Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet CARSTEN

(getauft am 07.11.2015)

 

Am 07.11.2015 war die Großwetterlage über dem Nordatlantik geprägt von einem sogenannten Trog, der in den untersten 5 km der Atmosphäre mit relativ kalter Luft angefüllt war. Vor diesem Trog, also auf dessen Ostflanke, wurde großskalig Hebung von Luft erzeugt. Die Hebung begünstigt die Entstehung von Tiefdruckgebieten und so konnte in der Prognose für den folgenden Tag ein neues Tiefdruckgebiet auf den Namen CARSTEN getauft werden.

Im Laufe des 08.11. intensivierte sich das Tief CARSTEN am Boden und zog mit der starken Südwestströmung in der Höhe über den Nordatlantik. Zum Nachttermin um 01 Uhr MEZ befand es sich mit einem Kerndruck von etwa 1000 hPa rund 400 km westlich von Irland. Mit der weiteren Entwicklung des Tiefdruckgebietes CARSTEN, auch Zyklogenese genannt, wurde die Polarfront zwischen subtropischen und polaren Luftmassen zunehmend verformt. Das entstehende Frontensystem von Wirbel CARSTEN bestand zum Nachttermin aus einer kurzen Okklusion mit anschließender Kaltfront, welche in einem leichten Bogen Richtung Süden bzw. Südwesten verliefen. Etwa 200 km weiter östlich verlief nahezu parallel eine zweite Kaltfront, welche rund 150 km südwestlich von Irland in eine Warmfront überging. Mit dieser Warmfront wurden für den Monat November sehr milde Luftmassen subtropischen Ursprungs nach West- und Mitteleuropa geführt. So wurde in Santander an der Nordküste Spaniens bei 10 Stunden Sonnenschein die 30°C-Marke überschritten. In Bordeaux waren es als Höchstwert 26,7°C und in Paris immerhin 21,3°C. Weiter nördlich brachte die Warmfront von Tief CARSTEN zwar keinen Niederschlag, aber einige Wolken mit sich. Dennoch schien beispielsweise in Saarbrücken 6 Stunden die Sonne und es wurden 21,4°C als Maximaltemperatur erreicht. Im Gegensatz dazu war die Kaltfront, welche an diesem Tag über Teile Großbritanniens zog, sehr niederschlagsreich. Örtlich fielen über 40 l/m² innerhalb von 12 Stunden, wie an der Station Keswick mit 43 l/m².

Bis zum 9.11. hatte sich die Zyklone CARSTEN auf Sturmtiefstärke mit einem Kerndruck von etwa 968 hPa intensiviert und lag um 01 Uhr MEZ über dem Nordmeer zwischen Island und Norwegen. Dabei wurde von den Meteorologen der Berliner Wetterkarte eine Okklusion, also eine Front mit Warm- und Kaltfrontcharakter, analysiert. Diese verlief vom Kern über Norwegen bis zum sogenannten Okklusionspunkt über dem Skagerrak, wo sich das Frontensystem in eine Warmfront und eine Kaltfront auftrennte. Die Warmfront verlief zum Nachttermin über Dänemark und Österreich und sorgte dort für leichte bis starke Bewölkung, jedoch ohne Niederschläge. Im Bereich der warmen, subtropischen Luft, welche am 9.11. besonders im südosteuropäischen Raum Einzug nahm, wurde teilweise mit über 25°C das Kriterium für einen Sommertag erfüllt, wie im kroatischen Ogulin mit 27,2°C. An der Station in Köflach in der Steiermark waren es 24,5°C, wobei einige 100 km nordöstlich außerhalb des Warmlufteinflusses im slowakischen Chopok mit 6,4°C nicht einmal ein zweistelliger Wert für die Höchsttemperatur erreicht wurde. Auch die Kaltfront entlang der deutschen und französischen Nordseeküste bis über Nordspanien ließ an Wetterwirksamkeit nach. So fiel in Frankreich bei Frontdurchgang kaum noch nennenswerter Niederschlag mit vereinzelt 0,2 l/m² wie im Raum Paris. Die ergiebigsten Niederschläge fielen wie üblich in den Regionen um den Okklusionspunkt mit beispielsweise 26,3 l/m² im Norwegischen Torpup, 13,3 l/m² in Haale in Schleswig-Holstein und 9,0 l/m² in Kopenhagen in 12 Stunden bis zum Morgentermin um 07 Uhr MEZ. Abgesehen davon brachte das Sturmtief CARSTEN Windböen bis Beaufortstärke 9 in den Niederungen und bis zu 180 km/h an vereinzelten norwegischen Küsten- und Gebirgsstationen.

Bis zum Folgetag hatte sich der Wirbel CARSTEN mit etwa gleichbleibendem Kerndruck über die Norwegische See verlagert. Das Frontensystem über Finnland und Weißrussland war bereits vollständig okkludiert und befand sich teilweise in Auflösung. Dennoch fielen noch großräumig über 5 l/m² in 12 Stunden entlang des Frontensystems. In Vilnius waren es 5 l/m², in Helsinki 6,5 l/m² und in Kittilä 8,2 l/m² in 12 Stunden. In Nordskandinavien fielen die Niederschläge dabei teilweise als Schnee.

Am Morgen des 11.11. lag der sich abschwächende Kern der Zyklone CARSTEN mit etwa 975 hPa im Vergleich zum Vortag nur ungefähr 100 km weiter nordwestlich. Die Okklusion verlief vom Kern über Teile der Norwegischen See und entlang der norwegischen Küste. Dort kam es den ganzen Tag über zu leichten Niederschlägen, welche sich 24-stündig bis zum Morgen des Folgetages auf bis zu 25 l/m² in Fossmark aufsummierten. Auch die Windböen im Einflussbereich von Tief CARSTEN erreichten nur noch an vereinzelten Küstenregionen Sturmstärke.

Die Abschwächung der Zyklone zog sich am 12.11. fort, wobei der Kerndruck auf etwa 980 hPa anstieg und die Frontensysteme kaum über 0,1 l/m² in 6 Stunden verursachten.

Bis zum Morgen des 13.11. wurde der Kern von Tiefdruckgebiet CARSTEN von einem neuen nachfolgenden Tief über der Nordsee aufgenommen und konnte damit nach 6 Tagen Lebensdauer nicht mehr auf der Berliner Wetterkarte namentlich verzeichnet werden.

 

 

Geschrieben am 08.12.2015 von Jannick Fischer

Berliner Wetterkarte: 09.11.2015

Pate: Carsten Strelow