Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet BURGLIND

(getauft am 02.01.2018)

 

Entlang des ausgedehnten und sich wellenförmig deformierenden Frontensystems des Tiefs ALJA mit Kern südsüdöstlich von Grönland entwickelte sich im Laufe des Neujahrstages über dem Atlantik ein neuer Tiefdruckwirbel, der anhand der Analysekarte für 00 Uhr UTC des 02.01., also 01 Uhr MEZ, auf den Namen BURGLIND getauft wurde. Dieser Wirbel befand sich am Tag seiner Taufe mit einem Kerndruck von unter 1010 hPa über dem Atlantik, in etwa auf der Schnittlinie von Paris und Tasiilaq in Grönland, direkt südlich des Tiefs ALJA. Von seinem Kern gingen zu diesem Zeitpunkt sowohl eine Kaltfront in südwestlicher, als auch eine Warmfront in östlicher Richtung aus, welche sich im weiteren Verlauf mit dem Frontensystem des Tiefs ALJA verband. Einsetzende Hebungsprozesse im Bereich des Zentrums des Wirbels BURGLIND sowie entlang dessen Frontenausläufer ließen ein ausgeprägtes Niederschlagsfeld entstehen, welches sich mit dem Tief nach Osten verlagerte und bereits in den Nachmittagsstunden zunächst auf Irland traf und anschließend Großbritannien erreichte. In einem Zeitraum von 12 Stunden fielen bis 06 Uhr UTC des folgenden Morgens im irischen Claremorris 22 mm, im nordenglischen Shap 33,6 mm und im walisischen Capel Curig 40,0 mm. Der überwiegend westliche Wind hatte mit Annäherung des sich rasch zu einem Orkantief verstärkenden Wirbels über den Britischen Inseln zunehmend an Stärke gewonnen und erreichte ab etwa 18 Uhr UTC über Irland, bzw. ab circa 21 Uhr UTC über Großbritannien, an exponierten Lagen Orkanstärke. So maßen die Anemometer an der Station in Capel Curig Spitzenböen bis 127,9 km/h, am Flughafen von Connaught in Irland 154,9 km/h und am Great Dun Fell Böen von bis zu 161,2 km/h. Im Laufe des Abends und in der Nacht hatte sich das Niederschlags- und Sturmfeld auch auf Deutschland ausgeweitet, auch wenn deren Intensitäten zunächst etwas geringer ausgeprägt waren als über den Hoch- und Küstenlagen der Britischen Inseln. Die Station auf dem Brocken meldete bis 06 Uhr UTC eine zwölfstündige Niederschlagssumme von 13,4 mm, Helgoland 18,5 mm und Lüdenscheid
 22,0 mm. Erste Orkan- beziehungsweise orkanartige Böen wurden gegen 04 Uhr UTC auf dem Brocken und in Geilenkirchen mit je 115,3 km/h, in Aachen-Orsbach mit 122,5 km/h und auf dem Feldberg mit 140,5 km/h erreicht. Die Zugspitze meldete Böen bis 147,7 km/h.

Unterhalb einer starken westlichen Höhenströmung war das sich zu einem Orkan verstärkende Sturmtief BURGLIND in Richtung Großbritannien gezogen und lag mit einem auf unter 975 hPa gefallenen Kerndruck um 00 Uhr UTC des 03.01. unweit von Edinburgh. Teile der Warmfront waren von der ihr nacheilenden Kaltfront eingeholt worden, wodurch sich entlang dieser eine Okklusionsfront hat ausbilden können, die Eigenschaften beider Frontensysteme in sich vereint. Diese reichte vom Kern bis zu ihrem Okklusionspunkt, der Stelle an der Warm- und Kaltfront ineinander übergehen, vor der Küste der nordostenglischen Grafschaft Norfolk. Von dort zog sich die Warmfront weiter über Brüssel bis an die Pyrenäen und die Kaltfront über Le Havre und Nantes in westlicher Richtung auf den Atlantik hinaus, über dem sie sich mit der Warmfront des Tiefs CHRISTINE verband.

Deutschland war bereits in der Nacht in den Einflussbereich des Orkantiefs BURGLIND gelangt. Mit Annäherung der Warmfront waren im Laufe der Nacht die Temperaturen allmählich angestiegen. Wurden um 18 Uhr des Vortages in Trier 5,1°C und in Werl 5,8 °C gemessen, stieg die Temperatur um 06 Uhr UTC in Werl auf milde 10°C und in Trier auf 11,3°C. Nach dem Durchzug der auf die Warmfront rasch folgenden Kaltfront gingen die Temperaturen jedoch bereits am Vormittag wieder deutlich zurück, sodass um 12 Uhr UTC aus Trier nur noch 7,7°C und aus Werl 6,3°C gemeldet wurden. Mit Annäherung des Wirbels BURGLIND nahmen auch über Deutschland die Windgeschwindigkeiten weiter zu, beispielsweise wurden auf dem Fichtelberg Orkanböen von 118,9 km/h, in Freudenstadt von 136,9 km/h und auf dem Brocken von 185,5 km/h registriert. Die höchsten Windgeschwindigkeiten wurden allerdings in den frühen Vormittagsstunden über dem Schwarzwald gemessen. Hier erreichte der südwestliche Wind gegen 09 Uhr UTC eine mittlere Windgeschwindigkeit von 136,9 km/h, der von Spitzenböen von bis zu 216,6 km/h begleitet wurde. Regen- und Schneeschauer brachten hier zudem in nur 6 Stunden bis 12 Uhr UTC 20,0 mm Niederschlag mit sich. Zum Vergleich: In Berlin-Dahlem fielen durch teils schauerartig verstärkten Regen innerhalb von 24 Stunden bis 06 Uhr UTC des Folgetages 15,1 mm, in Bremen 20,2 mm, und in Marnitz 27,3 mm. Auf dem Brocken führten die Niederschläge, die hier als teils stark ausgeprägte Schneeschauer fielen, Niederschlagsmengen von 48,0 mm mit sich. Vergleichbar hoch fielen die Niederschläge und Windstärken auch über dem Alpenraum aus, über dem sich im Tagesverlauf ein zweiter, dem Orkantief BURGLIND zugehöriger Kern ausbildete. Dieses neue, eigenständige Zentrum verlagerte sich im weiteren Tagesverlauf von der Schweiz über Österreich in Richtung Adria. In der Schweiz meldeten eine Vielzahl der Stationen Orkanböen, beispielsweise die Bergstation auf dem Säntis mit 172,3 km/h, die Station auf dem Pilatus mit 194,6 km/h und an der ehemaligen Festung am Gütsch mit bis zu 200,1 km/h. Im Gegensatz zu Deutschland wurde hier auch in den tieferen Lagen verbreitet Orkan mit Windgeschwindigkeiten über 118 km/h gemessen. Langnau im Emmental meldete Böen bis 122,3, Zürich bis 126,0 und Schaffhausen bis 131,6 km/h. Die Niederschläge waren lokal äußerst ergiebig ausgeprägt. Bis 06 Uhr UTC fielen binnen 24 Stunden am Grimsel-Hospiz, einem Berghotel, 51,6 mm, auf dem Säntis 58,4 mm und in Les Marecottes 62,8 mm. In Österreich wurden die höchsten Niederschlagsmengen in Ried im Innkreis mit 28,0 mm, bei Warth mit 41,7 mm und an der Rudolfshütte mit bis 60,2 mm in registriert. Das Windfeld war im Vergleich zur Schweiz schwächer ausgeprägt, dennoch wurden an einigen exponierten Lagen Orkanböen gemessen. So beispielsweise auf der Loferer Alm mit Spitzenböen von 126,1 km/h, am Brunnenkogel 136,9 km/h und auf dem Galzig mit 154,9 km/h.

Im Laufe des 03.01. hatte sich der Orkanwirbel BURGLIND in zwei eigenständige Kerne geteilt. Während sich der zweite, südlichere Kern zum 04.01. in Richtung der südlichen Adria verlagerte hatte, war der ursprüngliche nördlichere Kern vom Nordseeraum nach Dänemark gezogen. Südöstlich des ersten Kerns ausgehend, der gegen 00 Uhr UTC mit einem Druck von unter 985 hPa über Kopenhagen lag, zog sich eine weitreichende Okklusionsfront in einem Bogen über Danzig, Hamburg und Bergen um den Kern nach Helsinki und weiter über Minsk bis nach Bukarest. Vom zweiten Kern, der mit etwa 1005 hPa unweit von Gallipoli lag, erstreckte sich zum einen eine Warmfront nach Süden auf das Mittelmeer hinaus, zum anderen eine Kaltfront über Tunis und Barcelona bis nach Andorra, wo sie in das Frontensystem des Atlantiktiefs CHRISTINE überging, sowie eine nördlich des Kerns ausgehende Okklusionsfront, die einen engen Bogen über Termoli bis nach Neapel beschrieb.

Der erste, nördlichere Kern begann sich im Tagesverlauf aufzufüllen und verlor somit auf seiner Zugbahn gen Nordosten allmählich an Intensität. Sein Niederschlagsfeld verlagerte sich von Polen in den Zentralen Ostseeraum. Anhaltender, teils schauerartiger Regen führte innerhalb von 24 Stunden in Riga 4 mm, im estnischen Nationalpark Vilsandi 7,2 mm und im schwedischen Karlsborg 12,2 mm mit sich. Auch der Wind hatte verbreitet stark nachgelassen und erreichte mit Spitzenböen zwischen 32 km/h und 40 km/h sowie an etwas exponierteren Lagen auch bis 54 km/h über dem Baltikum noch Stärke 6, vereinzelt 7. Einzelne orkanartige Böen wurden lediglich noch von der Schneekoppe gemeldet, der westliche Wind erreichte hier gegen 12 Uhr UTC mit 108,1 km/h Stärke 11 auf der Beaufortskala. Für Deutschland wurde nach Abzug des Sturmwirbels BURGLIND das ihm nachfolgende Tief CHRISTINE wetterbestimmend. Der zweite, südlichere Kern des Tiefdrucksystems BURGLIND hingegen gewann, nachdem er sich zwischenzeitlich etwas abgeschwächt hatte, über der Adria an Stärke und brachte dem östlichen Mittelmeerraum ergiebige Niederschläge. Binnen 24 Stunden registrierten die Messstationen in Griechenland bis 06 Uhr UTC des 05.01. in Athen 13,2 mm, am Flughafen von Samos 27,0 mm und bei Chios bis zu 33,6 mm. Der östliche Mittelmeerraum war zunächst noch durch ein sich auflösendes, unbenanntes Tief beeinflusst, welches jedoch gegen 18 Uhr UTC in die Zirkulation des sich von Griechenland nähernden Tiefs BURGLIND aufgenommen wurde. Im türkischen Adana fielen so in 24 Stunden 49 mm, bei Antalya 44,5 mm und auf Zypern, in Erenköy 27,0 mm durch teils gewittrige Schauer. Wiederholte und anhaltende Gewitter brachten im syrischen Lattakia gar bis zu 77,4 mm mit sich. Orkanartige Böen wurden hingegen auch im Bereich des zweiten Kerns nur noch selten gemeldet. Über Griechenland erreichte der Wind mit Spitzen zwischen 42 und 59 km/h zumeist die Stärken 6 und 7 und nur lokal, wie im zyprischen Akrotiri mit Böen von 70,4 km/h oder im griechischen Skyros mit bis zu 77,8 km/h Sturmstärke. Am Flughafen von Sauda in Griechenland wurden mit Spitzenböen von bis zu 107,5 km/h vereinzelt orkanartige Böen erreicht.

Zum 05.01. hatte sich das erste, nördlichere Zentrum des über Mitteleuropa rasch an Intensität verlierenden Orkantiefs BURGLIND von Dänemark in Richtung der Zentralen Ostsee verlagert und lag um 00 Uhr UTC unweit von Stockholm. Sein Kerndruck war bei etwa 985 hPa verblieben. Vom Zentrum erstreckte sich eine Warmfront über Finnland in nordöstlicher Richtung bis nach Umba in Nordrussland, auf der Kola Halbinsel gelegen. Der zweite, südliche Kern hingegen war von der südlichen Adria über Griechenland bis nach Zypern gezogen, und lag mit einem auf unter 1000 hPa gefallenen Druck über Limassol. Eine westlich des Kerns ausgehende Okklusionsfront beschrieb zunächst einen engen Bogen um den Kern nach Osten und weiter über Dschabala in Syrien und Tel Aviv bis nach Kairo, ab dort den Charakter einer Kaltfront annehmend weiter über Bengasi bis östlich von Malta. Das Niederschlagsfeld des Mittelmeerkerns hatte in der Nacht, nachdem es zuvor ein ebenfalls regenreiches, unbenanntes Tief in seine Zirkulation aufgenommen hatte, neben Syrien auch Israel erreicht und führte im Laufe des 05.01. in der südöstlichen Mittelmeerregion zu weiteren äußerst ergiebigen Regenmengen. Waren tags zuvor im galiläischen Safed bereits 67,8 mm gefallen, brachten die anhaltenden, teils gewittrigen Niederschläge innerhalb von nur 12 Stunden nochmals 56,4 mm mit sich. Die Messstation im Zentrum von Jerusalem registrierte im selben Zeitraum 41,0 mm, die sich bis 06 Uhr UTC auf eine vierundzwanzigstündige Niederschlagsmenge von 61,7 mm summierte. In Safed betrug diese 57,0 mm, in Amman, Jordanien, wurden bis zu 32,2 mm gemessen. Während sich der südliche Kern im Tagesverlauf von Zypern weiter nach Osten verlagerte und somit den von der Berliner Wetterkarte erfassten Analysebereich verließ, schwächte sich der einst für Mitteleuropa wetterbestimmende nördliche Kern des einstigen Orkantiefs BURGLIND rasch ab. Dessen Reste gingen bereits in den Morgenstunden des 05.01. in die Zirkulation des ihm von Westen nachfolgenden Tiefs CHRISTINE über, sodass auch der nördliche Teil des Tiefdrucksystems BURGLIND am 06.01. nicht mehr auf der Berliner Wetterkarte als eigenständiger Wirbel analysiert und somit auch nicht mehr auf jener namentlich verzeichnet werden konnte.