Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet CARLETTO

(getauft am 03.11.2019)

 

Über dem Osten Kanadas bildete sich Anfang November 2019 ein Tiefdruckgebiet aus, das sich mit seinen Fronten auf den Weg nach Europa machte. Anhand der Prognosekarte für den 04.11.19 um 13 Uhr MEZ wurde diese Zyklone auf den Namen CARLETTO getauft.

Um 01 Uhr MEZ dieses Tages lag das Zentrum über dem Nordosten Neufundlands, von wo aus sich die Okklusion (Mischfront aus Warm- und Kaltfront) über dem Osten der Insel erstreckte. Im Kern herrschte ein Luftdruck von rund 1003 hPa. Vom Okklusionspunkt 300 km östlich von Neufundland verliefen die Warm- und Kaltfront über dem nordwestlichen Atlantik. An die Kaltfront schloss sich bei den Bermudainseln eine Warmfront an.

Mit dem Weiterzug nach Nordosten verstärkte sich das Tief CARLETTO bis zum Folgetag. Zwischen dem Druck im Zentrum von knapp 990 hPa an der Südspitze Grönlands und dem Hochdruckgebiet über dem Nordosten der Insel, entstanden starke Windböen über dem Süden Grönlands mit bis zu 120 km/h. Die Okklusion verlief östlich des Zentrums entlang der Südspitze Grönlands um anschließend einen Bogen auf den Nordatlantik zu machen. Ausgehend vom Okklusionspunkt erstreckten sich die Warm- und Kaltfront über dem Nordatlantik, wobei die Kaltfront in die kurze Warmfront einer kleinen Wellenstörung überging. Im Einflussbereich der Mischfront kamen beispielsweise in Tasiilaq in 24 Stunden bis 07 Uhr MEZ 2,8 l/ m² in Form von Regen und Schnee zusammen. Dabei stieg die Temperatur auf 1,4°C. Weiter südlich am Meer in Narsarsuaq waren es maximal 7,3°C.

Bis zum nächsten Tag verlagerte sich das Tiefdruckgebiet CARLETTO nur ein wenig in Richtung Osten. Ausgehend vom Zentrum mit einem Druck von etwa 998 hPa 200 km südöstlich von Grönland erstreckte sich die Mischfront in einem Bogen über den nordöstlichen Atlantik. Vom Okklusionspunkt rund 500 km südwestlich von Irland ausgehend lagen die Warm- und Kaltfront nordwestlich der Azoren über dem Atlantik. Weiterhin schloss sich an der Kaltfront eine Warmfront an.

Die Okklusion bildete bis zum darauffolgenden Tag mehrere Wellen aus, wodurch insgesamt vier Teiltiefdruckgebietes entlang selbiger entstanden. CARLETTO I und II erstreckte sich über dem Nordatlantik südwestlich von Island mit einem jeweiligen Kerndruck von rund 1008 hPa bzw. knapp 1005 hPa. CARLETTO III befand sich über dem Westen Irlands und CARLETTO IV über dem Südwesten Englands mit jeweils etwa 995 hPa. Diese wurden durch eine Okklusion miteinander verbunden. Weiter verlief die Mischfront in einem Bogen über dem Westen Frankreichs und der westlichen Biskaya bis zum Baskenland. Entlang dieser Okklusion hatte sich die Kaltluft komplett unter eine wärmere Luftmasse geschoben. Die höchsten 12-stündigen Regenmengen bis 07 Uhr MEZ wurden in Santander und San Sebastián mit je 28 l/m² sowie in La Rochelle mit 22 l/m² gemessen. Die Warmfront verlief vom Okklusionspunkt südwestwärts über den Westen Spaniens bis über den Atlantik zwischen Portugal und Marokko. Die Kaltfront erstreckte sich in einem großen Bogen quer über Portugal bis zu den Azoren, wo sich eine Warmfront anschloss. Schauerartiger Regen reichte in der genannten Zeit für 12 l/m² in Coimbra und 8 l/m² in Porto. Ein Temperaturrückgang vollzog sich dabei an der Kaltfront. In maritimer Subtropikluft wurden noch 22,5°C in Alicante oder 22,7°C in Murcia erreicht. Hinter der Kaltfront war es weniger warm mit beispielsweise 17,1°C im portugiesischen Évora und 15,5°C in Porto. Vor allem an der französischen Atlantikküste fegten zusätzlich schwere Sturmböen durch die Landschaft. Grund dafür war der Druckausgleich zwischen dem Hoch nördlich der Azoren und dem Tiefdruckkomplex CARLETTO.

Bis zum 08.11.19 um 01 Uhr MEZ begannen sich die einzelnen Teiltiefs CARLETTO I, II und III einzudrehen. Das Zentrum vom Tief CARLETTO I lag über der Bretagne und das von CARLETTO II über der Nordsee mit jeweils einen Kerndruck von etwa 998 hPa. Der Kern der Zyklone CARLETTO III befand sich an der Côte d’Azur, wo ein Druck von rund 1002 hPa herrschte. Alle Zentren waren verschlungen mit Fronten verbunden, worunter sich Okklusionen, Warm- und Kaltfrontokklusionen sowie Warmfronten befanden. Die Fronten lagen über der Biskaya, Westfrankreich, Wales, England, der Nordsee, dem Nordosten Deutschlands, Bayern und dem Alpenraum. An der Warmfront des Tiefdruckgebietes CARLETTO II schloss sich bei der Insel Rügen die Kaltfront des Tiefs ARNE an. Vom Kern der Teilzyklone CARLETTO III verlief eine Kaltfront in einem großen Bogen über das westliche Mittelmeer und das Atlasgebirge bis über den Ostatlantik bei Madeira. Vor allem entlang der Kaltfront mit den Hebungsvorgängen, wo sich Kaltluft unter Warmluft schob, traten durch lokale Gewitterschauer große Unterschiede auf. Zum Beispiel betrug die 6-stündige Regenmenge bis 01 Uhr MEZ 32 l/m² in Genua. Nur ein wenig in Richtung Nordwesten in Turin waren es in der gleichen Zeitspanne 0,2 l/m². Entlang der übrigen Fronten regnete es in 12 Stunden bis 07 Uhr MEZ 34 l/m² in Dax, 26,2 l/m² an der spanischen Station Vimianzo-Castrelo und 20 l/m² bei Stoke-on-Trent. Eine Abkühlung ging mit der Passage der Kaltfront einher. In Cagliari betrug die Maximaltemperatur 19,8°C und hinter der Kaltfront waren es in Ajaccio 13,4°C. Mit der eingeflossenen Polarluft wurden auf der Iberischen Halbinsel 13,9°C in Saragossa oder 9,8°C in Ponferrada gemessen. Im übrigen Einzugsgebiet des Tiefdruckkomplexes CARLETTO gab es ähnliche Höchstwerte mit 9,1°C in London, 9,7°C in Leipzig und 10,1°C in List auf Sylt. Am Ort der geringsten Distanz zum Azorenhoch, also der Biskaya, gab es die stärksten Windböen. Dabei wurden vereinzelt Böen der Stärke 9 an Spaniens Nordküste gemessen.

Östlich des Azorenhochs bildete sich die Antizyklone PALOMA, wodurch sich die Teilzyklone CARLETTO I auflöste. Insgesamt verlagerten sich die Tiefdruckgebiete CARLETTO II und III bis zum nächsten Tag, dem 09.11., ein wenig nach Osten. Deren Okklusionen, Warmfrontokklusion und Warmfronten verliefen derweil vom Süden Finnlands und Schwedens südwestwärts bis zur Biskaya sowie über dem östlichen Alpenraum und Norditalien. An die Okklusion des Wirbels CARLETTO III schloss sich eine Mischfront eines anderen Tiefdruckgebietes an. Die Kaltfront erstreckte sich von der nördlichen Adria über Mittelitalien und dem Westen Siziliens bis über den Norden Afrikas. Der jeweilige  Kerndruck betrugen knapp 1005 hPa über der Nordsee bei CARLETTO II und in der Nähe von Triest bei CARLETTO III. An der verbindenden Front bildete sich eine Welle aus, die auf den Namen CARLETTO IV getauft wurde. Das Zentrum lag über dem Südwesten Polens mit einem Druck von ebenfalls ungefähr 1005 hPa. Erhebliche Regenmengen entstanden dabei im Bereich der nördlichen Adria. Innerhalb von 12 Stunden fielen bis 07 Uhr MEZ 39 l/m² in Zagreb, 31,4 l/m² in Kredarica und 43 l/m² in Karlovac. In den deutschen Mittelgebirgen und im Süden Finnlands regnete es in der selben Zeit 12,9 l/m² in Tann/Rhön und 12 l/m² in Niinisalo. In Neapel fielen 12 l/m² an der Kaltfront, die zudem kühlere Luft brachte. Während in Messina die Temperatur noch auf 20,0°C stieg, erreichte sie in Rom nur noch 15,0°C.

Während das Tiefdruckgebiet CARLETTO II mit seiner Okklusion über Friesland und der Nordsee, wo sich auch das Zentrum befand, bis zum nächsten Tag mit einem konstanten Kerndruck fast stationär blieb. Die Verbindung zum Teiltief CARLETTO IV wurde unterbrochen und dieses zog dann nordostwärts bis nach Öland. Vom dortigen Kern mit einem Druck von rund 1004 hPa verlief die Warmfront, der Bereich, wo warme Luft langsam über Kaltluft aufsteigt, sichelförmig über der Ostsee und entlang Finnlands Südküste bis nach Russland, 400 km nördlich von Moskau. Die Kaltfront erstreckte sich von der Ostsee und dem Kurischen Haff in südlicher Richtung bis nach Ungarn, wo sie in die Warmfront des ehemaligen Tiefdruckgebietes CARLETTO III überging. Eine geringe Menge an Niederschlag fiel dabei an der Nordseeküste mit 12-stündigen Regenmengen bis 07 Uhr MEZ von 4,7 l/m² auf Borkum und 5,0 l/m² in De Kooy nördlich von Alkmaar und in Form von Regen und Schnee mit bis zu 7 l/m² im finnischen Espoo. Entlang der Kaltfront regnete es am meisten mit 10 l/m² in Stropkov in der Slowakei oder 8 l/m² am ungarischen Fernsehturm Kékestető. Mit Subtropikluft, die sich auf dem Weg nach Norden abkühlte, wurden 12,6°C in Minsk oder 16,1°C im ukrainischen Sarny erreicht. Hinter der Kaltfront waren es zum Beispiel 8,4°C in Warschau.

Bis zum 11.11.19 um 01 Uhr MEZ hatte sich die Okklusion des Tiefdruckgebietes CARLETTO II mit der Abschwächung aufgelöst. Im Bereich des Zentrums über der Nordsee bei Dänemark wurde ein Druck von circa 1007 hPa registriert. Ganz im Süden Norwegens fielen dabei im genannten Zeitraum bis zu 14 l/m² in Landvik und 12 l/m² in Konsmo-Høyland bei maximal 6,0°C in Silstrup und 5,0°C in Stavanger. Das Tiefdruckgebiet CARLETTO IV zog dagegen weiter nach Nordosten und lag mit dem Zentrum über dem Süden Finnlands mit einem Druck von etwa 1008 hPa. Die Okklusion verlief dabei über Südfinnland. Der Okklusionspunkt befand sich unweit der südlichen Küste des Weißen Meeres. Von dort verlief die Warmfront über dem Norden Russlands und überquerte in südöstlicher Richtung bei Perm das Ural-Gebirge. Die kurze Kaltfront erstreckte sich in einem engen Bogen vom Okklusionspunkt bis in den Bereich zwischen St. Petersburg und Moskau. An diesem Ort schloss sich eine Warmfront eines anderen Tiefdruckgebietes an. An der Warmfront schneite es ausgiebig in Archangelsk mit 8 l/m² in den vorangegangenen 24 Stunden bis 07 Uhr MEZ oder halb so viel in Perm in Form von Regen und Schneeregen. In der Hälfte der Zeit waren es an den anderen Fronten 7 l/m² in Kuopio oder sogar 10 l/m² in Raznavolok bei Belomorsk. Dabei herrschte im Norden Russlands in Perm und Archangelsk Dauerfrost mit maximal -1,5°C bzw. -1,0°C. Im Warmsektor hinter der Warmfront waren es hingegen 8,9°C in Moskau und 9,5°C in Borowitschi.

Am nächsten Tag hatte sich das Tief CARLETTO II zwischen dem Tief ELVIS II und dem Hoch PALOMA aufgelöst und das andere Teiltief CARLETTO IV war teilweise nur noch in hohen Luftschichten ausgebildet und nicht mehr als benanntes Tief auf der Berliner Wetterkarte vermerkt.