalt- und Warmfront zur Okklusionsfront vereinen, bildete sich ein neues Tief BIGI II mit Zentrum über Skandinavien aus. Dessen Okklusion verlief bogenförmig über weite Teile Schwedens und anschließend nach Südwesten bis in die deutschen Mittelgebirge. Verbindung zum Haupttief BIGI I bestand durch eine weitere Mischfront, die sich spiralförmig über Teilen Norwegens, dem Europäischen Nordmeer und dem Osten Islands bis zum Kern erstreckte, der sich mit ca. 979 hPa zwischen den Färöer-Inseln und Jan Mayen befand. Etwa auf halber Strecke zwischen den beiden Kernen lag zudem noch eine etwa 1100 km lange Okklusion vor der skandinavischen Nordmeerküste. Mit knapp 999 hPa war der Zentrumsdruck von BIGI II etwas höher. Vor allem im Bereich der Zyklone BIGI I regnete es teils länger anhaltend. Die höchsten Niederschlagsmengen wurden in Takle und in Stryn jeweils im Südwesten Norwegens mit 18 l/m² bzw. 21 l/m² im erwähnten Zeitraum gemessen. Die Temperaturen stiegen auf bis zu 22,1°C in Stockholm, 22,5°C in Malmö und 22°C in Oslo. Mit Seewind waren es nur höchstens 13,8°C, wie in Stavanger. In der Wechselwirkung mit dem ausgeprägten Azorenhoch kam es im schottischen Bergland und den vorgelagerten Inseln sowie im Osten von Island, vor allem in exponierten Lagen, teilweise zu schweren Sturmböen und Orkanböen. So maß die Station auf dem Cairnwell 77,8 km/h und auf dem Great Dun Fell gar 118,6 km/h in Spitzen.

Bei gleicher Zugrichtung trennten sich die beiden Teiltiefs und befanden sich mit dem Zentrum am 20.06.18 um 02 Uhr MESZ zum einen 420 km südwestlich der Lofoten. Die dazugehörige Okklusion des Tiefs BIGI I lag wie ein Hufeisen über dem Europäischen Nordmeer. Bei einem minimalen Druck von knapp 990 hPa hatte es sich abgeschwächt. Diese Mischfront sorgte aber für schauerartig verstärkten Regen entlang der norwegischen Küste, insbesondere in der Region um Trondheim. So kamen in 12 Stunden bis 08 Uhr MESZ in Gartland 26 l/m² oder am Afjord 21 l/m² bei einer Höchsttemperatur von 9,1°C zusammen. Der Kern des Teiltiefs BIGI II lag über Nordfinnland am Polarkreis mit einem Druck von ungefähr 989 hPa. Die kurze Okklusion begann am Weißen Meer, wo sie in eine bogenförmige Kaltfront über dem Westen Russlands überging, die bis nach Westpolen reichte. Dort schloss sich die Warmfront des Tiefdruckgebietes CATHY an. Trotz der Hebungsprozesse an der Kaltfront durch das Anheben warmer Luft vom Boden, regnete es aus den Wolken dieser Front sowie der vorlaufenden zusätzlichen Okklusion nur etwas in Russland. Im genannten Zeitraum waren es 8 l/m² in Vinnicy 240 km nordöstlich von St. Petersburg oder 5 l/m² in Petrosawodsk. Dabei betrug der Temperaturunterschied zwischen der Subtropik- und der maritimen Polarluft rund 7 Grad, wie zum Beispiel in Nischni Nowgorod mit 27,5°C und 20,4°C in Nikloaevskoe im äußersten Westen Russlands.

Mit den Überresten des Tiefs ALANA vereinigte sich das Tiefdruckgebiet BIGI, das sich leicht verstärkte und nur wenige hundert Kilometer westlich des Urals lag. In dessen Kern herrschte ein Druck von knapp 984 hPa. Die Okklusion, in deren Bereich die warme Luft komplett vom Boden gehoben wurde und es damit zur Niederschlagsbildung kam, erstreckte sich vom Norden Norwegens und der Halbinsel Kola nach Osten bis zum Ural und anschließend südwärts bis ins Umland von Jekaterinburg. Dort schloss sich die Kaltfront an, die in einem Bogen bis zum Asowschen Meer reichte. Die höchsten Regenmengen entlang der Mischfront wurden in 12 Stunden bis 08 Uhr MESZ nördlich des Polarkreises in Sihcajavri mit 37 l/m² oder 30 l/m² in Naimakka gemessen. Die Kaltfront war nur noch sehr schwach ausgeprägt, nahe der Hochs CHRISTOF schien schon vielerorts die Sonne. Während über weiten Teilen Finnlands und dem europäischen Bereich Russlands teilweise die 20-Grad-Marke geknackt wurde, wie zum Beispiel in Kuopio mit 20,4°C oder 21,6°C in Raznavolok, betrugen die Höchstwerte im äußersten Norden Europas lediglich 8,7°C in Murmansk und 12,3°C am Inarisee.

Bis zum nächsten Tag zog das Hoch BIGI weiter nach Osten. Bei einem ansteigenden Luftdruck von rund 987 hPa im Zentrum befand sich dieses zu Tagesbeginn am Unterlauf des Ob. Die dazugehörige Okklusion verlief östlich des Kerns über Nordrussland. An der Station Aleksandrovskoe betrug beispielsweise die Regen-Tagesmenge 3,5 l/m² bei höchstens 23,9°C. Eine ähnliche Höchsttemperatur wurde in Nizhnesortymsk mit 23,7°C erreicht.

Am 23.06.18 um 02 Uhr MESZ befand sich der Tiefdruckkomplex BIGI mit seinen zwei Zentren östlich des Ob über dem westlichen Sibirien mit einem Kerndruck von circa 994 hPa. Die Zentren hatten untereinander einen Abstand von etwa 600 km. Die Okklusion diente als Verbindung beider Kerne und verlief 250 bis 300 km östlich des Urals, wo in Aleksandrovskoe am Tag noch 6 l/m² bei einer Tageshöchsttemperatur von 23,6°C zusammenkamen. Weiter nördlich, in Nadym, maß man kühlere 19,3°C als Maximalwert.

Am folgenden Tag hatte sich das Tiefdruckgebiet BIGI immer weiter abgeschwächt, sodass es nicht mehr mit dem Namen auf der Berliner Wetterkarte vermerkt wurde.