Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet CHRISTA

(getauft am 14.10.2016)

 

Mitte Oktober befand sich der Ex-Tropensturm MATTHEW mit dem schwächer werdenden Kern kurz vor der Westküste Islands. Am 13. Oktober zog dessen Kaltfront östlich über den Atlantik. Dort trafen die sehr kalten arktischen Luftmassen auf die maritime Subtropikluft, die von Tief BRIGITTE, mit dem Kern über Zentralspanien liegend, aus dem Süden in den Norden transportiert wurde. Das Gebiet, an dem die warmen Luftmassen am Boden aus dem Süden auf die kälteren Luftmassen aus dem Norden stießen, befand sich außerdem auf der Vorderseite eines Höhentroges. Dies ist ein mit kalter Luft angefülltes Gebilde tiefen Potentials, in einer Höhe von etwa 5,5 km, wo die Bildung von Tiefdruckgebieten begünstigt ist. Infolge dieser Wellenstörung und der Bedingungen in der Höhe entstand am gleichen Tag ein noch unbenanntes Wellentief, etwa 400 km westlich von der Küste Irlands entfernt. Ein Wellentief entwickelt sich aus einer frontalen Störung und ist ein relativ schmales Tiefdruckgebiet an einer wellenförmig deformierten Front ohne zyklonal rotierenden Kern.

Dieses Tief wurde aufgrund seiner Zugbahn in Richtung Europa am 14. Oktober um 00 Uhr UTC, also 01 Uhr MEZ, in der Analyse der Berliner Wetterkarte auf den Namen CHRISTA getauft. Tief CHRISTA besaß zu diesem Zeitpunkt einen Kerndruck von ca. 1000 hPa. Nördlich vom Kern erstreckte sich die Warmfront, die über der Nordwestküste Islands in eine Kaltfront eines unbenannten Tiefs über der Grönlandsee überging und unterhalb des Kerns die entsprechende Kaltfront, die erst südwärts und dann westwärts über dem Nordatlantik auslief. Noch am selben Tag spaltete sich in der Höhe ein von dem Trog eigenständiges Höhentief ab, ein sogenanntes Cut Off-Tief. Ein Cut Off entsteht als Produkt eines Abschnürungsprozesses innerhalb eines langwelligen Troges in der mittleren und höheren Troposphäre. In den folgenden Tagen folgte Tief CHRISTA diesem höher gelegenen Cut Off und verstärkte sich dabei, bis sich dieser am 16. Oktober wieder dem Langwellentrog anschloss. Noch in den frühen Morgenstunden des Tauftages spaltete sich Wellentief CHRISTA vom unbenannten Grönlandseetief ab und verlagerte sich im Tagesverlauf nur geringfügig, korrespondierend zum Cut Off-Tief, südostwärts.

Um 00 Uhr UTC des 15. Oktobers befand sich der Kern nur etwa 500 km südöstlich vom Lagepunkt des vorherigen Tages über dem Nordostatlantik mit einem leicht gestiegenen Luftdruck von etwas unter 1000 hPa. Vom Kern nördlich abgehend verlief die Okklusionsfront den Kern östlich umlaufend bis über die Bretagne, wo sie in eine Kaltfront überging, die sich bis weit über den Nordatlantik erstreckte. Eine Okklusion wird auch als Mischfront bezeichnet, wobei die schneller ziehende Kaltfront die vor ihr ziehende Warmfront eingeholt und die warme Luft vom Boden angehoben hat. Somit entsteht mit der Okklusion ein Frontentyp, der die Eigenschaften von Kalt- und Warmfront in sich vereint. Bis zu diesem Zeitpunkt fielen allerdings nur in der Nähe des Kerns nennenswerte Niederschläge. So kam innerhalb von 24 Stunden auf Valentia Island im Südwesten Irlands, eine der westlichsten bewohnten Inseln Europas, eine Regenmenge von
8 mm zusammen. Im Tagesverlauf nahm Tiefdruckwirbel CHRISTA das über den Beneluxstaaten gelegene Tiefdruckgebiet BRIGITTE, welches weiter nach Norden zog, mit in ihre Zirkulation auf und verstärkte sich somit. An der Ostflanke des Wirbels gelangten sehr milde Luftmassen von Süden und Südwesten her in die zentralen und südlichen Bereiche Deutschlands. Dabei schien vor allem in Südbaden und in Ostbayern längere Zeit die Sonne, es wurden insgesamt 7 bis
8 Stunden registriert. So stieg die maximale Temperatur in Lahr bis 19°C und in Regensburg sogar bis 21°C an. Der Norden sowie der Nordosten Deutschlands verblieben dagegen in der Ostströmung im Bereich sehr kühler und feuchter Luftmassen subpolaren Ursprungs, so dass die Höchsttemperatur in Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und im nördlichen Brandenburg maximal 10°C betrug. Durch die Frontensysteme des nun vereinten Tiefdruckkomplexes CHRISTA-BRIGITTE fiel in diesen Regionen zeitweise Regen oder Sprühregen. Bis 00 Uhr UTC des 16. Oktobers konnten 12-stündige Niederschlagsmengen von 3 mm im mecklenburg-vorpommerischen Feldberg und 4 mm am Kap Arkona auf Rügen registriert werden. Die sehr viel höheren Regenmengen wurden allerdings unweit vom Tiefdruckkern des Tiefs CHRISTA verzeichnet. Deren Okklusionsfront überquerte bis zum 00 Uhr UTC Termin des 16. Oktobers vollständig Irland und Großbritannien. So fielen innerhalb von 24 Stunden an der Ostküste Irlands 20 mm am Johnstown Castle, 23 mm in Dublin sowie 19 mm am Flughafen Belfast/Aldergrove. In Großbritannien ließen sich die höchsten Niederschlagsmengen in Südengland mit 8 bis 11 mm und im Osten Schottlands mit bis zu 31 mm in Aberdeen vermerken. Ähnlich hohe Regenmengen wurden in der französischen Bretagne, genauer in Brest, mit 17 mm im gleichen Zeitraum verzeichnet.

Bis zum Nachttermin des 16. Oktobers verlagerte sich Tief CHRISTA nur wenige Kilometer östlich bis über die Südküste Irlands. Dabei verstärkte sich der Kerndruck um 5hPa auf knapp unter 995 hPa. Die Okklusionsfront verlief einige Kilometer nördlich des Kerns bogenförmig nach Osten und teilte sich über der Nordsee in eine zweite Okklusionsfront, die bis zu den Karpaten verlief und eine nach Südwesten verlaufende Kaltfront, die sich über der Biskaya weiter als Warmfront bis weit über den Nordatlantischen Ozean erstreckte. Die schwach ausgeprägte Okklusionsfront brachte allerdings im Tagesverlauf nur sehr geringe Niederschlagsmengen von 0,1 bis 1 mm im Nordosten Deutschlands. Durch die durchgängig dichte Bewölkung gab es keine Sonnenstunden in großen Landesteilen Schleswig-Holsteins, Mecklenburg-Vorpommerns, Brandenburgs und Berlins. Die Höchsttemperaturen unterschritten zur Ostsee hin sogar die zweistelligen Werte. So wurden in Putbus auf Rügen maximal 7°C gemessen. Auch in Potsdam und Berlin lagen die Werte nur um die 11 bis 12°C, während im nicht weit entfernten und ebenfalls noch im Brandenburg liegenden Wiesenburg bei
3 Sonnenstunden bereits 17°C registriert wurden. Der Süden und Westen Deutschlands lag im Bereich des Warmluftsektors von Tief CHRISTA, was bedeutet, dass dort die Wolken durch die von Süden einströmende Warmluft aufgelöst und somit vielerorts 9 bis 10 Stunden Sonne verzeichnet werden konnten, was dem Tagesmaximum dieser Jahreszeit nahe kommt. Die Tageshöchsttemperaturen befanden sich bei 17 bis 20°C, im baden-württembergischen Öhringen wurden sogar für diese Jahreszeit überdurchschnittlich milde 21°C gemessen. Dagegen sorgte die näher am Kern von Tief CHRISTA liegende Front von Galicien über die Bretagne und die Normandie bis zum britischen und irischen Festland für vielerorts zweistellige Regenmengen. So fielen in Galicien innerhalb von 12 Stunden bis 06 Uhr UTC des Folgetages in Vilagarcia de Arousa bis zu 25 mm. In etwa die gleiche Niederschlagshöhe fiel in Brest in den frühen Morgenstunden des
16. Oktobers um 3 Uhr UTC, allerdings innerhalb von 3 Stunden. Ebenso meldete die niederländische Station in der Hafenstadt Vlissingen um 06 Uhr UTC des 17. Oktobers eine 12-stündige Niederschlagsmenge von 24 mm. In Großbritannien und Irland fielen lokal sehr unterschiedlich hohe Niederschlagsmengen. So regnete es bis 00 Uhr UTC des Folgetages innerhalb von 24 Stunden im irischen Castlederg 15 mm und im unweit entfernten Finner nur etwa die Hälfte im gleichen Zeitraum. Ähnlich verhielt es sich im walisisch gelegenen Ort Sennybridge und im Westengland befindlichen Hereford. Im gleichen Zeitraum fielen in Sennybridge 27 mm und in Hereford nur 5 mm. Die höchste Niederschlagssumme konnte jedoch in Bournemouth, an der Südküste Englands, mit einer 24-stündigen Regenmeng von 31 mm verzeichnet werden. Da nahe am Kern auch die Drängung der Isobaren, also der Linien gleichen Luftdruckes, am stärksten ist, sind dort auch die höchsten Windgeschwindigkeiten zu finden. Somit konnten an der Westküste Wales und Englands Sturmböen von bis zu 87 km/h gemessen werden.

Das Zentrum von Wirbel CHRISTA zog bis zum 17. Oktober weiter nordwärts und positionierte sich um 00 Uhr UTC einige 100 km westlich von Schottland. Dabei schwächte sich der Kerndruck ab und lag nun bei knapp 1000 hPa. Unverändert drängten sich die Isobaren über den Britischen Inseln, so dass dort weiterhin hohe Windgeschwindigkeiten gemessen wurden. An der Westküste in Wales wurde beispielsweise in Mumbles erneut Sturmböen mit einer Stärke von etwas über 80 km/h vermerkt. Vom Kern nach Norden abgehend erstreckte sich die Okklusionsfront bogenförmig nach Süden und ging über der engsten Stelle des Ärmelkanals, der Straße von Dover, in eine Kaltfront über, die wiederum über dem spanischen León an eine Warmfront Anschluss fand. Durch die Verschiebung der Okklusionsfront Richtung südnorwegischer Küste wurden dort innerhalb von 24 Stunden bis zum 06 Uhr UTC-Termin des Folgetages Niederschlagssummen von über 20 mm gemessen. In Kristiansand wurden sogar 31 mm registriert. Weiterhin verlagerte sich die Kaltfront im Tagesverlauf Richtung Osten, so dass entlang der Kaltfront quer durch Deutschland Niederschläge verzeichnet wurden. Die stärksten Regenmengen kamen jedoch in Baden-Württemberg zusammen. Dort fielen innerhalb von 6 Stunden bis 18 Uhr UTC in Herrenberg 34 mm und bis 00 Uhr UTC des Folgetages kamen ebenfalls 6-stündig
32 mm in Baden-Baden zusammen.

Im Laufe des Tages zog Tiefdruckwirbel CHRISTA weiter nach Norden, so dass das Zentrum um 00 Uhr UTC des 18. Oktobers mit in etwa gleich bleibendem Luftdruck über den Färöer-Inseln lokalisiert wurde. Rasch löste sich das dazugehörige Frontensystem auf und der Tiefdruckkern zog frontenlos weiter nach Norden und somit aus dem Analysebereich der Berliner Wetterkarte. Infolgedessen konnte Tief CHRISTA am 18. Oktober das letzte Mal als eigenständiges, auf Europa Einfluss nehmendes Tiefdruckgebilde auf der Berliner Wetterkarte verzeichnet werden.

 


Geschrieben am 10.01.2017 von Lisa-Marie Schulze

Berliner Wetterkarte: 16.10.2016

Pate: Christa van Schaik