Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet BOB
(getauft am
15.05.2013)
Am
15.05. war über dem Nordatlantik in der mittleren Troposphäre in 5,5 km Höhe
ein umfangreicher Höhenkeil und über der Nordwesthälfte Europas ein gut
ausgeprägter Höhentrog bestimmend. Ein Höhenkeil entspricht dabei einem Vorstoß
warmer Luftmassen nach Norden, wobei ein Höhentrog den dazugehörigen Vorstoß kalter
Luftmassen nach Süden darstellt. Die dominierende Höhenströmung verlief von
Neufundland entlang der Südküste Grönlands und westlich von Irland bis zum Golf
von Biskaya. Von dort drehte die Strömung auf Südwesten und reichte auf
direktem Weg bis Finnland.
Westlich
des Scheitelpunkts des Höhenkeils im Bereich der Süd- bis Südostküste Grönlands
bildete sich im Bodenniveau an diesem Tag ein neues Tiefdruckgebiet, welches
einen anfänglichen Kerndruck von 1015 hPa hatte und auf den Namen BOB getauft
wurde. Am folgenden Tag verlagerte sich Tief BOB mit der Höhenströmung westlich
von Irland nach Süden. Zwar reduzierte sich sein Kerndruck durch die Nähe zum
Tiefdruckkomplex ZACHARIAS-ALFRED I auf knapp unter 1000 hPa, dennoch
beeinflusste Tief BOB noch keine europäischen Inseln oder das Festland.
In
der Nacht zum 17.05. befand sich Tief BOB über dem Golf von Biskaya, wobei eine
kurze Okklusionsfront, welche Warm- und Kaltfronteigenschaften in sich vereint,
nach Norden verlief und eine weitere bogenförmig nach Süden über Spanien bis
nach Madeira reichte. In der Nacht überquerte die südlichere Okklusionsfront die
Iberische Halbinsel von Nordwesten nach Südosten. In dem von Schauer- und
Gewitterwolken dominierten Okklusionsbereich fielen teils ergiebige, teils kaum
nennenswerte Niederschlagsmengen. Während La Coruna
bis 08 Uhr MESZ 22 l/m² registrierte, waren es in Madrid nur 0,4 l/m². Im Laufe
des Tages kam es in der eingeflossenen subpolaren Meeresluft zu weiteren
Niederschlägen, die zwar meist im einstelligen Bereich bis 6 l/m² in Madrid
lagen, sich aber auf fast alle Regionen in Portugal und Spanien ausdehnten. Nur
an der Nordwestküste in La Coruna wurden nach
Regenschauern weitere 16 l/m² gemessen.
Der
Kaltlufttrog, der sich von den Britischen Inseln zur Iberischen Halbinsel
verlagert hatte, führte außerdem Höhenkaltluft mit sich, die direkten Einfluss
auf die Höchsttemperaturen hatte. Während an der Süd- und Südostküste Spaniens
in Malaga und Valencia 22°C erreicht wurden, waren es in La Coruna
14°C und in Madrid nur 11°C als Maximaltemperaturen.
Am
18.05. lag das Zentrum von Tief BOB mit einem Kerndruck von etwa 1001 hPa über
den Pyrenäen. Durch die Vereinigung mit einem kleinen Randtief konnte sich eine
langgezogene Kaltfront ausbilden, die sich vom Zentrum aus entlang der
spanischen Mittelmeerküste über Marokko und die Kanarischen Inseln bis zu den
Azoren erstreckte. Auf der Rückseite der Front wurde dabei großflächig
subpolare Meeresluft weit in den Süden transportiert. Dadurch stiegen die
Höchsttemperaturen z.B. in Lajes auf den Azoren nur
auf 18°C und in Funchal auf Madeira auf 19°C. Auf der
Iberischen Halbinsel wurden in Lissabon mit 17°C, in Porto mit 15°C und in
Madrid mit 14°C für die Jahreszeit sehr kühle Höchstwerte gemessen. In San
Sebastian stieg die Temperatur sogar nur auf 10°C an, wobei es im Stau der
Pyrenäen sehr ergiebig regnete und eine 48-stündige Niederschlagsmenge von 112
l/m² gemeldet wurde.
Am
19.05. lag das abgeschlossene Höhentief mit seinem Zentrum über Westfrankreich.
Am Boden befand sich Tiefdruckgebiet BOB mit dem Zentrum etwa unter dem des
Höhentiefs. Der Kerndruck war etwas angestiegen, lag aber immer noch unter 1005
hPa. Die Okklusionsfront verlief vom Zentrum aus bis zu den Alpen, wo sie in
eine Kaltfront überging. Diese war über Marokko und der Mittelmeerküste
Algeriens nach Osten gezogen und reichte von den Alpen über Italien bis nach
Sizilien. Die subpolare Meeresluft hatte sich über ganz Südwesteuropa und auch
bis zur nordafrikanischen Mittelmeerküste ausgebreitet. Beispielsweise wurden
in Algier als Tagesmaxima nur 22°C erreicht. In weiten Teilen Portugals,
Spaniens und Frankreichs wurden kaum 20°C gemessen. In Nizza stieg das
Thermometer nur auf 18°C, in Toulouse nur auf 16°C und in Brest sogar nur auf
13°C. Im Laufe des Tages verlagerte sich das Zentrum von Tief BOB über den
Westen Deutschlands. Im Bereich der Okklusionsfront bildete sich über
Luxemburg, Rheinland-Pfalz und dem Saarland ein Dauerregengebiet, in dem bis
zum frühen Morgen 24-stündige Niederschlagsmengen bis zu 55 l/m² registriert
wurden, z.B. in Deuselbach und Tholey.
Entlang der Kaltfront bildete sich dagegen eine fast geschlossene
Gewitterlinie, die 24-stündige Mengen von z.B. 22 l/m² in Brünn und 12 l/m² in
Prag zur Folge hatte. Vor der Gewitterfront wurde nur in der Region Franken und
der Lausitz ein Sommertag mit über 25°C erreicht, z.B. in Cottbus mit 26,2°C
und 14 Sonnenstunden. In der Nacht blieb es mit 13°C in Berlin am wärmsten,
entlang der Donau ging die Temperatur teilweise auf unter 5°C zurück.
Am
20.05. verlagerte sich das Frontensystem von Tief BOB langsam nach Norden.
Dabei regnete es anfangs noch vom Niederrhein bis zum Pfälzer Wald, z.B. in
Saarbrücken mit 20 l/m² innerhalb von 12 Stunden. Nordwestlich einer Linie
Niederrhein-Usedom schien die Sonne kaum eine Stunde lang, nur südöstlich davon
und auf Rügen gab es bis zu 6 Stunden Sonnenschein, im Erzgebirge und in Teilen
Bayerns auch 9 bis 11 Stunden.
Tiefdruckgebiet
BOB war am folgenden Tag Teil eines Tiefdruckkomplexes mit mehreren Tiefzentren
und Fronten, die um das Zentrum von Tief BOB gruppiert waren. Tiefdruckgebiet
BOB wurde weiterhin von dem Höhentief über Mitteleuropa gesteuert, verlagerte
sich mit der Höhenströmung um das Zentrum des Höhentiefs nach Nordwesten und
lag mit dem Zentrum anschließend über Dänemark. Die Fronten der Tiefdruckzentren
beeinflussten weite Teile Norddeutschlands, wobei der Schwerpunkt der
Niederschläge im Laufe des Tages von der Nordseeküste her südostwärts über
Deutschland zog und bis zum Abend in Schleswig-Holstein ergiebigen Regen
brachte. In Kiel wurden 12-stündig 25 l/m² und in Itzehoe 16 l/m² registriert.
Das Dauerregengebiet erreichte bis zur Nacht eine Linie Saarland-Harz-Lübeck.
Insbesondere über Schleswig-Holstein und Hamburg fiel in den folgenden 12
Stunden weiterer intensiver Regen mit bis zu 38 l/m² am Flughafen Hamburg-Fuhlsbüttel. Aber auch im Südosten Niedersachsens
wurden verbreitet mehr als 20 l/m² innerhalb von 12 Stunden registriert, z.B.
in Bad Salzuflen mit 24 l/m². Für die beiden 12-Stunden-Zeiträume zusammen meldete
Kiel mit 62 l/m² die höchste Niederschlagsmenge, gefolgt von Dörnick mit 52 l/m² und dem Flughafen Hamburg-Fuhlsbüttel
mit 47 l/m².
Am
22.05. lag das Zentrum von Tief BOB mit einem Kerndruck von knapp 1000 hPa über
Südskandinavien. Von dort ausgehend verlief eine kurze Warmfront bis über das
zentrale skandinavische Gebirge, eine Okklusionsfront über Stockholm zum Baltikum
und eine Mischfront aus Okklusion und Kaltfront über Mecklenburg-Vorpommern und
Baden-Württemberg bis über das zentrale Frankreich. Das Dauerregengebiet des
Vortages über Deutschland schwenkte von einer Nordost-Südwest-Richtung auf eine
Nord-Süd-Richtung und zog nach Polen und Tschechien. Dabei schwächte es sich
immer weiter ab, sodass nur von den Küstenbereichen zwischen Kiel und Rostock
über den Harz und den Thüringer Wald bis zum Bodensee Mengen von über 10 l/m²
innerhalb von 12 Stunden verzeichnet wurden. In Rostock-Warnemünde wurde mit 30
l/m² die höchste Menge gemessen, in Fassberg fielen 29 l/m² und in Bregenz 20
l/m². In der Nacht klarte es auf der Rückseite der Front auf und in der
eingeflossenen arktischen Meeresluft kühlte es sehr stark aus. Dabei gab es
verbreitet Bodenfrost, z.B. am Flughafen
Berlin-Schönefeld mit -1°C und in Gütersloh mit -4°C.
Am
23.05. konnte sich Tiefdruckgebiet BOB dank eines von Island heran gezogenen
neuen kräftigen Höhentiefs wieder regenerieren und erreichte mit etwa 994 hPa
seinen niedrigsten Kerndruck. Mit der Südostverlagerung des Höhentiefs blieb
das Bodentief BOB an diesem Tag über dem Skagerrak fast stationär. Dafür
konnten mit einer Warmfront, die sich bis hinaus auf das Europäische Nordmeer
erstreckte, und einer Kaltfront, die von Südschweden über Ostpolen und den
Alpen entlang bis zur Côte d'Azur verlief, wieder klare Frontenstrukturen
analysiert werden. Dabei waren im westlichen Bereich von Tief BOB weiterhin arktische Meeresluft und im
östlichen Bereich warme europäische Festlandsluft die bestimmenden Luftmassen. Die
Tageshöchstwerte stiegen im Osten Deutschlands bei bis zu 14 Sonnenstunden bis
auf Werte um 15°C, im Westen blieb es bei Regen und dichten Wolken verbreitet
bei Werten unter 10°C. Die höchste Niederschlagsmenge fiel südlich der Alpen in
Mailand mit 30 l/m² innerhalb von 24 Stunden. In Deutschland war der Südosten
von Niedersachsen am niederschlagsreichsten, z.B. wurden aus Braunschweig 23
l/m² und im Harz bis zu 16 l/m² gemessen. Auf dem Brocken sank die Temperatur
unter den Gefrierpunkt, sodass sich in der Nacht bis zum Morgen eine
Schneedecke von 13 cm bildete.
Am
24.05. verlagerte sich Tief BOB vom Skagerrak zur Westküste Großbritanniens.
Gleichzeitig schob sich die Meereskaltluft von Deutschland aus bis in den Süden
Schwedens und nach Polen. Die Niederschlagsintensität ließ dabei im Bereich von
Tief BOB deutlich nach und es blieb bei einstelligen Regenmengen, z.B. in
London mit 5 l/m² und in Paris mit 7 l/m². Über Großbritannien hielt der Zustrom
der arktischen Meeresluft aus dem Norden weiter an, sodass die
Höchsttemperaturen nur vereinzelt 15°C erreichten. In der Nacht kühlte es
verbreitet so stark aus, dass nicht nur Bodenfrost, sondern auch Luftfrost
gemessen wurde, z.B. an der schottischen Station Eskdalemuir
mit -1,9°C und an der walisischen Station Trawscoed
mit -1,5°C. Aber auch in Nürburg in der Eifel und in Idar-Oberstein wurden mit
je -1°C Minima unter dem Gefrierpunkt registriert.
Mit
der Südverlagerung des Tiefs BOB von der Nordsee über das zentrale Frankreich
setzte am 25.05. eine markante Abschwächung ein. Während der Kerndruck nur noch
bei 1012 hPa lag, war von dem ehemaligen Frontensystem von Tief BOB noch eine
Mischfront aus Okklusion und Kaltfront vorhanden, die über den Süden
Deutschlands, Kroatien, den Süden Italiens und entlang der algerischen
Mittelmeerküste bis nach Spanien verlief. Die intensivsten, meist konvektiv
ausgelösten, Niederschläge wurden aus Rijeka mit 24
l/m² und Zagreb mit 12 l/m² gemeldet. Im Laufe des Tages beschleunigte sich die
Abschwächung, sodass sich Tief BOB bis zur folgenden Nacht weitgehend aufgelöst
hatte und am nächsten Tag nach einer Lebensdauer von 11 Tagen nicht mehr auf
der Berliner Wetterkarte erschien.
Geschrieben von Matthias Treinzen
Berliner Wetterkarte: 24.05.2013
Pate: Jan-Henrik Schmelter