Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet CARMEN

(getauft am 09.11.2010)

 

Am Morgen des 9. Novembers 2010 lag ein noch schwach ausgeprägtes Tiefdruckgebiet über dem Atlantik, östlich von Boston im Nordosten der USA. Dieser Wirbel erhielt den Namen CARMEN und wies am Dienstag um 00 Uhr UTC einen Kerndruck von knapp unter 1000hPa auf. Zu diesem Zeitpunkt besaß CARMEN noch einen großen Warmsektor, was auf ein gutes Entwicklungspotential für die folgenden Tage schließen ließ.

Das Tief näherte sich unter weiterer Verstärkung schnell dem Europäischen Festland und befand sich am Morgen des 10. Novembers bereits im Seegebiet südlich von Grönland. Laut Vorhersage wurde schon an diesem Tag damit gerechnet, dass CARMEN für das mitteleuropäische Wettergeschehen einiges bereit halten sollte wie beispielsweise viel Regen und heftigen Wind.

Auf seinem Weg Richtung Großbritannien war das Tiefdruckgebiet einer massiven Zyklogenese unterworfen, so dass es sich bis Donnerstagmorgen 00 Uhr UTC zu einem Orkantief mit einem Kerndruck von etwas unterhalb von 955hPa verstärkte. Damit einher ging an der Südflanke des Tiefzentrums die Entwicklung eines Sturmfeldes, welches im Lauf des Donnerstagvormittags auf Großbritannien übergriff. Dort führte der starke Luftdruckgradient an einigen Stationen zu orkanartigen Böen, also Windböen um 110km/h, und maximal zu 147km/h an der Station Capel Curig in Nordwales. CARMENS Warm- und Kaltfront sorgten auch für Niederschläge, wie zum Beispiel in Stornoway und Nordwestschottland mit 13mm und 10mm in Plymouth, Südwestengland binnen 24 Stunden.

In der Nacht zu Freitag griff nun das Orkantief CARMEN auch auf Mitteleuropa über. Zu diesem Zeitpunkt hatte es zwar seinen Höhepunkt der Entwicklung (mit 949hPa) schon überschritten, büßte jedoch dadurch kaum etwas an Kraft ein. So wurden, vornehmlich im Küstenbereich, aber auch vereinzelt im Binnenland, Windböen der Stärke 10 bis 11 auf der Beaufort-Skala erreicht wie beispielsweise auf Helgoland und am Kap Arkona auf Rügen. Im Verlauf des Freitagvormittags zog das nahezu okkludierte Frontensystem über Deutschland hinweg nach Osten, brachte dabei jedoch auf Grund der hohen Verlagerungsgeschwindigkeit verbreitet nur Niederschlagssummen unter 10mm, über 24 Stunden akkumuliert. Im Stau der Mittelgebirge kam auch etwas mehr Niederschlag zusammen wie in Freudenstadt im Schwarzwald mit 25mm. Auf dem Brocken fielen sogar 6cm Schnee.

Nach Durchzug der Front war die Luftmassengrenze zu den Alpen hin abgedrängt worden und trennte wärmere Luft südlich der Front von kälterer Luft nördlich davon. Dieser Zustand hielt sich jedoch nicht lange, da im Lauf des Freitags an ihr eine nach Norden gerichtete Wellenbildung in Gang geriet, die verantwortlich für den Zustrom feucht-milder subtropischer Meeresluft nach Deutschland war. Somit stand einigen Teilen Deutschlands ein recht mildes Novemberwochenende bevor, was aber wiederum auch mit länger anhaltenden und ergiebigen Regenfällen einher ging.

Dieses Wellentief, angegliedert an CARMENS Frontensystem, bescherte am Samstag dem Süden Deutschlands bei mehreren Stunden Sonnenschein zumeist Temperaturen über 15°C und besonders dem Oberrheingraben fast 20°C. Nördlich davon schloss sich jedoch ein breiter Streifen mit dichten Wolken an, aus dem heraus es kräftig regnete. Bereits in der Nacht zu Samstag und am Samstag selber meldeten einige Stationen immer wieder Starkregen, was dann auch in hohen Niederschlagssummen resultierte wie zum Beispiel mit 70mm in Braunlage, im Westharz. Der Schnee auf dem Brocken vom Vortag schmolz bei Temperaturen über dem Gefrierpunkt jedoch auch schon wieder.

Währenddessen teilte sich das Tiefdruckgebiet CARMEN unter weiterer Abschwächung in zwei Teile auf. Das eine Zentrum, CARMEN I, blieb noch länger vor der südnorwegischen Küste liegen und füllte sich dort im Wochenendverlauf auf, so dass bei diesem Prozess im Norden Deutschlands auch die stürmischen Winde aufhörten. CARMEN II hingegen zog rasch über die Baltischen Staaten in Richtung Nordrussland ab und verließ damit auch das Wettergeschehen Mitteleuropas.

Bedingt durch eine starke, nach Westen ausgerichteten Höhenströmung, lag CARMEN II in der Nacht zu Sonntag knapp westlich des Urals. Im Schlepptau hatte das Tief noch einen Rest der milden Meeresluft und brachte im Westen Sibiriens bei Temperaturen von einigen Grad über Null Regen und  Regenschauer. Sich sogar wieder etwas verstärkend auf einen Kerndruck von ca. 975hPa, erschien jedoch CARMEN II am Montag, dem 15. November, das letzte Mal auf der Bodendruckkarte der Berliner Wetterkarte.


Lebensgeschichte geschrieben von Stefan Weiher

vorgeschlagene Berliner Wetterkarte: 12.11.10

Pate: Carmen Juerschik-Badsching