Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet BJARNI

(getauft am 21.12.2015)

 

Unterhalb eines ausgeprägten Troges kalter Luft im 500-hPa-Niveau, was etwa einer Höhe von etwa 5,5 km entspricht, entstand im Bodenniveau am Rande des Tiefs AREND östlich von Neufundland ein neuer Tiefdruckwirbel, der in der Analyse vom 21.12. von den Meteorologen der Berliner Wetterkarte auf den Namen BJARNI getauft wurde. Vom Kern dieses Wirbels, der um 00 Uhr UTC, das heißt 01 Uhr MEZ, mit einem Druck von unter 1005 hPa über dem Atlantik lag, erstreckte sich eine Kaltfront in südwestliche Richtung über den Atlantik. Ein markantes Niederschlagband entwickelte sich entlang dieser Front und überquerte in den darauf folgenden 24 Stunden den Nordatlantik in Richtung der Britischen Inseln.

Zum 22.12. war der sich rasch verstärkende Wirbel BJARNI unter Ausbildung eines zweiten Kerns nach Osten gezogen und lag gegen 00 Uhr UTC mit seinen Zentren südlich von Island. Eine Okklusionsfront reichte vom östlicheren der beiden Zentren, dessen Kerndruck knapp 990 hPa betrug, nach Südosten. Als Okklusionsfront wird dabei eine Mischfront bezeichnet, die sich aus dem Zusammenschluss von Kalt- und Warmfront bildet und somit Eigenschaften beider Systeme in sich vereint. Die Stelle, an der Warm- und Kaltfront ineinander übergehen und eine solche Okklusionsfront bilden, wird als Okklusionspunkt bezeichnet. Vom Okklusionspunkt westlich von Schottland führte eine Warmfront vorbei an Dublin und London in Richtung der französischen Alpen, über denen sie sich mit dem Frontensystem eines über Skandinavien liegenden Tiefs verband. Die Kaltfront hingegen reichte vom Okklusionspunkt in einem weiten Bogen in südwestliche Richtung über den Atlantik und ging westlich der Azoren in eine Warmfront über. Vom zweiten, westlicheren Kern reichte eine Okklusionsfront zunächst nach Süden, ehe sie Eigenschaften einer Kaltfront annehmend einen Bogen nach Westen beschrieb und südöstlich von Neufundland ebenfalls in eine Warmfront eines weiteren Wirbels überging. Das zugehörige Niederschlagsband hatte gegen 06 Uhr UTC die Küsten Irlands erreicht, überquerte im Tagesverlauf Großbritannien und hatte in der zweiten Tageshälfte auch Norwegen erreicht. Besonders ergiebig fielen die Niederschläge im nordenglischen und schottischen Raum aus, die zudem von einem oft stürmischen Wind begleitet wurden. Binnen 24 Stunden wurden bis 06 Uhr UTC des darauf folgenden Tages in Aviemore 23 l/m², bei Shap 31,4 l/m² und an der Station auf dem Capel Curig bis zu 44,2 l/m² gemessen. An exponierten Lagen erreichte der Wind in Böen gar Orkanstärke. So meldeten die Anemometer am Aonach Mòr Windspitzen bis 144,5 km/h und am Cairngorm, als auch am Great Dun Fell Böen von bis zu 152 km/h. Zwischen 07 und 09 Uhr UTC registrierte die Station am Great Dun Fell mit über 122 km/h eine Windgeschwindigkeit, die auch im Mittel Orkanstärke erreichte. Ähnlich intensiv, wenn auch weniger stürmisch, fielen die Niederschlagsmengen in Norwegen und Dänemark aus. 24-stündig fielen bis 06 Uhr UTC in Takle 28 l/m², am Flughafen von Billund 29,4 l/m² und bei Kvamskogen 31,7 l/m². Zugleich gelangten warme Luftmassen subtropischen Ursprungs im zwischen Warm- und Kaltfront aufgespannten Warmluftsektor nach Mitteleuropa, die die Temperaturen beispielsweise entlang des Rheins, aber auch in weiten Teilen Deutschlands sowie Polens auf Werte um oder knapp unter 14°C stiegen ließ.

Am 23.12. befand sich die Zyklone BJARNI mit einem stark ausgeprägten Kern, in dessen Zentrum der Druck auf unter 955 hPa gefallen war, bereits östlich von Islands Ostküste. Eine nur in der Höhe analysierbare Okklusionsfront zog sich gegen 00 Uhr UTC westlich des Kerns ausgehend um das Zentrum herum nach Osten und über Norwegen weiter bis nach Zentralschweden. Westlich von Narvik zog sich zudem eine von der Okklusionsfront ausgehende Warmfront über den Bottnischen Meerbusen nach Finnland, wo sie sich mit der Kaltfront eines bei Nowaja Semlja liegenden Wirbels verband. Über Mittelschweden entwickelte sich im Laufe des Tages entlang der sich wellenförmig deformierenden Okklusionsfront ein neuer Tiefdruckwirbel, so dass sich die dem Tief BJARNI direkt zuzuordnenden Niederschläge auf die Küsten Norwegens und Islands konzentrierten, größere Regenmengen kamen zumeist jedoch nicht zusammen. Bei vorherrschenden Temperaturen um den Gefrierpunkt brachten Schnee oder Schneeregen innerhalb von 24 Stunden bis 06 Uhr UTC in Island zwischen 1 und 2 l/m², in Ny-Ålesund auf Spitzbergen 4,4 l/m² und auf Jan Mayen 5,4 l/m². Der Wind im Einflussgebiet des Tiefs BJARNI hatte sich im Allgemeinen abgeschwächt. Lediglich die Station auf Jan Mayen meldete Sturm der Stärke 8 bis 9 auf der Beaufortskala, der von vereinzelten Orkanböen bis 118,9 km/h begleitet war. Auf Spitzbergen erreichte der Wind im Vergleich dazu im Mittel nur die Stärke 2 bis 3 und auf Island 4 bis 5, vereinzelt bis 6 auf der Beaufortskala. Der Zustrom subtropischer Luftmassen nach Mitteleuropa hielt weiter an, so wurden in Berlin-Dahlem Tageshöchstwerte von 13,4°C, in München 14,1°C und Warschau 14,4°C erreicht. Mit 13,4°C wurde in Berlin-Dahlem zugleich der bisherige Höchstwert von 12,0°C am 23. Dezember 1991 in der seit 1908 bestehenden Reihe eingestellt. Mit einem auf etwa 970 hPa gestiegenen Druck war der Wirbel BJARNI zum 24.12. nach Nordosten gezogen und befand sich um 00 Uhr UTC über dem Europäischen Nordmeer zwischen Island und Nordnorwegen. Vom Kern reichte zum einen eine Warmfront zunächst nach Nordosten, die im weiteren Verlauf einen Bogen über Tromsø nach Süden beschrieb und in das Frontensystem eines aus dem Tief BJARNI hervorgegangenen Tiefs überging, und zum anderen eine Kaltfront nach Südwesten, welche den Tiefdruckwirbel BJARNI mit dem Tief noch immer bei Grönland liegenden Tiefs AREND verband. Das Tief BJARNI verlagerte sich zunehmend nach Nordosten in Richtung Spitzbergen und verlor dadurch seinen Einfluss auf Mitteleuropa, wodurch die zuvor eingeflossene Subtropikluft durch kühlere Meeresluft in Richtung Osten verdrängt wurde. Die Niederschlagsmengen fielen entlang des zum Wirbel BJARNI gehörenden Niederschlagsfeldes, welches sich auf den Raum Nordnorwegen und Spitzbergen konzentrierte, gering aus. Bis 06 Uhr UTC wurden in 24 Stunden an der Station in Ny-Ålesund 1,8 l/m², am ebenfalls auf Spitzbergen gelegenen Flughafen Svalbard 2,5 l/m² und in Losistua nahe Narvik 4,0 l/m² gemessen, die bei Temperaturhöchstwerten um -1,5°C und -4,7°C über Nordnorwegen und Spitzbergen als Schnee fielen.

Sich weiter leicht abschwächend befand sich das Tief BJARNI mit einem um 5 hPa gestiegenen Kerndruck am 25.12. südlich von Spitzbergen. Unweit des Zentrums verband sich eine in nordöstlicher Richtung vom Kern ausgehende Warmfront mit dem Frontensystem eines westlich von Nowaja Semlja liegenden Wirbels und in südwestliche Richtung reichte eine Kaltfront vom Kern über das Europäische Nordmeer bis nach Island. Auf seiner nordöstlichen Zugbahn verließ der Tiefdruckwirbel BJARNI im Laufe des Tages den von der Berliner Wetterkarte erfassten Analysebereich, sodass der 25.12. zugleich der letzte Tag war, an dem der Wirbel BJARNI auf jener namentlich verzeichnet werden konnte. Zuvor brachten seine Ausläufer auf Spitzbergen erneut leichte Schneefälle, die bei anhaltendem Dauerfrost in 24 Stunden in Hornsund 1,1 l/m² und am Flughafen Svalbard 1,3 l/m² mit sich brachten.

 

 

Geschrieben am 23.02.2016 von Christian Ulmer

Berliner Wetterkarte: 23.12.2015

Pate: Bjarne Steidl