Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet
CAROLINA
(getauft am
09.01.2016)
Seit Anfang Januar
2016 befand sich im 500-hPa-Niveau, also in einer Höhe von ca. 5,5 km, ein
ausgedehnter Höhenwirbel über dem Nordatlantik. Korrespondierend dazu existierte
das zugehörige Sturmtief BRITTA I am Boden und beeinflusste mit seinem
Frontensystem Nord- und Mitteleuropa. Die mitgeführten milden Meeresluftmassen
subpolaren Ursprungs verdrängten die dort vorherrschende kältere Subpolarluft.
Im Laufe des 9. Januar spaltete sich ein Tiefdruckkern des Nordatlantikwirbels
ab, wodurch sich kongruierend am Boden eine Zyklone am Rand des Höhenwirbels
mit einem Kerndruck von etwas unter 985 hPa ausbildete. Dieses Randtief sollte
in den folgenden Tagen Einfluss auf das europäische Wetter nehmen und wurde in
der Analyse am 9. Januar um 00 Uhr UTC, was 01 Uhr MEZ entspricht, auf den
Namen CAROLINA getauft.
Das Tief CAROLINA lag mit seinem Kern am
Tauftag etwa 400 km vor der Westküste Irlands. Zu diesem Zeitpunkt war bereits
ein Teil des Wirbels CAROLINA okkludiert. Vom Kern abgehend verlief die
Okklusionsfront bogenförmig Richtung Südwesten und ging in etwa auf dem
gleichen Breitengrad wie Marseille in eine Kaltfront über, die sich weiter
westwärts über den Nordatlantik zog und sich dort nach ca. 2000 km mit einer Warmfront
eines unbenannten Tiefdruckgebietes verband.
Ein Okklusionspunkt stellt den Ort dar,
an welchem die schneller ziehende Kaltfront die vor ihr ziehende Warmfront
einholt. Somit entsteht mit der Okklusion ein Frontentyp, der die Eigenschaften
von Kalt- und Warmfronten in sich vereint. Im Laufe des Tauftages verlagerte sich die Zyklone
CAROLINA konform mit der Höhenströmung nordostwärts bis zum Festland der
Britischen Inseln, verstärkte sich dabei erheblich zu einem kräftigen Sturmwirbel
und beeinflusste somit das Wettergeschehen über Spanien, Frankreich, Belgien
und Großbritannien sowie Irland.
Dabei blieb es entlang der Front ein
stark bewölkter Tag und die Sonne schien nur im Norden Frankreichs zwischen 2
und 5 Stunden, am Londoner Flughafen in Heathrow 3 Stunden und in Nottingham
und Dublin 5 bis 6 Stunden. Mit dem Tief CAROLINA wurden mit westlichen Winden
maritime warm-feuchte Luftmassen subpolaren Ursprungs herangeführt, so dass
beispielsweise im Nordwesten Frankreichs die Temperatur vom 8. zum 9. Januar um
2 bis 3 Grad anstieg. So wurden in Paris 12°C und an der Westküste in Saint Sauveur sogar 15°C registriert. Beim Durchgang der
Okklusionsfront gab es in den bretonischen Orten Rennes und Nantes starke
Gewitter mit zum Teil verstärkten schauerartigen Regenfällen und um 00 Uhr UTC wurden
12-stündige Niederschlagsmengen von 6 bis 8 l/m gemessen. Anderorts hielt der Regen länger an, so dass z.B.
in Le Mans 14 l/m und in dem am Ärmelkanal gelegenen Küstenörtchen Cherbourg
immerhin noch 11 l/mzusammen kamen. Des Weiteren wurden im Norden Spaniens
Niederschlagshöhen von 19 l/m in Lugo und bis 27 l/m in dem kleinen Ort A Pobra de Trives gemeldet. In Kernnähe wurde in Großbritannien an der
Westküste Regenmengen zwischen 5 und 20
l/m und an der Ostküste 1 bis 11 l/m verzeichnet. Im Inland wurden vielerorts 9 bis 11 l/m wie z.B. in Pershore erfasst. An
der Ostküste Irlands wurden am Flughafen von Dublin die höchsten
Niederschlagssummen von 22 l/mgemeldet. Dabei wurden Spitzenböen von bereits Orkanstärke an
der Westküste Frankreichs von 139 km/h in Quessant
registriert. Im französischen und britannischen Inland konnten 52 km/h bis 85
km/h datiert werden.
Am 10. Januar um 00 Uhr UTC befand sich der Kern des Tiefs CAROLINA
über der Irischen See und wies einen verstärkten Kerndruck von ca. 970 hPa auf.
Damit entwickelte sich das Tief CAROLINA zu einem Sturmwirbel, welcher die
okkludierte Front von Tief BRITTA mit in seine Zirkulation einbezogen hatte. Im
weiteren Tagesverlauf verlagerte sich der Kern nur langsam nach Nordosten und
das Frontensystem überquerte Deutschland mit einem weiteren Schwall milder
Meeresluft, in der die Temperatur z.B. im Ruhrgebiet auf 10°C ansteigen konnte.
Im Nordosten konnten dagegen durch bodennahe Inversion bzw. bodennahe
Auskühlung nur Höchstwerte von 1 bis 2°C in Mecklenburg Vorpommern und 3°C in
Berlin gemessen werden. Nur im Westen Deutschlands gab es vereinzelt bis zu 5
Sonnenstunden wie z.B. in Düsseldorf oder Essen, ansonsten blieb es überwiegend
ein bedeckter und vielerorts verregneter Tag. Im Nordosten Deutschland wurden
kaum nennenswerte Niederschlagsmengen registriert, dahingegen wurden innerhalb
von 12 Stunden um 00 Uhr UTC des Folgetages im Südwesten bis zu 15 l/m in Freudenstadt und 13 l/m in Rheinstetten verzeichnet. Im Bereich des Kerns über
Schottland wurden im gleichen Zeitraum in Edinburgh 15 l/m gemessen. Die starke Drängung der Isobaren, also den Linien
gleichen Luftdruckes, nördlich des Kerns vom Sturmtief CAROLINA wies auf
Starkwinde hin. Somit konnten vor der Westküste Schottlands in Stornoway
Spitzenböen mit bis zu 107 km/h registriert werden.
Bis zum 11. Januar um 00 Uhr UTC zog der Kern mit
gleichbleibendem Kerndruck bis über den Norden Schottlands. Die Okklusionsfront,
den Kern umlaufend, erstreckte sich wellenförmig südwestlich der Westküste Irlands entlang
Nordirland, ostwärts über die Nordsee, Dänemark, Südschweden bis zum
Okklusionspunkt, der sich in etwa über Warschau befand. Von dort aus spaltete
sich zum Einen die Warmfront in Richtung Südosten ab, wo sie nördlich der
georgisch-russischen Grenze den Analysebereich der Berliner Wetterkarte verließ
und zum Anderen verlief die Kaltfront südwärts, wo sie in Höhe von Wien in eine
Warmfront eines unbenannten Tiefdruckgebietes überging. Die Okklusionsfront des
bereits fast vollständig okkludierten Tiefs CAROLINA löste sich in kürzester
Zeit nahezu vollständig von dem Kern und verband sich mit einem unbenannten
Tiefdruckgebiet, so dass die Gebiete nahe des Kerns am meisten von
Niederschlagsereignissen betroffen waren. Somit wurden im Norden Irlands und
Schottlands an diesem Tag keine Sonnenstunden registriert, mit Ausnahme in
Edinburgh und Umgebung, wo 4 bis 6 Stunden Sonne verzeichnet wurden. In
Kernnähe fielen bei Tageshöchstwerten von 6 bis 8°C, in Inverness
und umliegenden Orten sogar nur 3 bis 5°C, geringe 12-stündige Niederschlagshöhen
bis 18 Uhr UTC von 2 l/m, z.B. in Belfast und auf Lewis and Harris, der größten
schottischen Insel, sowie bis 8 l/min Aultbea bei Loch Ewe.
Am Folgetag um 00 Uhr UTC lag der Kern des Tiefs CAROLINA
mit einem abgeschwächten Kerndruck von knapp unter 985 hPa nur wenige 100 km
südöstlich von Edinburgh über der Nordsee und schwächte sich mehr und mehr ab.
Dahingegen verstärkte sich ein anderer Tiefdruckwirbel namens DANIELLA, der von
Südeuropa kommend unter Verstärkung nordostwärts zog und inzwischen mit seinem
Zentrum über dem Südosten Polens angelangt war. Die Tiefdruckzone CAROLINA-DANIELLA
bildete den Übergangsbereich zwischen der erwärmten subpolaren Meeresluft und
der etwas kälteren subpolaren Meeresluft. Die
schwache Okklusionsfront von Tief CAROLINA, östlich vom Kern ausgehend und über
Nord- sowie Ostdeutschland bis nach Polen verlaufend, bildete die Grenze
zwischen den beiden Luftmassen und sorgte im Tagesverlauf für eher geringe
Regenmengen. Die größten Niederschlagsmengen wurden hauptsächlich im Westen und
Südwesten innerhalb 24 Stunden bis 00 Uhr UTC des 13. Januars gemessen. So
meldete die Station auf dem dritthöchsten Berg im Rothaargebirge, dem Kahler
Asten, eine 15 cm hohe, für die Jahreszeit verhältnismäßig noch sehr geringe
Schneedecke. Vereinzelt wurden auch Regenmengen von bis zu 19 l/m, wie z.B. in Freudenstadt, registriert. In Berlin und
Umgebung kamen im gleichen Zeitraum 8 bis 9 l/mzusammen.
Bis zum 13. Januar 00 Uhr UTC befand sich das
Tiefdruckgebiet CAROLINA an der Nordseeküste Schleswig-Holsteins und Dänemarks.
Der Kerndruck schwächte sich weiter bis auf knapp unter 995 hPa ab. Die
Okklusionsfront, südwestlich bis nach Brüssel reichend und wellenförmig
ostwärts über die Ostsee, Warschau bis etwa 200 km im Südosten von Moskau
endend, schwächte sich ebenfalls weiter ab. An der Südflanke von Tief CAROLINA
gelangten weiterhin mit westlicher Strömung subpolare Meeresluftmassen nach
Deutschland, so dass die Temperatur auf maximal 2°C an der Ostseeküste bis 7°C
im Westen Deutschlands anstieg.
In den folgenden Stunden zog die Zyklone CAROLINA unter
weiterer Abschwächung über die Ostseeküstenregion hinweg nach Polen und lösten
sich dort vollständig auf. Infolgedessen war das Tiefdruckgebiet CAROLINA am
13. Januar das letzte Mal als eigenständiges Tiefdruckgebilde auf der Berliner
Wetterkarte verzeichnet.
Geschrieben am 28.03.2016 von
Lisa-Marie Schulze
Berliner
Wetterkarte: 10.01.2016
Pate:
Carolina Dlubatz