Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet CEMAL

(getauft am 07.01.2021)

 

Am 07. Januar 2021 um 18 UTC, also 19 Uhr MEZ, erschien ein Tiefdruckgebiet über Grönland auf der Karte. Laut den Karten des Vorhersagemodells GFS ist es aus dem Aleuten-Tief, einem Tief zwischen Nordamerika und Asien am Südrand des nordpazifischen Beringmeers, entsprungen, welches Ende Dezember letzten Jahres eine Rekordstärke erreicht hatte. Von dort aus verlagerte sich die Zyklone entlang des Jetstreams mit geringer Stärke immer weiter gen Osten bis es auf der Bodenwetterkarte der Berliner Wetterkarte über Grönland auftauchte. Es ist eine barokline Zyklone, wie sie oft entsteht. Baroklin bedeutet, dass Flächen gleichen Luftdrucks und gleicher Temperatur nicht parallel zueinander liegen, sondern sich gegenseitig schneiden. Die Atmosphäre ist im Allgemeinen mehr oder weniger baroklin geschichtet. Diese barokline Schichtung ist eine notwendige Voraussetzung für das instabile Verhalten atmosphärischer Wellen bzw. für die Zyklogenese selbst. Da zu diesem Zeitpunkt bereits die Meteorologen der Berliner Wetterkarte eine Verlagerung dieser Zyklone in Richtung Europa und somit auch einen Einfluss auf dessen Wettergeschehen prognostizieren konnten, tauften sie noch am selbigen Tag das Tief in der Prognose für den Folgetag auf den Namen CEMAL.

 

Am 08. Januar formierte sich Tief CEMAL an der Ostküste Grönlands und wurde demnach erstmals namentlich auf der Berliner Wetterkarte um 00 UTC erwähnt. Die einströmende polare Luft hatte zu diesem Zeitpunkt Temperaturen zwischen – 15 und -25°C auf 1500 m Höhe, wohingegen die damit kollidierenden Luftmassen, welche über Island strömten, Temperaturen zwischen 0 und -5°C aufwiesen. Der Druck im Zentrum betrug knapp 1005 hPa. Das Auge des Tiefdruckwirbels war anfangs noch wolkenfrei, jedoch zogen auch dort rasch dichte Wolken auf. Die für Tiefdruckgebiete typische Warmfront Kaltfront – Struktur war auch hier schön zu finden. Das Tief war sogar schon teilokkludiert, was bedeutet, dass die Kaltfront die Warmfront teilweise bereits eingeholt hatte und sich daraus eine Mischfront bildete, die die Eigenschaften beider Frontentypen annahm. Diese Mischfront verlief vom Kern aus nach Süden und endete nach nur wenigen 100 Kilometern in dem Okklusionspunkt über der Nordwestküste Islands. Von dort aus erstreckte sich die Warmfront entlang der Westküste Islands weiter nach Süden, während die Kaltfront Kurs in Richtung Südwesten nahm, bis sie schließlich etwa südlich der Südspitze Grönlands in eine Warmfront überging, die dann noch weiter bis nach Neufundland reichte. Im Tagesverlauf überquerten Warm- und Kaltfront des Tiefs CEMAL ganz Island, was zu 24-stündigen Niederschlagsmengen bis zum Morgen des 09. Januars von 30,4 mm in Siglufjörður und 33,4 mm an der Wetterstation Laufbali führte. Im Osten der Insel blieb es gebietsweise auch trocken.

 

Im Tagesverlauf des 09. Januars verstärkte sich CEMAL und erreichte im Zentrum einen Luftdruck von weniger als 979 hPa, die Jan-Mayen-Station hatte zum Beispiel um 06 UTC 975,8 hPa gemessen. Island hinter sich gelassen nahm Tief CEMAL nun Kurs auf Skandinavien und die Britischen Inseln. Der Okklusionsprozess schritt mehr und mehr voran, der Warmluftsektor zwischen der Warm- und der Kaltfront wurde immer kleiner, da die Kaltfront die Warmfront nun fast schon vollständig eingeholt hatte. Zudem spielte eine zweite Kaltfront eine Rolle, die sich an der Südküste Island ausgebildet hatte. Die Okklusionsfront brachte milde Luft vom Atlantik und viel Regen mit sich. So stieg z.B. die Temperatur in Tórshavn, der Hauptstadt der Färöer Inseln, aus dem Frostbereich in der Nacht zum 09. Januar auf 7.9°C an, wobei 24,8 mm Regen fielen. Auf der Vorderseite von CEMAL strömte milde Meeresluft auch zum Europäischen Nordmeer. An der Wetterstation Jan Mayen lag die Temperatur vom 08. Januar 18 UTC bis zum 09. Januar 10 UTC über dem Gefrierpunkt mit einem Maximum von +1,1°C, dabei ging der Niederschlag in Nieselregen über.  Die hinter dem eigentlichen Frontensystem von Tief CEMAL zweite gebildete Kaltfront führte kalte, trockene Luft aus dem Norden heran. So sind die Höchsttemperaturen auf Island im Vergleich zum Vortag deutlich zurückgegangen. Auf der ganzen Insel herrschten nun frostige Temperaturen wie z.B. auf der äußersten Landzunge Dalatangi an der Ostküste Islands, wo die Tageshöchsttemperatur nur noch -3,6°C hervorbrachte, während sie noch am Vortag bei milden +9,7°C lag.

 

In der Nacht zum 10. Januar befand sich Wirbel CEMAL bereits über dem Nordmeer in etwa auf der Hälfte der Strecke zwischen Norwegen und Island. Das noch tags zuvor über Skandinavien befindliche Hochdruckgebiet ALEXANDER löste sich durch das Voranschreiten von Tief CEMAL rasch auf. Seine okkludierte Front verlagerte sich im Gegensatz zum Tiefdruckkern weiter nach Osten und überzog Skandinavien. Der Luftdruck im Zentrum betrug rund 980 hPa, die Temperaturen bewegten sich um die -1°C. Während das Frontensystem von CEMAL weiter nach Norden entlang der Küste Norwegens zog, wurde es wieder um durchschnittlich 2 Kelvin kälter in Norwegen. Seine Position blieb nun stabil bei ungefähr 68°N und 0°O, an der Vorderseite schneite es weiterhin. Durch die Drehrichtung eines Tiefdruckgebietes gegen den Uhrzeigersinn wurden auf der Rückseite von Tief CEMAL weiterhin kalte Luftmassen aus Norden herangeführt, die einerseits für Dauerfrost auf Island sorgten und andererseits beim Aufeinandertreffen auf die milden durch den Golfstrom verursachten Temperaturen des Nordatlantiks Kaltluftschauer in Form von Schnee- und Graupelschauer auf den Shetlandinseln verursachten. Der Norden Schottlands meldete leichten Frost, danach wurde die Kaltfront rückläufig, da bereits das nächste Tiefdruckgebiet namens DIMITRIOS aus dem Süden vordrang.

 

CEMAL hingegen hatte sich bis zum nächsten Tag in zwei Kerne aufgeteilt, wovon einer (CEMAL I) nach wie vor über dem Nordmeer verweilte, währenddessen der Zweite (CEMAL II) über dem südlichen Rand des Bottnischen Meerbusen lokalisiert wurde. Beide Kerne wurden durch die Okklusionsfront miteinander verbunden. Mit der vollständigen Okklusion von Tief CEMAL war dessen Entwicklung nun abgeschlossen. Auch der Kerndruck nahm weiter zu und betrug nun 990 hPa. Im weiteren Tagesverlauf lösten sich die beiden Kerne von CEMAL auf und dessen Frontensystem wurde vom nachfolgenden Tief DIMITRIOS aufgenommen. Somit war der 11. Januar der letzte Tag, wo Tief CEMAL auf der Bodenwetterkarte der Berliner Wetterkarte als eigenständiges Tiefdruckgebiet analysiert werden konnte.