Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet CARLO

(getauft am 14.05.2015)

 

Mitte der zweiten Maidekade befand sich etwas südöstlich von Grönland ein Wirbel, dessen Okklusion, also einer Mischfront aus Warm- und Kaltfront, nach Süden reichte. Am Okklusionspunkt, an welchem Warm- und Kaltfront aufeinander treffen und es oft zur Bildung von Tiefdruckgebieten kommt, entwickelte sich im Laufe des 13.05.2015 ein Tiefdruckgebiet über dem östlichen Nordatlantik, welches am 14.05. auf den Namen CARLO getauft wurde.

An seinem Tauftag hatte das Tief CARLO um 00 Uhr UTC, d.h. 02 Uhr MESZ, die Küstenregion Südirlands erreicht und wies einen Kerndruck von etwas unter 1000 hPa auf. Das ihm zugehörige Frontensystem bestand aus einer Okklusionsfront, die sich vom Kern aus in einem Bogen von einem nordwestlichen in einen nördlichen Verlauf änderte und sich mit der Okklusionsfront eines ungetauften Tiefs zwischen Island und Grönland verband. Außerdem verlief eine weitere Okklusion nach Südosten, wo sie westlich von Cornwall ihren Okklusionspunkt fand. Vom Okklusionspunkt aus erstreckte sich die Warmfront in ostsüdöstlicher Richtung über Paris und verband sich westlich der Alpen mit der Kaltfront eines unbenannten Tiefs. Die weitreichende Kaltfront hingegen führte südwestwärts und fand über dem zentralen Nordatlantik Anschluss an die Warmfront eines nachfolgenden Tiefs. In Paris brachte die Überquerung des Wirbels CARLO in 24 Stunden bis 06 Uhr UTC des Folgetages 8,4 l/m² Regen, auf Thorney Island im Süden Englands wurden sogar 27,2 l/m² gemessen. Neben diesen zum Teil starken Niederschlägen wurden auch hohe Windgeschwindigkeiten registriert. So wurde auf der zur Bretagne gehörigen Insel Belle-Ile eine Böe der Stärke 10 auf der Beaufortskala, und somit eine schwere Sturmböe, gemessen.

Sich mit der Höhenströmung rasch verlagernd hatte das Tiefdruckgebiet CARLO bis zu den ersten Tagesstunden des 15.05. den Norden Italiens erreicht. Dabei hatte sich der Kerndruck leicht abgeschwächt und betrug nur noch knapp unter 1010 hPa. Das ihm zugehörige Frontensystem nahm eine ungewöhnliche Struktur an. So wies es nicht den klassischen Okklusionspunkt mit sich abspaltender Warm- und Kaltfront auf, sondern zwei Gabelungspunkte entlang der Okklusion. Dabei verlief die Okklusion einen Bogen beschreibend um den bei Modena liegenden Kern, reichte dann über Korsika, entlang der Biskaya-Küste Frankreichs und folgend über die Bretagne, Cornwall sowie Irland bis nahe Reykjavik. Über Ravenna spaltete sich in östlicher Richtung die Warmfront ab und ging bei Thessaloniki in die Kaltfront eines Namenlosen Tiefs über Osteuropa über. Über Grosseto ging die zum Wirbel CARLO gehörige Kaltfront aus, erstreckte sich über Sardinien und Marokko bis südlich von Madeira. Das zugehörige Niederschlagsfeld konzentrierte sich auf die Alpenregion, wobei in Aix-les-Bains 24-stündig bis 06 Uhr UTC des Folgetages 24,4 l/m² fielen. Höhere Werte konnten im selben Zeitraum aufgrund von eingelagerten Gewittern, die in den Morgenstunden einsetzten und bis zum Abend anhielten, im schweizerischen Lugano mit 96,6 l/m² und in Mailand mit 106,6 l/m² registriert werden.

Im Laufe des Tages verlagerte sich die Zyklone CARLO retrograd westwärts und befand sich mit ihrem Kern am 16.05. über dem Mittelmeer zwischen Saint-Tropez und Korsika. Der Kerndruck schwächte sich weiter ab und betrug nun etwas unter 1015 hPa. Zudem hatten sich zwei weitere Kerne mit einem Druck von jeweils rund 1010 hPa ausgebildet. Einer befand sich über der nördlichen Adria und einer über dem südlichen Grenzgebiet von Algerien und Tunesien. Von Toulon reichte eine Okklusion über Norditalien bis zum Kern über der Adria und weiter bis zum Okklusionspunkt an der östlichen Adriaküste beim kroatischen Pag. Von dort reichte die Warmfront ostwärts bis zum Schwarzen Meer und ging in die Kaltfront des weiterhin ungetauften Tiefs über Osteuropa über. Die Kaltfront erstreckte sich in einem Bogen südlich an Sizilien vorbei über Malta und Tunesien bis nach Algerien. Mit dem Durchzug der Kaltfront flossen feuchte Luftmassen subpolaren Ursprungs ein, wodurch in Westeuropa eine Abkühlung einsetzte. Dabei verringerte sich in Valencia die Tageshöchsttemperatur von 42,6°C am 14.05. auf deutlich niedrigere 27,7°C. Selbst auf Korsika sank trotz der ausgleichenden Wirkung des Mittelmeeres die Temperatur in Calvi von 29,6°C auf 22,7°C oder in Marseille von 27,6°C auf 24,5°C. Während sich das Wetter in Norditalien vorallem in Mailand stark beruhigte, in 24 Stunden wurden nur ein paar vereinzelte Tropfen beobachtet, fielen dem gegenüber im sizilianischen Palermo 20 l/m² in 12 Stunden bis 06 Uhr UTC des Folgetages. In Tunesien und Algerien setzte die zuvor schon in Westeuropa beobachtete extreme Abkühlung ein. So sank bei einsetzenden Gewittern die Tageshöchsttemperatur in Bizerte von 35,4°C am Vortag auf nun 20,7°C und im algerischen Souk Ahras von 32,0°C auf 15,0°C bei einer Gesamtniederschlagsmenge von 48,0 l/m² und dies trotz 9,8 Sonnenstunden.

Im Laufe des Tages entwickelte sich das Tief CARLO drastisch zurück und bestand am 17.05. nur noch aus dem südlichsten der drei Kerne des Vortages, während sich die zwei nördlicheren Zentren aufgelöst hatten. Das Tief CARLO, welches sich also nun vor der libyschen Küste befand, wies einen Kerndruck von etwas unter 1010 hPa auf. Das Frontensystem des Wirbels bestand nunmehr aus einer westlich des Kernes entlanglaufenden Kaltfront, die von der Tyrrhenischen See über Sizilien bis an die Küste Libyens bei Misrata reichte. Diese brachte Süditalien weiterhin teilweise starke Schauer in den Morgenstunden, so fiel in Pantelleria zwischen 07 und 09 Uhr UTC 36 l/m² und im sizilianischen Gela in 12 Stunden bis 06 Uhr UTC des Folgetages 35 l/m².

Sich weiterhin abschwächend, der Kerndruck war bis zum 18.05. auf nunmehr 1015 hPa gestiegen, verlagerte sich der Kern nordwestwärts bis nach Palermo. Vom Kern ausgehend verlief in östlicher Richtung eine kurze Okklusionsfront, die bis über die Ionische See reichte, wo sie sich in Warm- und Kaltfront aufspaltete. Während die Warmfront über der ägyptischen Küste bei Sidi Barrani endete, führte die Kaltfront an Bengasi vorbei über Libyen und verließ den Analysebereich der Berliner Wetterkarte über der Sahara. Im Einflussbereich stieg nun auch wieder die Tageshöchsttemperatur in Tripolis von 27,5°C auf 35,5°C an. Gegen 18 Uhr UTC setzten nochmals Gewitter bei Gioia del Colle südlich von Bari ein, die bis in die Morgenstunden des Folgetages anhielten und aufsummiert in 12 Stunden 17 l/m² an Regen brachten.

Der 19.05. war der letzte Tag, an dem das Tief CARLO auf der Berliner Wetterkarte verzeichnet wurde. Sein gesamtes Frontensystem hatte sich aufgelöst, und es verlor seine Wetterwirksamkeit fast vollständig, sodass es an den folgenden Tagen nicht mehr eigenständig aufgeführt wurde.


Geschrieben am 18.09.2015 von Patrick Ilmer

Wetterkarte : 15.05.2015

Pate: Karl Heinz Hack