Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet BRITTA

(getauft am 06.01.2016)

 

Als Zyklogenese wird die Entwicklung eines Tiefdruckgebietes aus einer wellenförmigen Störung an einer Front bezeichnet. Solch ein Prozess vollzog sich am Vortag des 6. Januar 2016 über dem Nordatlantik an der Polarfront, der Grenze zwischen polaren und subtropischen Luftmassen. Das dadurch entstandene Tiefdruckgebiet wurde in der Analyse der Bodendruckkarte des nordatlantischen Raums von 01 Uhr MEZ von den Meteorologen der Berliner Wetterkarte auf den Namen BRITTA getauft.

Zu diesem Zeitpunkt befand sich der Tiefdruckkern BRITTA etwa 900 km südwestlich von Island über dem Nordatlantik und wies bereits einen Druck von unter 970 hPa auf. Die ursprüngliche Front hatte sich in ein typisches Frontensystem mit Okklusion, Warm- und Kaltfront gewandelt. Als Okklusion wird der Teil des Frontensystems bezeichnet, welcher sowohl Kalt- als auch Warmfrontcharakter besitzt und sich im Reifungsprozess der Zyklone vom Kern aus entwickelt, wenn die Kaltfront die Warmfront einholt und diese anhebt. Die Okklusion der Zyklone BRITTA verlief in der Höhe vom Kern Richtung Südosten bis zum Okklusionspunkt etwa    800 km westlich von Irland. Dort trennte sich das System in eine Warmfront, die in einem Bogen nach Süden in den Raum des dort liegenden Azorenhochs verlief und eine Kaltfront, die sich nach Südwesten zu weiteren kleinen Wellenstörungen über dem Nordatlantik erstreckte. In der Höhe, also etwas über 5 km über dem Boden, hatte sich über der Polarfront ein sogenannter Jetstream mit hohen Windgeschwindigkeiten ausgebildet. Durch diese starke Höhenströmung zog das Frontensystem im Verlauf des Tages zügig bis über die westeuropäischen Küsten Portugals, Spanien, Frankreichs und Großbritanniens. So fielen innerhalb von 6 Stunden bis zum Nachttermin um 01 Uhr MEZ des Folgetages entlang der Okklusion im Irischen Oak Park wie in Plymouth 13,0 mm und an der Warmfront in Lorient 23,0 mm und in Cabo Busto 19,2 mm Regen.

Bis zum Nachttermin um 01 Uhr MEZ des 7. Januars hatte sich ein neuer Tiefdruckkern BRITTA II an der Okklusion gebildet. Dieser lag zu diesem Zeitpunkt mit etwa 975 hPa Kerndruck über Irland. Der ursprüngliche Kern BRITTA I war beinahe stationär südwestlich von Island geblieben, hatte sich dort jedoch auf unter 955 hPa und damit auf Sturmtiefniveau verstärkt. Gleichzeitig hatte sich das Gebiet tiefen Luftdrucks BRITTA auch in der mittleren Troposphäre, ungefähr 5 km über dem Boden, weiter verstärkt. Dort war es Teil eines sogenannten Troges, angefüllt mit kalter Höhenluft über dem Nordatlantik. Auf der Südseite dieses Troges sorgte ein starker Luftdruckgradient für hohe Windgeschwindigkeiten in der Höhe, welcher im Verlaufe des Tages mildere Subtropikluft nach Mitteleuropa führte und damit einen kurzen winterlichen Abschnitt beendete. Diese milde Luftmasse erreichte Frankreich am frühen Morgen in Form einer Warmfront etwa entlang der Westküste. Der angrenzende Okklusionspunkt lag über der Südwestspitze Englands, von wo eine Kaltfront  in einem Bogen Richtung Südwesten über die Keltische See bis zu einem schwachen Tiefdruckkern bei den Azoren verlief. Das übrige Frontensystem war bereits okkludiert und zog sich vom Kern BRITTA I in einem Bogen zunächst nach Südwesten, dann nördlich um das Tief herum über Island bis zum Kern BRITTA II über Irland und anschließend zum Okklusionspunkt. Weiterhin wurde eine zweite, kurze Okklusion Richtung Osten von BRITTA I und eine zweite Warmfront gesteuert durch Tief BRITTA II über Schottland und die Niederlande analysiert. Entlang der Frontensysteme fielen die Niederschläge an diesem Tag für ganz Westeuropa sehr ergiebig aus. So verzeichneten die Stationen in Aberdeen, Weybourne, Rotterdamm und Salein in der Schweiz jeweils 28 mm, 26 mm, 17 mm und sogar 39,5 mm innerhalb von               12 Stunden bis zum Abendtermin um 19 Uhr MEZ. Der Niederschlag fiel dabei ausschließlich als Regen. Erst im Einflussbereich der bodennahen Kaltluft, welche sich an den vergangenen Tagen über Nordostdeutschland aufgebaut hatte, gingen die Niederschläge entlang der fortgeschrittenen Okklusion in Schnee über. Dieser erhöhte die Schneedecke beispielsweise in Strausberg bei Berlin auf 13 cm. Besonders in Küstenregionen und in den Gebirgen wurden unter Einfluss der starken Höhenströmung Sturmstärke erreicht, wie beispielsweise in Hoek van Holland mit 111 km/h um 18 Uhr MEZ oder auf dem Saentis mit 122 km/h zur gleichen Zeit.

In der Nacht zum 8. Januar begann sich das Tief BRITTA I abzuschwächen und lag um 01 Uhr MEZ mit etwa 965 hPa weiterhin südwestlich von Island. Der Kern des Wirbels BRITTA II hatte sich ebenfalls leicht auf 985 hPa abgeschwächt und befand sich über der Nordsee. Das Frontensystem der beiden Kerne der Zyklone BRITTA war zu diesem Zeitpunkt fast vollständig okkludiert und verlief vom Kern des Tiefs BRITTA I zunächst Richtung Westen und dann in einem Bogen nach Norden zur Südspitze Grönlands. Von dort zog sich die Okklusion, welche am Boden und in der Höhe ausgeprägt war, ostwärts über Schottland bis zum Kern BRITTA II. Anschließend führte sie nach Süden über Norditalien, wechselte über der französischen Mittelmeerküste ihren Charakter in den einer Kaltfront und ging beim Golf von Lion in die Warmfront eines Randtiefs über der Biskaya über. Eine zweite, kurze Okklusion wurde über Irland bis 800 km nach Südwesten reichend analysiert. Im Verlauf des Tages zog der Wirbel BRITTA II mit seinen Fronten über Nordostdeutschland bis zum Baltikum, während die angrenzende Okklusion fast stationär über der Nordsee, Schottland und dem Nordatlantik blieb. Der Niederschlag im Ostseeraum fiel in der Nacht größtenteils als Schnee und ging am Morgen zunehmend in Regen über. An der Station in Neuruppin wurden beispielsweise in 6 Stunden bis zum Morgentermin um 07 Uhr MEZ 6,9 mm gemessen. In St. Peter Ording waren es im selben Zeitraum 5,1 mm. Später brachte die Front in Warschau zwölfstündig bis 19 Uhr MEZ 3,0 mm und in Stockholm 5,0 mm. Im schottischen Wick, wo die Okklusion fast den ganzen Tag stationär blieb, fielen im selben Zeitraum 8,0 mm. Mit der eingeflossenen milderen Luft stiegen die Temperaturen in Mitteleuropa wieder deutlich an. Als Maximum wurden am 8. Januar in Berlin-Dahlem 5,7°C verzeichnet, wo es am Vortag noch bei einem Frosttag mit maximal -1,8°C blieb.

Am 9. Januar befand sich der Wirbel BRITTA I mit ungefähr 970 hPa Kerndruck etwa 100 km südlich der Vortagesposition über dem Nordatlantik. Das Tief BRITTA II lag mit nur noch relativ leichtem Tiefdruck von 1000 hPa über Nordostpolen. Dennoch führte von diesem Kern eine Warmfront in Richtung Südosten bis über die Ukraine. Richtung Westen über die Ostsee und Dänemark verlief eine Kaltfront, welche über der Nordsee in die vom Kern des Tiefs BRITTA I über Schottland und Island reichende Okklusion überging. Besonders in der ersten Tageshälfte kam es im Bereich des Kerns BRITTA II im Ostseeraum noch einmal zu größeren Niederschlagsmengen wie 8,0 mm Regen zwischen 7 und 13 Uhr UTC im Dänischen Isenvad. Im Bereich der weniger wetteraktiven Fronten wurden dagegen geringere Mengen, wie 12-stündig 2 mm im schottischen Wick und 1 mm in Minsk bis 19 Uhr MEZ gemessen. In der arktischen Luftmasse fielen die Niederschläge dort meist als Schnee.

Zum Morgen des 10. Januar hatte sich der Kern des Wirbels BRITTA II sowie die dazugehörigen Frontensysteme aufgelöst. Das Tief BRITTA I mit einem Kerndruck von etwas über 985 hPa wurde in die Zirkulation einer neuen Zyklone über Großbritannien aufgenommen. Ohne Fronten war das Tief BRITTA kaum noch wetterwirksam und mit dem Auflösen des Kerns bis zum Folgetag konnte der Wirbel BRITTA nach etwa 5 Tagen nicht mehr auf der Berliner Wetterkarte analysiert werden.

 


 

Geschrieben am 10.03.2016 von Jannick Fischer

Berliner Wetterkarte: 08.01.2016

Pate: Dr. Britta Linnemann