Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet CEDRIC
(getauft am 21.12.2019)
In der Prognosekarte des Deutschen Wetterdienstes vom 21.12.2019 um 00 Uhr
UTC wurde die Entstehung eines kleinen Tiefdruckgebiets mit zwei Kernen über
dem Nordatlantik auf dem Breitengrad der Azoren und rund 2000 km westlich von
diesen prognostiziert. Dieses Druckgebilde wurde auf den Namen CEDRIC getauft
und tauchte zum ersten Mal am 22.12. in der Bodenwetterkarte der Berliner
Wetterkarte auf. Das Tiefdruckgebiet folgte dem Tief AILTON auf dem
Atlantischen Ozean in östliche Richtung, leicht südlich von dessen Zugbahn. Der
Kerndruck des Tiefs CEDRIC lag mit knapp unter 1010 hPa etwas höher als der am
Vortag prognostizierte Wert von unter 1005 hPa, außerdem wies das Druckgebilde
entgegen der Vorhersage nur einen Kern statt zweien auf. Der Druckgradient, also
die Änderung des Drucks, war am 22.12. in horizontaler Richtung noch relativ
gering, sodass die gegen den Uhrzeigersinn um das Tiefdruckgebiet wehenden zyklonalen Winde noch relativ schwach ausfielen. Wie
prognostiziert bildeten sich zwei Fronten um CEDRIC. Die ungefähr auf dem 37.
Breitengrad liegende Warmfront reichte vom Kern des Tiefdruckgebiets bis zu den
Azoren, war aber nur schwach ausgeprägt und brachte keine nennenswerten Wettererscheinungen
mit sich. Die dahinter liegende Kaltfront führte maritime Polarluft in südliche
Richtung auf den Atlantik. Die Fronten fingen bereits
an zu okkludieren. Durch das Eindrehen der Warm- und der
Kaltfront um das Tiefdruckgebiet kommt die hinter der Warmfront liegende
Kaltfront immer dichter an die Warmfront heran, bis sie schließlich
zusammentreffen. Der Punkt, an dem dies passiert nennt sich Okklusionspunkt. Er
wandert im normalen Lebenszyklus einer Zyklone vom Kern weg, sodass die
Okklusionsfront, also die Mischform aus Warm- und Kaltfront im Verlauf der
Entwicklung des Druckgebildes länger wird. Am 22.12. lag der Okklusionspunkt
bei Tief CEDRIC noch sehr dicht am Kern, die Okklusionsfront war
demzufolge noch sehr kurz.
Das Tief verlagerte sich mit dem zonal aus westlicher Richtung wehenden
Jetstream weiter nach Osten, im Vergleich zu den vorangegangenen, stärkeren
Tiefs allerdings eher langsam, sodass Tief CEDRIC am 23.12. immer noch relativ
zentral über dem Nordatlantik lag. Der Kerndruck hatte sich allerdings im
Verlauf des letzten Tages um rund 20 hPa auf unter 990 hPa reduziert, was das
Tiefdruckgebiet weiter intensivierte. Die Fronten sind weiter okkludiert, wodurch
die Okklusionsfront ein Niederschlagsband auf dem Atlantik ausbildete. Die Kaltfront
führte zu schwachen Niederschlägen auf den Azoren. Das Tiefdruckgebiet wies eine
große vertikale Ausdehnung auf und war auch in Höhe der 500 hPa Fläche auf rund
5500 Meter Höhe noch gut erkennbar, ebenso wie der Kaltluftvorstoß polarer
Luftmassen über dem Atlantischen Ozean. Der Wind wehte im Mittel mit 30 bis zu
40 Knoten, was bis zu 74 km/h entspricht, um das Zentrum von CEDRIC. Die
bodennahen Temperaturänderungen an der Kaltfront fielen sehr gering aus, sowohl
vor als auch hinter der Kaltfront, die nun die Azoren von Nordosten nach
Südwesten durchkreuzte, lagen die Temperaturen zwischen 17°C bei Lajes (Azoren)
kurz hinter der Kaltfront und 20°C gemessen an einer Boje etwas südlich der
Azoren, gemessen vor dem Eintreffen der Kaltfront. Die Warmfront, welche über
die Azoren bis kurz vor die Küste Spanien reichte, führte durch das Heranführen
subtropischer maritimer Luftmassen zu einer leichten Erwärmung; an der
spanischen Küste lagen die Temperaturen um 01 MEZ, was 00 Uhr UTC entspricht,
bei um die 12°C, zum Beispiel 14°C in Viana do Castelo und 9°C in Carballo. Die bodennahe Temperatur der
mit der Warmfront herangeführten Luftmasse lag zwischen 18 und 20°C.
Abgelenkt durch das Hoch VANESSA über Spanien und Frankreich zog die
Zyklone CEDRIC im Laufe von Heiligabend über die Britischen Inseln. Der
Kerndruck war inzwischen wieder leicht auf knapp unter 995 hPa angestiegen und
das Druckgebiet war von der 500 hPa Karte verschwunden. Die Okklusionsfront reichte an Heiligabend
vom rund 1000 km westlich von Irland liegenden Kern über Irland, Südengland und
die Normandie und trennte sich an dem nun über der Biskaya liegenden
Okklusionspunkt in eine Warmfront, die über die Pyrenäen bis zum Mittelmeer
reichte, und eine Kaltfront, die sich nördlich von Spanien mit der Warmfront
des nachfolgenden Tiefdruckgebiets DIETMAR verband. Entlang der Okklusionsfront
kam es in England und der nördlichen Hälfte Frankreichs im Tagesverlauf zu
leichten Regenfällen. Die täglichen Regensummen lagen überall unter 10mm, nur
an der Atlantikküste Frankreichs lagen sie leicht darüber, so wies Quimper eine
Niederschlagssumme von 11,8 mm auf. Die Temperaturen änderten sich mit Durchzug
der Okklusionsfront kaum, sie lagen über den Britischen Inseln und Frankreich
zwischen 8 und 11°C, an den Küsten fielen sie mit bis zu 14°C durch den
wärmeren Atlantik etwas höher aus. In Paris erreichten die Temperaturen 12°C,
ebenso wie in Nantes. In Plymouth an der Südküste Englands war es mit 9°C etwas
kühler gewesen. Insgesamt lagen die Temperaturen damit leicht über den für
diese Jahreszeit normalen Werte. Der Wind wehte beim Durchzug der
Okklusionsfront stark auf und erreichte über England und Frankreich im Mittel
etwa 30 km/h, an den Küsten und über dem Ärmelkanal war die Windgeschwindigkeit
mit einem Mittelwind von bis zu 80 km/h deutlich stärker. Über dem Ärmelkanal
registrierte eine Messboje einen Spitzenwert von 111
km/h, an Land wurde an der Südküste Englands am St.
Catherines Point der Höchstwert von 48 km/h erreicht. Am Mittag erreichte die
Okklusionsfront die Alpen, in den Staulagen kam es hier zu Niederschlägen,
dabei lag die Niederschlagssumme zwischen 10 und 20 mm pro Tag. In Staulagen
und höheren Lagen fiel sie mit bis zu 40 mm auch höher aus. Die
Schneefallgrenze reichte von circa 1700 Meter nördlich der Alpen bis 1000 Meter
südlich von diesen. Am meisten Niederschlag fiel am Großen St-Bernard auf 2472 Meter
mit einer Niederschlagssumme von 42 mm an Heiligabend. Der Wind wehte dabei im
Mittel zum Teil stürmisch, in den Höhenlagen wurden einige orkanartige Böen
oder sogar Orkanböen erfasst, wie beispielsweise auf der Zugspitze mit 112 km/h
oder auf dem Jungfraujoch auf 3580 Meter über NN mit
178 km/h. In Höhenlagen unter 1500 Meter über dem Meeresspiegel lag die
durchschnittliche Windgeschwindigkeit größtenteils bei etwa 40 km/h, in Spitzen
wurden auch hier schwere Sturmböen aufgezeichnet, wie etwa auf dem Bantiger in der Nähe von Bern mit 91 km/h. Ebenfalls 91
km/h wurden auf dem Uetliberg registriert, in
Zürich war der Wind dagegen deutlich schwächer, hier wurden mit Windspitzen von
53 km/h keine Sturmböen gemeldet.
Am 1. Weihnachtsfeiertag lag das Zentrum von Tief CEDRIC bei Berlin. Das
Tief hatte sich weiter abgeschwächt und war auf der Bodenwetterkarte und dem
Satellitenbild nur noch schwer auszumachen. Die Fronten waren zu einer einzigen
Okklusionsfront durchokkludiert, die nun von der Normandie über die
Niederlande, Berlin und Prag südlich der Alpen reichte und sich über Südfrankreich
mit der Warmfront des auf dem Nordatlantik nachfolgenden Tiefs DIETMAR verband.
Aus der vom Nordatlantischem Ozean kommenden feuchten Luft fielen im Süden
Deutschlands entlang der Alpen immer noch größere Niederschlagsmengen von bis
zu 30 mm, in Höhenlagen teils auch mehr. Spitzenreiter war der Säntis, westlich
von Vaduz mit 58 mm, gefolgt von Balderschwang mit 43
mm. In Bischofszell
dagegen fielen nur 4 mm. Auch
wurden noch starke Windböen erfasst. Die Idalp bei
Ischgl an der österreich-schweizerischen Grenze meldete eine Spitzenböe von 130
km/h was Orkanstärke und Stufe 12 Bft. entspricht.
Viele weitere exponiert liegende Stationen in den Alpen meldeten orkanartige
Böen mit mehr als 100 km/h, wie zum Beispiel auf dem Säntis mit 117 km/h. Die
Temperaturen lagen dabei bei 4 bis 5°C im Norden Deutschlands, 6 bis 8°C an der
Nordseeküste und bei bis zu 17°C in Norditalien. Die weitestgehend dichte
Wolkendecke über Deutschland verhinderte das Auskühlen in der Nacht, es blieb
bei 3 bis 5°C im Flachland frostfrei.
Am 2. Weihnachtsfeiertag war die Zyklone CEDRIC sowie dessen Frontensysteme
von den Wetterkarten verschwunden und dem nun über Mitteleuropa liegendem
Hochdruckgebiet VANESSA gewichen. Insgesamt trug Tief CEDRIC also zu einem
abermals milden und wenig winterlichen Weihnachtsfest über Mitteleuropa bei.